Schlagwort-Archive: Hermann Göring

Die Beutekunst der Nationalsozialisten Teil 2

Die sowjetischen wie auch die US-amerikanischen „Beutekunstsucher“ folgten jedoch nicht nur ihrer Kulturmission, sie arbeiten leider, jedoch nachvollziehbar, auch im eigenen und mitunter persönlichen Interesse. Den es ging nach Kriegende nicht nur um Sicherung der Beutekunst sondern leider teilweise auch um sogenannte Wiedergutmachung und auch um persönliche Bereicherung. Denn es waren nicht nur geraubte Kunstgüter in Deutschland versteckt worden, sondern auch Kunstgüter, die vor den Nazis, vor den Alliierten oder auch vor anderen Räubern in Sicherheit gebracht werden sollten. So beispielsweise auch der Quedlinburger Domschatz, von dem große Teile Schenkungen der Ottonischen Kaiser waren. Es handelt sich dabei um einmalige Kunstwerke sowie kunsthandwerkliche Stücke, die vorrangig aus dem Früh- und Hochmittelalter stammen. Bereits 1943 waren die wertvollsten Teile des Domschatzes in einer Höhle bei Quedlinburg unter der Altenburg versteckt worden. Am 19. April 1945 besetzten dann amerikanische Truppen Quedlinburg. Die Verantwortung für die Höhle und den Schatz bekam der US-Leutnant Joe Tom Meador (* 30. Juni 1916, † 1. Februar 1980) übertragen. Dieser kunsthistorisch bewanderte Offizier erkannte die Bedeutung des Schatzes und entschloss sich die wertvollsten 21 Stücke davon zu stehlen und per Feldpost in seinen Heimatort nach Texas zu schicken. Gedacht, getan: 1980 verstarb Meador jedoch und die Schatzstücke befanden sich noch immer in Texas. Seine Erben versuchten die Kunstwerke auf dem internationalen Kunstmarkt zu verkaufen. Um Beutekunst im eigentlichen Sinne des Wortes handelte es sich hierbei jedoch nie, da der Diebstahl die Tat eines einzelnen Individuums war und nicht auf Befehl der US-amerikanischen Besatzungsbehörden erfolgte.

Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg
Stiftskirche St. Servatius in Quedlinburg

