Archiv für den Monat: November 2015

Der Tod der Glühlampe

Die Glühlampe, im Volksmund Glühbirne genannt, ist am Sterben – so will es die EU. Und wie bei so vielen Entscheidungen der EU, wurde auch in diesem Fall gegen den Willen der Bevölkerung eine rein technokratische Entscheidung getroffen. Natürlich nur zu unserem Besten!

Die Glühlampe war die erste bedeutende Erfindung zur Anwendung von elektrischem Strom. Die ersten Glühlampen stammen aus den 1840er Jahren und hatten Glühfäden aus Platin; aus ihnen wurde kein marktfähiges Produkt, da die Lichtausbeute einfach zu gering war. Der US-amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Alva Edison erfand dann im Jahr 1879 die Glühlampe heutiger Prägung. Es war wohl eine der bahnbrechendsten Erfindungen überhaupt, die Glühlampe. Brachte sie den Menschen doch nicht nur Licht in jeden Raum, sondern war auch Triebfeder der Elektrifizierung und damit der Industriellen Revolution. Besonders Werner von Siemens dürfte diese Erfindung sehr gefreut haben, verhalf sie seiner Erfindung eines isolierten Kabels doch endgültig zum Durchbruch.

Die physikalisch-technischen Eigenschaften und das Funktionsprinzip von Glühlampen möchte ich hier nur anreißen. Auf jeden Fall produzierte sie ein Licht, das wir als sehr angenehm empfinden. Dabei nimmt jedoch das für uns wahrnehmbare Licht bei der Energieumwandlung nur einen geringen Prozentsatz ein. Der Hauptanteil des produzierten Lichtes liegt im für uns unsichtbaren Infrarotbereich und wird als Wärme abgestrahlt. Wie auch immer die Lampe konstruktiv aufgebaut war, sie lieferte ein Licht, das den Menschen gefiel, und das fast 150 Jahre lang. Bis es Weltverbessern, Lobbyisten und Technokraten in den Sinn kam, diese allgegenwärtige Leuchtmittel zu verbieten.

Zuvor hatte man bereits seit 1924 alle Glühlampennutzer, also im Grunde allen Menschen die elektrischen Strom nutzen, vorsätzlich „hinters Licht geführt“. Das neugegründete Phoebuskartell – auch Glühlampenkartell genannt – sollte nur einen Zweck erfüllen: Für höhere Verkaufszahlen sorgen und somit die Gewinne zu maximieren. Dieses in Genf von den international führenden Glühlampenherstellern geschlossene Kartell, trat nach außen als Normen- und Typenkartell auf und propagierte nur die besten Absichten für den Verbraucher. In Wahrheit war den Produzenten jedoch die fast unbegrenzte Lebensdauer der Glühlampen ein Dorn im Auge. Also konstruierte man die Glühlampe so um, dass ihre maximale Lebensdauer bei 1 000 Stunden Brenndauer lag. Wer Lampen mit längerer Lebensdauer fertigte, musste mit drastischen finanziellen Sanktionen rechnen. Zudem wurde der Markt aufgeteilt, was eine freie Preisgestaltung der Hersteller ermöglichte. Die Glühlampe mit Wolframdraht, wie sie Jahr 1911 von General Elektric entwickelt worden war, wurde zwar prinzipiell beibehalten, jedoch mit einer Art Sollbruchstelle versehen. Zudem wurden Wissenstransfer und uneingeschränkter Patentaustausch zwischen den Mitgliedsfirmen vereinbart. Etwas Positives von diesem Kartell gab es dennoch zu vermelden: Eine Vereinheitlichung von Lampenfassungen und Lampensockeln. Nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im Jahr 1941, verschwand diese Kartell offiziell. Für die häufiger verbreitete Ansicht, es habe bis in die 1990er Jahre weiterbestanden, oder bestehe sogar heute noch, gibt es weder Beweise noch Gegenbeweise.

Inoffiziell hat sich bei der Lebensdauer jedoch bis heute nichts geändert – zumindest in der westlichen Welt. Es gibt dazu zahlreiche Verschwörungstheorien; Argumente und Gegenargumente halten sich dabei die Waage. Fakten hingegen sind: In der ehemaligen Sowjetunion und in Ungarn gab es immer Glühlampen mit langer Lebensdauer und die chinesischen Lampen brennen heute noch über 5 000 Stunden. Dieses Kartell, egal wie lange es auch bestanden haben mag, kostete die Verbraucher gewaltige Geldsummen.

