Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 4. Teil

Dahlerus war ein waschechter Unternehmer, und ein solcher schmeißt nicht bei ersten Schwierigkeiten die Flinte ins Korn.
Er erkannte, dass er privat die Konferenz zwischen Engländern und Deutschen organisieren musste, sollte das Projekt nicht scheitern. Dazu hatte er die Idee, die Konferenz auf einem Schloss in Südschweden zu organisieren. So hätten die Beteiligten unerkannt über See anreisen können. Dahlerus fragte bei einem guten Bekannten, Graf C. A Trolle- Wachtmeister, an, der Besitzer des Schlosses Trolle-Ljungty in Südostschweden war. Der Graf ging auf das Ansinnen von Dahlerus ein und stellte ihm uneingeschränkt das Schloss für die Konferenz zur Verfügung.
Zur Vorbereitung der Konferenz beriet sich Dahlerus dann in England mit Lord of Halifax, der ein führender Politiker der englischen konservativen Partei war, über die Konferenzinhalte. Es wurde von Halifax jedoch klargestellt, dass keine englischen Regierungsmitglieder daran teilnehmen würden.
Dann flog Dahlerus nach Hamburg, um sich dort mit Göring zu treffen. Der teilte Dahlerus mit, dass er mit Hitler über das Zusammentreffen gesprochen hat und dass dieser es befürwortet. Jedoch sollte Dahlerus für die Geheimhaltung der Konferenz eine Garantie abgeben. Das konnte und wollte er nicht, denn natürlich hätte er zahlreiche schwedische Bürger einbinden müssen.
Doch schnell hatte Dahlerus eine neue Idee. Seine deutsche Frau hatte ein Gut in Schleswig-Holstein. Das war also schwedischer Besitz auf deutschem Boden. Das Gut war sehr abgelegen, im äußersten Norden Deutschland gelegen. Vom Standort her war dieser Ort ideal. Die Sicherheit und die Geheimhaltung konnten dort zudem die Deutschen selbst leisten. Göring stimmte diesem Vorschlag sofort zu.
Kurze Zeit später sagten auch die Engländer zu. Nun konnte Dahlerus an die konkrete Planung der Konferenz gehen. Das Gut seiner Frau lag auf Sönke Nissen Koog an Nordfrieslands Westküste, unmittelbar an der dänischen Grenze und hieß Hof Elisabethbay.
Bei seinen weiteren Vorbereitungen zu Konferenz traf Dahlerus auch mit Roberth Ley, seines Zeichens Reichsleiter NSDAP sowie Leiter der Deutschen Arbeitsfront, zusammen und zeichnet das Bild „eines bedenklichen Charakters“ von diesem führenden NSDAP-Politiker.
Nachdem Dahlerus die Zusage beider Parteien erhalten hatte begann er mit der internen Vorbereitung in Sönke Nissen Koog. Um diesen seltsamen Namen etwas verständlicher zu machen, nun eine kurze Erläuterung: Ein Koog (Plural: Köge), auch Polder oder Groden, ist an der Nordseeküste Deutschlands, Dänemarks, der Niederlande und Belgiens ein durch Deichbau und Entwässerung aus der See gewonnenes flaches Marschland. Der Sönke Nissen Koog hat etwa eine Fläche von 1 200 ha und wurde zwischen 1924 und 1926 von einer Deichbaugenossenschaft, bestehend aus einheimischen Landwirten, eingedeicht. Seinen Namen hat der Koog von dem nordfriesischen Eisenbahningenieur Sönke Nissen, der maßgeblich an dem Projekt beteiligt war. Der Hof Elisabethbay von Frau Dahlerus stammt aus dem Nachlass des Sönke Nissen.