Der Kunsthistoriker Willi Korte entdeckte die Stücke auf dem Kunstmarkt und kämpfte nach der Wiedervereinigung um die Rückkehr nach Deutschland. Es wurde ein langes juristisches Ringen, das letztlich mit einem Vergleich abgeschlossen wurde. 1993 kehrten die gestohlenen Stücke des Quedlinburger Domschatzes nach Quedlinburg zurück, wo sie in der romanischen Stiftskirche St. Servatius zusammen mit den anderen Schatzstücken ausgestellt werden. Alle Beutestücke ließen sich jedoch nicht wieder auffinden und einige blieben bis heute verschollen.
Reichsmarschall Hermann Göring, eine der schillerndsten Persönlichkeiten der Nationalsozialisten, hatte einen ausgeprägten Hang zu Luxus und Glamour. Sein repräsentatives, neohistorisches Anwesen Carinhall in der Schorfheide, nordwestlich von Berlin, ließ Göring im Innen- und Außenbereich mit vielen Kunstwerken ausstatten. Er trug eine Privatsammlung zusammen, die im Wesentlichen aus Raub- und Beutekunstwerken bestand und von beträchtlichem Wert war: auf 50 Millionen Mark belaufen sich die Schätzungen.
Anfang 1945 ließ Göring Carinhall sprengen. Zuvor schaffte er die wertvollsten Stücke seiner Sammlung in Sonderzügen nach Berchtesgaden: aber eben nur die wertvollsten. Es heißt, seine Mannschaft habe sich dann noch reich bedient und vieles auf dem Gelände versteckt.
Dann kamen die Sowjets, inspizierten kurz das gesprengte Objekt und planierten es. Dennoch ist das Gelände, das nochmals nach der Wiedervereinigung von der Brandenburger Landesregierung planiert wurde, ein Schatzsuchereldorado. Wohl nicht ganz zu Unrecht, denn es werden immer wieder neue Funde bekannt. Zumal wohl von den zahlreichen unterirdischen Anlagen wenig bekannt. Im angrenzenden Großen Döllnsee, wurden von Tauchern des Innenministeriums drei Skulpturen des Bildhauers Arno Breker gefunden, auch der Kopf einer antiken Statue soll gefunden worden sein. Schatzsucher buddelten in den vergangenen Jahren silberne Serviettenringe, Silberlöffel, Orden und griechische Vasen aus. – Quelle: http://www.berliner-zeitung.de/16689038 ©2017. Es werden auf dem Gelände noch zahlreiche „Schätze“ vermutet, bis hin zum Bernsteinzimmer, dass dort mehrfach gesucht wurde. Jedoch findet das Land Brandenburg bisher keinen Umgang mit der Geschichte von Carinhall. Und da das Graben nach Görings Schätzen juristisch als Raubgraben angesehen wird, werden wir von Funden wohl auch nur mit viel Glück etwas erfahren. Jedoch hat man mit Totschweigen noch nie ein Problem lösen können.
Görings Kunstsammlung wurde schon auf dem Transport sowie bei der Einlagerung in Berchtesgaden stark geplündert. Schon 1943 hatte er einen Teil seiner Sammlung ins Salzbergwerk Altaussee schaffen lassen. Alle noch auffindbaren Kunstwerke aus Görings Sammlung wurden von den US-Amerikanern beschlagnahmt und in die zentrale Sammelstelle nach München geschafft.