Zu jedem Argument findet man auch ein Gegenargument, man muss nur lange genug suchen. Dem schlechten Wirkungsgrad der Glühlampe bei der Lichterzeugung können durchaus die geringen Herstellungskosten, der niedrige Preis, der geringe Material- und Energieaufwand bei der Produktion sowie ihre mögliche lange Lebensdauer entgegengestellt werden – hinzu kommt ihre vergleichsweise umweltfreundliche Entsorgung. Auch reduziert ihre Wärmestrahlung die nötige Zufuhr von Heizwärme in Räumen und Gebäuden. Das waren dennoch keine Argumente für Umweltschützer und EU-Technokraten die fruchteten.

Auch die Erfindung des Berliner Elektroingenieurs Dieter Binninger fand bei diesen Entscheidungsprozessen keine Beachtung. Der Ingenieur war kein Spinner sondern ein geschätzter Entwickler und Konstrukteur und er forschte an der sogenannten „Ewigkeitsglühbirne“. Im Jahr 1975 hatte er zuvor die „Berliner-Uhr“ entwickelt. Das war eine Uhr ohne Zeige, die mittels Glühlampen im Mengenlehreprinzip die Zeit darstellte – sie war demnach ein Vorläufer der digitalen Uhr. Diese Uhr funktioniert übrigens bis heute ohne Probleme. Binninger selbst hatte mit dieser Uhr nur ein Problem: Die Glühlampen waren laufend durchgebrannt. So stellte er sich die Aufgabe der Entwicklung einer neuartigen Glühlampe mit langer Lebensdauer und es hat den Anschein, als ob er sehr erfolgreich war. Nach eigenen Angaben soll die Lebensdauer 150 000 Stunden betragen haben. Seine wesentlichen Verbesserungen lauten: Eine neue Form des Glühfadens, ein edelgasgefüllter Glaskolben sowie eine Diode als Dimmer. Die Leuchtmittelindustrie lehnte jedoch dankend ab: Kein Interesse an „unkaputtbaren“ Lampen. Aus Sicht der Hersteller ist diese Reaktion wohl nachvollziehbar, wer sägt sich schon den Ast ab, auf dem er sitzt. Viele Jahre führte Binninger seinen Kampf, einen aussichtlosen Kampf – ich kenne das aus eigener Erfahrung. Erst mit der Wiedervereinigung sollte er seine Chance bekommen. Der ungarische Lampenhersteller Tungsram, der schon immer Glühlampen mit längerer Lebensdauer produziert hatte, bot sich als potentieller Partner an. Tungsram war zu jener Zeit gerade von General Elektric übernommen worden. Um die Marktpräsenz zu erhöhen wollte man 1991 den DDR-Glühlampenhersteller Narva von der Treuhand erwerben. Kurz vor der Übernahme des Betriebes kam Dieter Binninger, zusammen mit seinem Sohn und dem Piloten, bei einem Flugzeugabsturz mit der eigenen Propellermaschine ums Leben. Die Absturzursachen waren mysteriös und konnten nie geklärt werden.

Inzwischen sind Binningers Patentrechte erloschen. In einigen Publikationen ist davon die Rede, dass die von Binninger gepriesenen Vorteile seiner „Ewigkeitslampe“ nicht belegt werden konnten. Es seien fachliche Fehler in den Patenttexten bei der Effizienz- und Lebensdauerberechnung vorhanden gewesen. Wer auch immer diese Gerüchte gestreut hat, der hat bewusste Falschinformation betrieben und zudem von gewerblichem Rechtsschutz (Patentrecht) keine Ahnung, denn Berechnungen sind grundsätzlich keine Bestandteile von Patenttexten. Auch ist es kaum möglich solche Lebensdauerberechnungen verlässlich anzustellen. 150 000 Stunden sind 6 250 Tage, das sind über sieben Jahre – solche Zeiträume sind außerdem verschleißtechnisch schwer zu simulieren. Auch wäre dies die einhundertfünfzigfache Lebensdauer der herkömmlichen Glühlampe; selbst das Zehnfache wäre bereits ein erheblicher Fortschritt gewesen.