Dahlerus war nach Stockholm zurückgekehrt und organisierte die Konferenz. Darüber schrieb er folgendes: „Ich hatte mir vorgenommen, alles beizutragen, was ich vermochte, damit die Zusammenkunft in einer freundschaftlichen Atmosphäre stattfinden könne und alle Gäste sich völlig klar würden, dass sie sich in einem schwedischen Haus befinden, wenn auch auf ausländischem Boden; ich nahm an, dass dies tatsächlich einen offenherzigen Meinungsaustausch zwischen den Vertretern der beiden Nationen erleichtern würde. Ich versuchte alle Probleme durchzudenken, die mit dem Besuch verbunden waren, und alle Maßnahmen, die ich meinerseits zu ergreifen hatte, damit keine der Parteien ungünstig beeindruckt werden könne. Die Zusammenkunft sollte stattfinden in der Art eines Wochenendausfluges nach Sönke Nissen Koog, offiziell für einige meiner schwedischen Freunde.“
Dazu lies Dahlerus alle Speisen und Getränke aus Schweden anliefern. Als Dienerschaft verpflichtete er seine beiden langjährigen Chauffeure Johansson und Karlsson, auf die er glaubte, sich hundertprozentig verlassen zu können. Zudem sollten sein Schwager und seine Schwägerin bei der Bewirtung und Versorgung der Gäste helfen.
Am 5. August 1939 trafen die sieben englischen Vertreter auf verschiedenen Wegen in Hamburg ein, wo sie auch alle unterschiedliche Hotels bewohnten. Dahlerus verbrachte den nächsten Tag mit ihnen und diskutierte bereits die anstehenden Probleme; am Abend fuhren alle nach Sönke Nissen Koog.
Früh gingen alle zu Bett, am nächsten Tag sollte die Konferenz stattfinden. Dahlerus berichtet über seine Gefühlslage und seine Gedanken. Er kannte Hermann Göring, der als deutscher Verhandlungsführer anreiste, recht gut. Und er beschreibt den Generalfeldmarschall, Preußischen Ministerpräsidenten, Präsidenten den Reichstages, Minister für Reichsverteidigung, Oberbefehlshaber der Luftwaffe, Beauftragten für den Vierjahresplan, Vorsitzenden des Zentralen Planungsamts, Reichsluftfahrtminister und designierter Nachfolger Adolf Hitlers recht präzise: „Das sich Göring in jüngeren Jahren als Offizier ausgezeichnet, Deutschlands höchste Kriegsauszeichnung erhalten hat, und sich aus ideellen Gründen der nationalsozialistischen Bewegung angeschlossen hatte, als diese noch schwach und wenig versprechend war, ist wohl bekannt. Während seiner Ehe mit Karin Fock hatte er wechselvolle und schwere Jahre durchlebt. Er musste zeitweise in reinem Elend dahinleben, war dem Morphium-Missbrauch verfallen und musste sogar in ein Krankenhaus aufgenommen werden. Als er nach der Machtübernahme einer der mächtigsten Männer des neuen Deutschlands wurde, traten sowohl seine guten wie seine schlechten Seiten in schärferem Licht hervor. Das Unbalancierte und Brutale seines Wesens war vor allem im Zusammenhang mit dem Reichstagsbrand und den Ereignissen des 30. Juni 1934 deutlich geworden. Später kam Göring in ruhigere Verhältnisse. Er wurde bald wirklich populär in den breiten Schichten des deutschen Volkes und blieb es lange. Es ist bekannt, dass Göring ein unstillbares Luxusbedürfnis besaß und eine kindliche Freude zeigte, sich mit ebenso prächtigen wie originellen Uniformen und Gewändern zu schmücken. Seine Sammlerpassion steigerte sich in der Tat bis zur Gier, sehr sonderbar für einen Mann in seiner Stellung. Er konnte sehr heftig werden und war unerhört herrschsüchtig. Auf der anderen Seite erschien er humorvoll und scharfsinnig und hatte ein bemerkenswert gutes Gedächtnis. Es sprach auch viel dafür, dass Göring trotz seiner Passion für die Luftwaffe klug genug war, die absoluten Vorteile einer friedlichen Entwicklung in Europa einzusehen. Die Frage war nur, ob er den Mut hatte, seine Machtstellung dadurch zu riskieren, dass er in einem kritischen Augenblick resolut zu den Problemen auf solche Weise Stellung nahm, dass er entweder weggefegt wurde oder sich zum Herrn der Situation machte. Während der Judenverfolgung 1938 war Göring von den Gewaltmaßnahmen abgerückt. Mir erklärte er kurz nach dieser von Goebbels organisierten Zerstörung jüdischen Vermögens, dass er solche Maßnahmen im höchsten Maß missbillige. Aber offenbar wagte er nicht, durch festes Auftreten eine Wiederholung solcher Verhältnisse zu verhindern und darauf zu bestehen, dass die für diese verabscheuungswürdigen Gewaltmaßnahmen Verantwortlichen ausgeschaltet oder bestraft würden.“
Doch wie würde der morgige Tag laufen?