Von den geheimen Einlagerungsstätten der Nationalsozialisten für ihre Raub- und Beutekunst ist erschreckend wenig bekannt. Auch über das Salzbergwerk bei Heilbronn wurde nur wenig publiziert, obwohl es das wohl größte Depot darstellte. Der Film „Monuments Men“ rief die Einlagerungsstätte dann als „Schatzkammer der Kunst“ ins Gedächtnis zurück. Zuvor hatte bereits 1997 der Heilbronner Archivdirektor Christhard Schrenk ein 400seitiges Werk mit dem Namen „Schatzkammer Salzbergwerk“ herausgegeben, das jedoch seit langer Zeit nicht mehr im Handel erhältlich ist. Schrenk hat darin den Ablauf und den Umfang der Kunsteinlagerungen minutiös dargestellt. Dabei war die Faktenlage dünn, die Unterlagen und Akten waren überall verstreut, genauer, wenn auch nicht immer ganz korrekt waren die amerikanischen Quellen und Augenzeugenberichte. 40 000 Kisten mit Kunstgegenständen sollen es gewesen sein, die dort in Heilbronn eingelagert waren und den Amerikanern in die Hände fielen.
Dennoch muss der Autor eingestehen, dass sich über die Inventarlisten die Kisteninhalte nur bruchstückhaft ermitteln lässt. Dennoch konnte Schrenk dokumentieren, dass nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität der Einlagerungen imponierend war.
Nach langem Häuserkampf war Heilbronn am 12. April 1945 endgültig von den Amerikanern eingenommen worden, nur vier Tage später traf hier, so recherchierte es Schrenk, James R. Rimorer als zuständiger Kunstschutzoffizier ein. Zunächst jedoch sicherte er Kunstschatz-Depots in Neuschwanstein, auf Herrenchiemsee sowie bei Memmingen. Die Kunstschatz-Offiziere sicherten und begutachteten die Heilbronner Kunstschätze. Erwähnt werden muss jedoch, das damals nur etwa zwei Prozent der aufgefundenen Kunstschätze als illegale Raubkunst eingestuft worden sind.
Wie groß die Anzahl der von den Nationalsozialisten geraubten Kunstwerke ist, darüber kann bis heute nur spekuliert werden. Nicht anders sieht es bei der Anzahl der Kunstwerke aus, die an ihren ursprünglichen Eigentümer zurückgegeben worden sind. Auch dazu gibt es keine Dokumentationen, nicht einmal verlässliche Zahlen: Die Schätzungen diesbezüglich bewegen sich zwischen 50 und 80 Prozent. Es gibt zudem jedoch auch Expertenmeinungen, die besagen, dass nur etwa ein Drittel der „Nazischätze“ bisher wiedergefunden worden ist.
Wo die noch vermissten Kunstobjekte abgeblieben sind darüber kann nur spekuliert werden. Ein Teil ist sicherlich noch immer in Depots versteckt, die bisher noch nicht aufgefunden wurden. Ein Teil wurde von den Nazis auch ins Ausland geschafft, insbesondere in die Schweiz. Auch die deutsche Bevölkerung hat sich an Plünderungen von Transporten beteiligt. So kamen beim Abtransport der Kunstschätze aus Heilbronn drei ganze LKW’s samt Ladung abhanden. Zudem wird davon ausgegangen, dass noch heute zahlreiche geraubte Kunstwerke vergessen in den Archiven deutscher und österreichischer Museen ihrer Entdeckung harren.
Viele Kunstwerke verschwanden auch bei den Alliierten, insbesondere bei den US-Amerikanern und den Sowjets. Sol Chaneles, ein 1990 verstorbener Kunstraubforscher und Professor für Kriminalrecht der Rutgers University, New Jersey, berichtete über ein großes mit deutschem Kulturgut vollgestopftes Transportflugzeug, das im Sommer 1945 von München in die USA geflogen sei – was daraus geworden ist, ist bis heute ungeklärt. Chaneles berichtete ebenfalls von dem Verschwinden der Sammlung Schloss, einer Sammlung niederländischer Meister des 17. Jahrhunderts, deren Bestände angeblich nun nach einem wahren Irrweg zwischen Vichy-Frankreich und den Nationalsozialisten im Depot der National Gallery in Washington liegen sollen. Es gab aber auch viele US-amerikanische Soldaten, die sich ohne Auftrag privat bereicherten, was auch auf Sowjetsoldaten zutrifft.