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Die neuen Energiesparlampen, insbesondere Kompaktleuchtstofflampen, sollten nun eine erheblich längere Lebensdauer haben als die Glühlampen und sie sollen umweltfreundlicher sein. Ich konnte davon bisher nichts feststellen – meine Leben auch nicht länger als die Glühlampe, dafür sind sie jedoch wesentlich teurer. Aber irgendwas ist ja immer! Dann ist da jedoch auch noch eine schlechte Energiebilanz bei der Prodiktion, nicht das Licht, das wir uns wünschen, erhebliche Probleme bei der Entsorgung und zu guter Letzt: ein Bringer ist das Design auch nicht. Dennoch war die EU-Kommission der Meinung, uns vom Technik- und Kulturerbe der Glühlampe erlösen zu müssen.

Die EU ist eisern mit ihrer Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG von 2006 und will die normale Glühlampe endgültig aus unserem Leben tilgen. Für 2014 war geplant die Richtlinie auf den Prüfstand zu stellen, jedoch still ruht der See. Von den vielen handwerklichen Fehlern bei der Formulierung des Gesetzes wollen wir nur ansatzweise reden. Gesetzeslücken lassen es zu, dass stoßfeste Baulampen, hitzebeständige Lampen für Wärmeöfen, sowie Designlampen für Dekorationszwecke weiter als Glühlampen gefertigte werden dürfen. Das Ergebnis konnte vorhergesehen werden: Anbieter modifizieren diese legalen Lampen für andere Anwendungen. Zudem wird versucht leistungsstarke Glühlampen als Heizelemente auf dem Markt zu platzieren. Wohl eine unendliche Geschichte, die nur ein Ende finden kann, wenn dem Verbraucher Lichtquellen angeboten werden die seine uneingeschränkte Zustimmung finden.




Verwandtschaft aus der Bronzezeit

HEZ MaB - M3 + Manfred Huchthausen - Nachfahre von M1 - frontal quer - Foto Günter Jentsch 300dpi - Bildrechte HEZ
HEZ MaB – M3 + Manfred Huchthausen – Nachfahre von M1 – frontal quer – Foto Günter Jentsch 300dpi – Bildrechte HEZ

Eines hat jeder Mensch – Verwandtschaft. Fast jeden Menschen interessiert seine Familie. Viele interessieren sich für Genealogie und können stolz auf einen Stammbaum von ein paar hundert Jahren verweisen. Nach wie vor ist jedoch die Stammesgeschichte des Menschen nicht klar, sie ist heute wohl umstrittener denn je.

Wer kann da schon 3.000 Jahre alte Ahnen vorweisen, Ahnen aus der Bronzezeit? Sicherlich keiner werden Sie jetzt wohl denken. Schriftliche Aufzeichnungen gibt es im sogenannten germanischen Kulturraum erst seit der Völkerwanderungszeit bzw. dem Frühmittelalter. Als ältestes schriftliches Zeugnis einer germanischen Schriftsprache wird die Wulfilabibel angesehen, und die stammt aus dem 4. Jahrhundert n. Chr. Und dennoch, es gibt zwei Männer, die können auf eine 3.000jährige Abstammung verweisen und diese Männer stammen aus dem Harz, aus dem Raum Osterode.

Alles begann 1972 mit der neuzeitlichen Entdeckung einer Höhle im Vorharzer Höhenzug Lichtenstein, gelegen bei Osterode am Harz, zwischen Förste und Dorste. Die Höhle wurde bald darauf verschlossen und zum Naturdenkmal erklärt. Anfang 1980  begannen fünf Harzer Höhlenforscher die Höhle weiter zu erkunden. Sie stießen auf eine Gesteinsspalte die unzugänglich erschien und erweiterten diese. Als sie weiter vordrangen, entdeckten sie einen neuen, unbekannten Höhlenteil, der sich in fünf miteinander verbundene Höhlenkammern von insgesamt 40qm darstellte. Dort machten die Fünf eine aufsehenerregende Entdeckung: Die Höhlenkammern waren übersät von tausenden menschlichen und tierischen Knochen sowie Bronzegegenständen und Keramik.