Von den Amerikanern wurde jedoch auch eine Vielzahl von Kunstwerken mitgenommen, die nicht der Raubkunst zugerechnet werden konnte. Insbesondere deutsche Archive und Bibliotheken wurden systematisch geplündert und wertvolle alte Bücher in die USA geschafft. Schon häufig bin ich bei Recherchen auf alte Bücher gestoßen, die in Deutschland nicht mehr vorhanden sind, jedoch von US-amerikanischen Universitäten eingescannt im Netz zu finden sind.
Zwar waren die Amerikaner, entgegen aller vorheriger Absprachen den Sowjets häufig zuvor gekommen, dennoch hatte die sogenannte sowjetische Trophäenkommission in ihren besetzten ostdeutschen Gebieten viele deutsche Kulturgüter beschlagnahmt und in die Sowjetunion verbracht. Auch diese Kunstgüter stammten nur zu einem geringen Teil aus Raubgutbeständen. Die Sowjets betrachteten deutsche Kulturgüter ganz einfach als Reparationsobjekte.
Zwar wurden bereits 1955 die in der Sowjetunion eingelagerten Bilder der Dresdner Gemäldegalerie zurückgegeben, doch erst 1992 hob die russische Regierung die jahrzehntelange strenge Geheimhaltung der in geheimen Magazinen versteckten „Beutekunst-Bestände“ auf. In einem deutsch-russischen Vertrag wurde vereinbart, „unrechtmäßig verbrachte Kulturgüter an den Eigentümer“ zurückzugeben. In der Folgezeit führte in Russland die Behandlung des Beutekunst-Problems zu massiven innenpolitischen Auseinandersetzungen. Mehrfach erklärte die Duma gegen den Widerstand von Präsident Boris Jelzin die Beutekunst zum ständigen Eigentum Russlands. Die Beutekunstfrage gilt als ein wesentliches, derzeit noch immer ungelöstes Problem in den deutsch-russischen Beziehungen.
In den 1990er Jahren gingen das Puschkin-Museum und das Historische Museum in Moskau sowie die Eremitage in Sankt Petersburg dazu über, Beutekunst-Bestände aus den Geheimlagern herauszuholen und in Ausstellungen öffentlich zu zeigen. So zeigte 1995 die Eremitage französische Gemälde des 19. Jahrhunderts aus den Sammlungen von Friedrich Carl Siemens (1877–1952), Eduard von der Heydt, Alice Meyer (Witwe von Eduard Lorenz Lorenz-Meyer), Otto Gerstenberg, Otto Krebs, Bernhard Koehler und Monica Sachse (Witwe von Paul Sachse). Ein Jahr später folgte dort die Ausstellung mit Meisterzeichnungen aus deutschen Privatsammlungen. 1996 zeigte das Puschkin-Museum den so genannten Schatz des Priamos und 2007 die merowingerzeitlichen Funde aus dem Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte, darunter die Schwertscheide von Gutenstein. Weitere bedeutende Objekte der Beutekunst in Russland sind umfangreiche Bestände der Kunsthalle Bremen (u. a. die so genannte Baldin-Sammlung), die Nachlässe von Ferdinand Lassalle und Walther Rathenau, Bestände der Gothaer Bibliothek und der fürstlichen Bibliothek in Wernigerode sowie die Rüstkammer der Wartburg. 2008 wurde bekannt, dass im Museum der ukrainischen Stadt Simferopol 87 Gemälde des Suermondt-Ludwig-Museums Aachen ausgestellt werden, die bis 2005 als verschollen galten.
Der Goldfund von Eberswalde (bronzezeitlicher Goldschatz), 10.–9. Jh. v. Chr, Collection: Museum für Vor- und Frühgeschichte Berlin, Photograph: Andreas Praefcke 2006, WikipediaDer bronzezeitliche Eberswalder Goldschatz wurde 2013 im Rahmen der Ausstellung „Bronzezeit – Europa ohne Grenzen“ in Sankt Petersburg gezeigt. In einer kurzen Rede anlässlich der Eröffnung der Ausstellung am 21. Juni 2013 forderte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel die russische Regierung dazu auf, die geraubten deutschen Kulturgüter zurückzugeben.
2016 wurden 59 Statuen, die ehemals im Bode-Museum in Berlin standen, im Puschkin-Museum in Moskau wiedergefunden.
Zudem wurde so einiges an Kunst- und Wertgegenstände vor den Alliierten versteckt, wobei es sich in der Regel nicht um Raubkunst, sondern um Eigentum gehandelt hat. Besonders der Adel brachte in der sowjetischen Besatzungszone Wertgegenstände vor den Sowjetsoldaten in Sicherheit. Und häufig konnten die Besitzer dann nicht zurückkehren oder kamen nicht mehr an die verstecke heran. Oder die Besitzer verstarben ohne die Verstecke weitergegeben zu haben.
Einige Beispiele:
1996 wurde von Schatzgräbern bei Schloss Moritzburg der Schatz der Wettiner gefunden. Die Söhne von Ernst Heinrich Prinz von Sachsen, Dedo und Gero und der Revierförster hatten im Februar 1945 43 Kisten vergraben. Unter Folter verriet der Förster später das Versteck an die sowjetische Besatzungsmacht. Die Sowjets gruben den einen großen Teil aus und brachten den Schatz als angebliche Beutekunst widerrechtlich in die Sowjetunion, wo er sich bis heute befindet. Jedoch wurden 3 Kisten wohl übersehen und erst 1996 gefunden. Der Gesamtwert des Inhalts der drei Kisten wurde auf etwa 12 Millionen Euro geschätzt. Welchen Wert haben dann wohl die anderen 40 Kisten gehabt?
Auf Burg Falkenstein im Harz wurden bereits zwei Schätze der dort bis 1945 residierenden Asseburger gefunden. Der erste bestand aus wertvollen Kunst- und Kulturgütern und wurde vor 25 Jahren entdeckt. Vor wenigen Tagen wurde nun bei Bauarbeiten verstecktes Meißner Porzellan sowie weitere Kunstgüter gefunden.

Halfsize Traumb. V1

Schloss Neumühlen in der Altmark ist Besitz der Grafen von der Schulenburg. 2001 wurde der Geschichtsforscher, Architekt und Schatzsucher F.H. Rainer Friebe von Günzel Graf von der Schulenburg beauftragt einen 1945 im Schloss versteckten Familienschatz zu finden. Die Mutter des Grafen hatte die Wertsachen der Familie vor den Sowjets versteckt, dem Sohn jedoch das Versteck nicht anvertraut. Friebe hatte Glück und fand den umfangreichen Schatz: Milchkannen voller alte Münzen, Gold, Silber, Schmuck, wertvolles Porzellan und einen Koffer voller wertvoller alter Dokumente.
Als Resümee kann zusammengefasst werden, dass auch über 70 Jahre nach Kriegsende die Problematik Raubkunst der Nationalsozialisten sowie Kunstraub der Alliierten noch nicht Ansatzweise geklärt werden konnte. Daher werden wohl immer wieder neue Funde und Wiederentdeckungen gemacht werden. Und besonders das sogenannte Nazigold hat auch in seinen geheimen verstecken keine Verfallszeit. Aber darüber berichte ich demnächst.

Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – letzter Teil

Am 1. September 1939 um 8 Uhr morgens traf Birger Dahlerus wie vereinbart bei Hermann Göring ein. Hermann Göring wirkte bedrückt und redete über allerhand unwesentlicher Dinge. Doch dann berichtete er Dahlerus, dass in der Nacht polnische Freischaren die Radiostation Gleiwitz besetzt hätten. Von dort hätten sie dann die Mittelung verbreitet, das die Polnische Armee in Deutschland eingedrungen sei und es zu mehreren schweren Gefechten zwischen polnischen und deutschen Einheiten gekommen sei. Dieser angebliche Vorfall wurde von Hitler als polnische Kriegserklärung an Deutschland gesehen.
Heute gilt als gesichert, gemäß der Aussage von SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks, dass dieser vom Chef des SD Reinhard Heydrich den Befehl zu dieser Geheimoperation erteilt bekommen hatte und dass dieses Täuschungsmanöver „Unternehmen Tannenberg“ von deutschen SS-Kräften ausgeführt wurde. Laut Naujocks hatte Heydrich gesagt: „Ein tatsächlicher Beweis für polnische Übergriffe ist für die Auslandspresse und für die deutsche Propaganda nötig.
Ob Göring zu diesem Zeitpunkt die Wahrheit über diese Ereignisse wusste ist nicht geklärt, nach den Schilderungen von Dahlerus jedoch anzuzweifeln.
Göring berichtete in seinem Salonwagon Dahlerus, dass Hitler nach dieser polnischen Kriegserklärung in der Nacht dem Deutschen Heer den Befehl erteilt habe, in Polen einzumarschieren und die Polen zurückzuschlagen. Zudem sei der Befehl an die deutsche Luftwaffe gegangen, die polnische Fliegerei zu zerstören.
Hitler hatte den Frieden gebrochen und begonnen Polen mit Waffengewalt zum Nachgeben zu zwingen – so sah es der Schwede Birger Dahlerus. Das Gespräch war nicht von langer Dauer. Göring musste zur Reichstagsversammlung nach Berlin und Dahlerus begab sich in die englische Botschaft.
Henderson und Dahlerus hörten Hitlers Rede und waren sich einig, dass die Lage wenig hoffnungsvoll war. Es drohte ein verheerender Krieg in ganz Europa.
Kurz nach 11 Uhr erhielt Dahlerus einen Anruf von Göring, der Dahlerus bat in die Reichskanzlei zu kommen, da Hitler eine Rücksprache mit ihm wünsche. Dahlerus hatte zwar Bedanken, sagte aber dennoch zu. Kurze Zeit später wurde er abgeholt und in die Reichskanzlei gebracht. Dort wurde er von Göring empfangen, der ihm stolz mitteilte, dass er von Hitler zu dessen Stellvertreter ernannt worden war. Weiterhin teilte er Dahlerus mit, dass er zwar loyal zur Politik des Deutschen Führers stehen müsse, sich aber dennoch weiterhin für einen Friedensprozess einsetzen würde.
Dann brachte Göring Dahlerus zu Hitler. Dahlerus bezeichnet Hitlers Auftreten als „anomal , wie von Sinnen“. Zwar dankte Hitler Dahlerus für seine Friedensbemühungen, schob jedoch das Misslingen allein auf England. Göring versuchte einzulenken woraufhin Hitler sich zu weiteren Gesprächen mit England bereit erklärte. Doch schon im nächsten Augenblick schien er erneut die Kontrolle zu verlieren. Gemäß Dahlerus begann er erregt zu schreien und wild zu gestikulieren: „ Wenn aber die Engländer nicht verstehen, dass sie es in ihrem eigenen Interesse vermeiden müssen, mit mir zu kämpfen, so werden sie ihren Fehler teuer bezahlen müssen. Wenn England ein Jahr kämpfen will, so werde ich ein Jahr kämpfen; wenn England zwei Jahre kämpfen will so werde ich zwei Jahre kämpfen; wenn England drei Jahre kämpfen will so werde ich drei Jahre kämpfen und wenn es erforderlich ist, so werde ich auch zehn Jahre kämpfen.“