Dieser Fund stellte eine wissenschaftliche Sensation für die archäologische Forschung dar. Die oberflächennahen Funde waren infolge des Höhlenklimas von einer dicken Schicht Gipssinter bedeckt, die wie eine Konservierungsschicht wirkte. Außergewöhnlich war auch, dass dieser Fundort über 2 500 Jahren ungestört blieb. Auch war in den Kulturen jener Zeit die Brandbestattung der übliche Ritus, Körpergräber wie in diesem Fall sind hingegen die Ausnahme.

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Die Archäologie war zwar anfangs euphorisch, bis auf einige Skizzierungen und Notbergungen tat sich jedoch in den folgenden Jahren wenig. Es waren wohl die technischen Schwierigkeiten der Bergung in einer engen Höhle, die der Behörde Schwierigkeiten bereitete.

1992 brachen Raubgräber dann gewaltsam in die Höhle ein und nahmen einige Fundstücke mit, die sie jedoch später zurückgaben. Diese Aktion zwang das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege zum baldigen Handeln. In jährlichen Kampagnen wurde die Höhle von 1993 bis 2011 wissenschaftlich untersucht und alle Befunde geborgen. Bei diesen Arbeiten wurde in einem Nebengang noch ein umfangreicher Bronzehort entdeckt.

Unter der Leitung von Kreisarchäologe Dr. Stefan Flindt wurden etwa 5 500 menschliche Knochenteile gefunden, die sich etwa 65 bis 70 Individuen zurechnen lassen. Darüber hinaus wurden rund 100 Bronzegegenstände (Ohr-, Arm- und Fingerringe, Armreife) und Keramikteile sichergestellt. Die Bronze- und Keramikfunde ließen sich zeitlich der Hallstattperiode vom 10. bis 8. Jahrhundert v. Chr. zuordnen, so dass dieser Abschnitt als Nutzungszeitraum der Höhle anzunehmen ist.

An den Knochenfunden war jedoch etwas außergewöhnlich, vielleicht einmalig: Durch das kalkhaltige Wasser der Höhle sowie die konstant niedrige Temperatur waren die Knochen sehr gut erhalten, praktisch konserviert. Selbst die DNA der Knochensubstanz war noch vorhanden und ließ sich molekularbiologisch untersuchen. Die DNA-Analyse und der daraus gewonnene genetische Fingerabdruck ergaben eine wissenschaftliche Sensation. Dr. Susanne Hummel und ihr Team vom Göttinger Institut für Anthropologie hatte die DNA von 22 Personen aus drei Generationen typisiert und damit den bislang ältesten bekannten Familienclan der Welt genetisch nachgewiesen. In drei Fällen handelt es sich bei den Personen um Eltern und Kinder, in zwei weiteren Fällen sind es ein Elternteil mit Kindern. Bei 15 der 22 DNA-typisierten Personen liegen Verwandtschaftsbeziehungen vor.  Inzwischen sind sogar 62 Individuen genetisch identifiziert, die in der Höhle begraben waren, und wahrscheinlich sogar 4 – 5 dem Familienclan zugehörige Generationen. Ein analysiertes spezifisches Gen-Muster eines der gefundenen Männer ließ eine Idee aufkeimen. Gibt es noch Nachkommen der Bronzezeitmenschen in der Region und lassen sich diese ausfindig machen?

Es folgte ein Aufruf zum Speicheltest an Alteingesessene der 6 umliegenden Orte. Diese einzigartige Aktion fand regen Zuspruch, 270 Anwohner stellten sich der Wissenschaft zur Verfügung. 2007 folgte der wissenschaftliche Paukenschlag. 2 Männer wurden als ferne Verwandte ermittelt, abstammend über etwa 120 Generationen vom selben Mann, „Eindeutig wie beim Vaterschaftstest“ so Dr. Hummel. Berufsschullehrer Manfred Huchthausen und Landvermesser Uwe Lange, die sich vorher nur vom Sehen kannten, haben einen gemeinsamen, 3.000 Jahre alten Stammbaum. Somit hat der Harz eine Novität in der Wissenschaftswelt, den bislang ältesten nachgewiesenen Stammbaum der Welt.