Halfsize Traumb. V1

Dahlerus verlies Hitler mit der Erkenntnis, dass von diesem nichts Gutes zu erwarten war. Er fuhr dann mit Göring ins Esplanada zum Lunch. Dabei versuchte er zu ergründen, ob Göring wirksame Schritte unternehmen könnte und würde, um den Krieg aufzuhalten – zu einem Ergebnis kam er jedoch nicht.
Dieser Tag verging mit Gesprächen, die Dahlerus wechselseitig mit Göring und der englischen Botschaft führte. Der Schwede wollte, trotz der aussichtslos erscheinenden Lage, in dieser Situation seine Bemühungen nicht aufgeben.
Am 2. September um 8 Uhr traf Dahlerus wiederum mit Göring zusammen. Doch er erkannte, das Göring sich verändert hatte und den Ernst der Situation wohl nicht erkannt hatte oder aber nicht erkennen wollte.
Nach einer englischen Note vom 1. September, die von deutscher Seite nicht beantwortet worden war, überbrachte der britische Botschafter Henderson am Sonntag, den 3. September 1939, gegen 9 Uhr ein Ultimatum an Außenminister Ribbentrop. Dieses Ultimatum verlangte Bescheid von der deutschen Regierung über die bereits am 1. September nachgefragten Punkte bis 11 Uhr des Tages: 1. Wann und ob Deutschland die Feindseligkeiten gegen Polen einstellt; 2. Wann und ob die deutschen Truppen sich wieder hinter die deutschen Grenzen zurückziehen werden.
Dahlerus und Göring diskutierten dann das englische Ultimatum. Dann einigte man sich, dass Göring unverzüglich Hitler anrufen sollte, um von diesem den Standpunkt zu erfahren. Es waren Minuten des Bangens. Göring telefonierte mit Hitler und Dahlerus aus Görings Sonderzug mit London und es schien nochmals einen Funken Hoffnung zu geben. Jedoch die Zeit verstrich ohne eine Annäherung zu erzielen. Göring konnte nichts mehr beeinflussen und auch nicht Birger Dahlerus. Beide waren zum Warten verdammt, das Geschehen hatte eine Eigendynamik entwickelt die wohl nicht mehr aufzuhalten war.
Dahlerus saß noch immer mit Göring zusammen, es war mittlerweile 11.15 Uhr, als einige höhere deutsche Offiziere kamen und Hermann Göring, dem zweiten Mann im Deutschen Reich, eine Mitteilung überreichten. Göring trug Dahlerus die Nachricht vor: Sie besagte, Chamberlain habe gleich nach 11 Uhr im Rundfunk die Nachricht bekanntgegeben, das Großbritannien sich mit Deutschland im Kriegszustand befinde, da Deutschland die Note nicht vor 11 Uhr beantwortet habe.
So war auch der letzte Versuch einen neuen Weltkrieg zu vermeiden, gescheitert. Der schwedische Industrielle Birger Dahlerus hatte sich wochenlang ins Zeug gelegt und mit den höchsten Vertretern aus Deutschland und Großbritannien verhandelt und äußerst viel diplomatisches Geschick bewiesen. Kein anderer war wohl so in die Kriegsverhinderungsdiplomatie verstrickt, kein anderer Zeitzeuge war mehr involviert als dieser Schwede, dessen Engagement heute kaum noch bekannt ist und dessen geschichtsträchtiges Wissen um diese Geheimverhandlungen kaum Eingang in die Geschichtsschreibung gefunden hat.




Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 6. Teil

Während des Dinners von Dahlerus, mit seinen englischen Freunden im Charlton-Hotel in London, wurde er aufgefordert, zu versuchen Hermann Göring in Berlin zu erreichen, um weitere Ergebnisse von den Gesprächen des englischen Botschafters Hendersons mit der Deutschen Regierung zu erfahren.
Es stellte sich als Problem heraus, Hermann Göring telefonisch zu erreichen; alle Verbindungen nach Deutschland waren unterbrochen. Nur über das Foreign Office gelange dann 22.30 Uhr ihn zu erreichen. Göring war sehr nervös und aufgebracht und teilte Dahlerus mit, dass ein Kriegsausbruch jeden Augenblick zu befürchten sei – darüber konferiere gerade die deutsche Regierung.
Die Stimmung von Dahlerus und seinen englischen Freunden schlug von einen Moment auf den anderen um: von großer Freude in Angst, Ärger und Wut. Was war nur in den letzten Stunden geschehen?


Halfsize Urlaubslust low

Göring erklärte Dahlerus, dass er und auch Hitler große Hoffnungen in dessen Gespräche in England sowie auch in die Gespräche mit dem britischen Botschafter Henderson am heutigen Abend gelegt hätten. Doch leider habe die englische Regierung zeitgleich mit den Verhandlungen in Berlin den Verteidigungspakt mit Polen unterzeichnet. Die deutsche Regierung sah das als Affront und zudem als Zeichen der Engländer, dass diese keine friedliche Lösung des Konfliktes mehr wünschen.
Dahlerus informierte über seine neuen Erkenntnisse ungeschminkt seine Freunde sowie Außenminister Lord Halifax. Schon kurze Zeit später kannte auch die gesamte englische Regierung die Situation und am nächsten Morgen kursierte das Kriegsgerücht bereits in ganz London. Die Mobilisierung setzte an jenem Sonnabend, den 26. August 1939 in England ein und viele Familien verließen aus Angst London und gingen auf das Land.
Am 26. August gegen Mittag traf Dahlerus in Downigstreet mit Lord Halifax zusammen er erläuterte ihm nochmals den Ernst der Lage. Auch äußerte er seine Überzeugung, dass, wenn jemand den Krieg noch verhindern könne, das nur Göring sei. Er bat Halifax einen persönlichen Brief an Göring zu schreiben, in dem er den Willen Englands an einer friedlichen Lösung Ausdruck verleihen sollte. Halifax beriet sich kurz mit Premierminister Chamberlain und erklärte sich dann bereit Göring zu schreiben. Dieser Brief, der auf dem Höhepunkt der Krise von englischen Außenminister Lord Halifax an Hermann Göring geschrieben wurde, ist in keiner offiziellen Veröffentlichung zu finden.
Dahlerus erhielt am frühem Nachmittag den Brief von Halifax, und da bereits die offiziellen Flugverbindungen nach Deutschland eingestellt worden waren, wurde für ihn eigens die umgehende Reise nach Berlin vom englischen Luftfahrtminister organisiert.