Seit Juli 2008 hat das nahe gelegene Bad Grund eine neue Harzer Besucherattraktion. Das HöhlenErlebnisZentrum Iberger Tropfsteinhöhle wurde nach nur 15 Monaten Bauzeit und einer Investition von 3,65 Mio. Euro eröffnet. Erste Überlegungen dazu, und somit die Idee, kamen vom Ausgräber Kreisarchäologen Dr. Flindt; umgesetzt wurde es unter der Leitung des 2010 verstorbenen Denkmalpflegers Reinhard Roseneck.

Entstanden ist zum einen ein Übertage-Museum, dass die sensationellen Ergebnisse der Erforschung der Lichtenstein-Höhle präsentiert. Auch die Rekonstruktion der Köpfe von einer jungen Bronzezeitfrau und ihrer Eltern sind zu bestaunen, und das Höhlengrab wurde 1:1 nachgebaut. Das Höhlenerlebniszentrum hat aber noch zwei weitere Teile: ein Museum im Berg und die Iberger Tropfsteinhöhle. Das „Museum im Berg“ ist ein 160 m langer Stollen – der in den Berg gesprengt wurde. Unter dem Motto „Ein Riff auf Reisen“ wird so anschaulich die Geschichte des Ibergs dargestellt.




Pilze, die geheimnisvollen Lebewesen

Brasilianischer Mandel-Egerling (Agaricus subrufescens)
Brasilianischer Mandel-Egerling (Agaricus subrufescens)

Lange wurden die Pilze dem Reich der Pflanzen zugeordnet – ihrer Sesshaftigkeit wegen. Heute gelten sie aufgrund ihrer physiologischen und genetischen Eigenschaften als eigenes Reich und enger mit Tieren als mit Pflanzen verwandt. In der Biologie werden die Pilze der Domäne der Eukaryoten zugerechnet. Unter diesen Eukaryoten werden alle Lebewesen zusammengefasst, deren Zellen einen Zellkern aufweisen, also auch Tiere und Pflanzen.

Das Reich der Pilze (fungi) ist jedoch das Reich aller Lebewesen, über das wir wohl noch am wenigsten wissen. Unter Pilzen verstehen wir im allgemeinen nur die Fruchtkörper der Myzelpilze, die oberhalb der Erde wachsen. Dabei stellt das zumeist unterirdische, zum Teil weit ausladende Myzel den eigentlichen Pilz dar. Es gibt jedoch auch noch eine andere Wachstumsform ohne Myzel: Die Einzeller, wie sie beispielsweise in Hefen leben.

Wir wollen uns jedoch den Vielzellern zuwenden, zu denen in der Biologie auch die Schimmel- und die Ständerpilze zählen. Letzterer Abteilung soll nun unsere Aufmerksamkeit gelten, die ca. 30 000 Arten umfasst. Zu ihr rechnet man auch die Pilze, die unter dem küchensprachlichen Oberbegriff der Speisepilze zusammengefasst werden. Darunter wird ein Ständerpilz verstanden, dessen Fruchtkörper genießbar oder wohlschmeckend ist.

Denken wir an riesige Lebewesen, so fallen uns zunächst spontan der Elefant, der Wal und der Mammutbaum ein. Es gibt jedoch weitaus größere Lebewesen: Pilze. Ein Riesenhallimasch im „Malheur Nationalpark“ in Oregon, USA, ist weit über 2 400 Jahre alt und breitet sich auf 9 Quadratkilometer aus – das sind etwa 1 200 Fußballfelder. Seine einzelnen Fruchtkörper sind nur etwa 12 cm hoch, der gewaltiger Körper – das Myzel – des Megapilzes breitet sich jedoch bis zu einem Meter tief unter der Erde aus und hat ein Gesamtgewicht von ca. 600 Tonnen – das entspricht etwa dem von 3 bis 4 Blauwalen. Dieser Hallimasch-Pilz ist der bisher größte entdeckte seiner Art und zugleich das weltweit größte und schwerste Lebewesen auf unserem Planeten. Sein unverfänglicher Name ist trügerisch, der Hallimasch ist ein Waldkiller. Sein Myzel dringt mit Hilfe von Enzymen in die Bäume des Waldes ein und breitet sich unterhalb der Rinde immer weiter aus. Auf diese Weise entzieht der Hallimasch den Bäumen Wasser und Nährstoffe und bringt ihnen einen schleichenden Tod.

Hallimasch im Harzwald
Hallimasch im Harzwald

Pilze können jedoch nicht nur riesig groß, sehr alt und auch überaus wohlschmeckend sein, sie haben auch als Heilmittel für den Menschen eine lange Tradition. Aus dieser Anwendung von Heilpilzen bzw. deren Fruchtkörper heraus, hat sich in neuer Zeit die Mykotherapie entwickelt. Dieser Begriff geht vermutlich auf den ungarisch-deutschen Mykologen (Pilzwissenschaftler) Jan Ivan Lelley zurück. Der hochdekorierte Wissenschaftler bezeichnete in seinem Buch „Die Heilkraft der Pilze – Gesund durch Mykotherapie“ – erstmals erschienen im Jahre 1997 – die Mykotherapie auch als „Wissenschaft des Einsatzes von Großpilzen mit Heilwirkung“ und fordert deren Anerkennung als „eigenständigen Bereich der Naturheilkunde“.

Pilze werden in China sowie weiteren asiatischen Ländern und auch in Südamerika in der Medizin schon seit Jahrhunderten als Heilmittel angewandt. Neben der Anwendung in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) hatte die Pilztherapie besonders in Brasilien große Bedeutung. Besonders bekannt ist daher der aus Brasilien stammende Agaricus blazei murill (auch Agaricus subrufescens), kurz ABM genannt.

Seit einigen Jahren finden im zweijährigen Rhythmus internationale Kongresse statt – in diesem Jahr in Kolumbien -, auf denen die medizinische Wirksamkeit von Pilzen diskutiert und neue diesbezügliche Erkenntnisse ausgewertet werden. Auf dem diesjährigen Kongress wurde insbesondere die Wirkung des ABM auf Autoimmunkrankheiten der Schilddrüse erörtert. Darunter versteht man in der Medizin einen Überbegriff für Krankheiten, deren Ursache eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist. In Kolumbien stellte der italienische Arzt Walter Ardigo seine Erfolge, bei der Bekämpfung dieses Schilddrüsen-Krankheitsbildes mit Hilfe eines Pulvers vom ganzen Pilz, vor. Nach seinen Angaben normalisierten sich bei den Patienten mit Hilfe des ABM-Extraktes die Antikörper und auch die Schilddrüsenhormonwerte.

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Wegen seines hohen speziellen D-Glucan-Gehaltes (Polysaccharide) findet Agricus auch in der alternativen Krebstherapie sowie bei Diabeteserkrankungen, besonders in Japan und den USA, Anwendung; entsprechende anerkannte wissenschaftliche Studien stehen jedoch bislang aus. Auch konnten, trotz angeblich vorzuweisender Therapieerfolge, biochemische, pharmakologische und toxikologische Aspekte wohl bisher nicht hinreichend untersucht werden.

Dennoch gelten die positiven Wirkmechanismen dieses Heilpilzes als unstrittig und ihre zahlreichen Inhaltsstoffe als förderlich eingreifend in das Stoffwechsel- und Immunsystem. Wohl auch nicht zu unterschätzen ist das im Pilz enthaltene Antibiotika, schließlich stammt ja auch das bekannte Penicillin aus Pilzen. Jedoch ist nicht zu verkennen, dass es noch reichlich Forschungspotential in diesem Zusammenhang geben wird. Von einigen Forschern wird die Identität des ABM mit der des Agaricus sylvaticus – des Waldchampignons aus Mitteleuropa – gleichgesetzt. Obwohl beide Pilzarten äußerlich kaum zu unterscheiden sind, fehlen für diese Postulierung bisher die schlüssigen Beweise.

In Asien, Südamerika und den USA wird ABM seit etwa 20 Jahren kommerziell angebaut und sowohl als Speisepilz verkauft, wie auch zu Heilmitteln verarbeitet. Eine Zulassung der Präparate als Arzneimittel besteht in Deutschland nicht, als Nahrungsergänzungsmittel können sie dennoch erworben werden, ohne jedoch medizinische Versprechen abgeben zu dürfen.