Am Abend traf Dahlerus mit Göring in einem fahrenden Zug im Umfeld von Berlin zusammen. Göring schildert ihm nochmals den Ernst der Situation und verwies auf zunehmende Gewalttätigkeiten der Polen gegenüber der dortigen deutschen Minderheit. Dahlerus teilte dann Göring seine Auffassung, insbesondere zu den angeblichen Greueltaten der Polen, mit und forderte Göring auf, am Frieden festzuhalten. Dann übergab er Göring den Brief von Lord Halifax.
Göring riss den Brief auf und versuchte mit seinen beschränkten Englischkenntnissen den Brief zu lesen. Doch er war derart nervös, das es ihm nicht gelang. Er bat Dahlerus, ihm den Brief zu übersetzen und dann vorzulesen. Er sagte dazu: „Herr Dahlerus, übersetzen Sie den Brief ins Deutsche und denken Sie daran, wie außerordentlich wichtig es ist, dass jede Silbe in Ihrer Übersetzung ihre rechte Bedeutung bekommt.“ Dahlerus tat, worum er gebeten worden war und Göring war tief beeindruckt vom englischen Schreiben.
Er ließ sofort den Zug anhalten, bestellte ein Auto, um direkt mit Dahlerus nach Berlin zu fahren und Hitler den Inhalt des Briefes mitzuteilen.
Mitten in der Nacht informierte Göringin in der Reichskanzlei Hitler über den Brief von Lord Halifax. Dann wurde Dahlerus von Hitler hinzugeladen. Nach einer freundlichen Begrüßen von Dahlerus durch Hitler, hielt dieser dem Schweden einen 20-minütigen Monolog, in dem er Dahlerus seine Sicht der Dinge darlegte und versucht diesem seinen Auffassung aufzuzwingen.
Es folgten weitere längere Gespräche: Insbesondere ließ sich Hitler von Dahlerus über England informieren. Dann schilderte Hitler Dahlerus in vielen Einzelheiten die Stärken der Deutschen Wehrmacht und gab zur Kenntnis, dass er keinen Krieg wünsche, diesen jedoch auch nicht fürchte un von einem deutschen Sieg überzeugt sei. Letztlich bat er Dahlerus, nach England zu reisen und erneut zwischen Deutschland und England zu vermitteln. Dahlerus machte Hitler daraufhin klar, dass er als neutraler Bürger nur eine Vermittlerposition einnehmen könne und Hitler im ganz konkret die deutschen Vorschläge benennen müsse, die er dann eins zu eins in England vorlegen könne. Da diese Positionen und Vorschläge Hitlers für England nicht schriftliche festgehalten werden sollten, lernte Dahlerus diese Punkt für Punkt auswendig. Hermann Göring war bei diesem Gespräch, dass bis zum frühen Morgen andauerte, zwar die ganze Zeit anwesend, mischte sich jedoch in die Gespräche zwischen Hitler und Dahlerus kaum ein. Am Morgen des 27. August wurde Dahlerus auf diplomatischem Weg ein umgehender Flug mit einem deutschen Flugzeug nach London organisiert, um der englischen Regierung Hitlers Positionen vorzutragen.
Wie diese Positionen aussahen und wie die Verhandlungen weiter liefen berichte ich demnächst.