Sie erfahren es im nächsten Teil.




Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 3. Teil

Birger Dahlerus meinte, in mehreren persönlichen Gesprächen erkannt zu haben, dass Göring einem neuen Krieg ablehnend gegenüberstand. Und Hermann Göring galt im allgemeinen Verständnis als der zweite Mann im Staat. Zudem hatte Dahlerus aus den Gesprächen entnommen, dass Hitler gegenüber England großes Mistrauen hatte und außerdem nur über nebulöse Vorstellungen von diesem Land verfügte. Auch hatte er erkennen müssen, dass Hitler weder am Frieden interessiert war, noch an einer Horizonterweiterung über englische Interessen und Politik. Daher wollte er Göring so umfassend über die Auffassungen der Engländer zu informieren, dass dieser entsprechend auf Hitler einwirken konnte.
Um die damalige politische Situation einschätzen zu können, möchte ich eine kurzgehaltene Zusammenfassung geben: 1933 wurde ein Viererpakt zwischen Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien vorangetrieben, der zu einer Stabilisierung in Europa beitragen sollte. Polen sah diesen Pakt als Bedrohung und drohte Deutschland bei einer Vertragsratifizierung sogar mit Krieg. Nach der Machtübernahme von Hitler ging dieser diplomatisch auf Polen zu und schloss einen zehnjährigen Friedensvertag. Dieses Abkommen nutze Hitler in der Folge medial, um sich als Friedenstifter darzustellen.
Dennoch markierte der Polen-Pakt eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. An die Vereinbarungen des Versailler Vertrages füllte sich Hitler von Anfang an nicht gebunden, jedoch hielt er sich anfangs zurück und agierte im Geheimen. Bereits 1935 fühlte sich das Hitler-Regime stark genug, um offen über die Schaffung „neuen Lebensraumes“ nachzudenken. Die zuvor enge, im Geheimen, betriebene militärische Entwicklungsarbeit mit der Sowjetunion wurde eingestellt. Göring, damals Sonderbotschafter für Polen, deutete bei einem Polenbesuch 1935 Deutschlands Intensionen an: Polen sollte als Partner an einem Eroberungskrieg gegen die Sowjetunion teilnehmen und dafür die Ukraine erhalten. In den Folgejahren rüstete Deutschland auf, was die Welt mit Sorge zur Kenntnis nahm. Polen sah sich nicht mehr als gleichwertiger Partner und wog sich in Gefahr. Am 31. März 1939 konnte Polen mit Frankreich und Großbritannien eine Garantieerklärung für die Unabhängigkeit Polens unterzeichnen. Diese Erklärung war als Warnung an Hitler gedacht, seine Aggressionspolitik nicht fortzusetzen. Daraufhin kündigte Deutschland 4 Wochen später den Nichtangriffspakt mit Polen. Die Ängste Polens waren nicht unbegründet, denn bereits im Oktober 1938 hatte Deutschland die Rückgabe des Freistaates Danzig an Deutschland gefordert. In der Folgezeit wurden entsprechende Allianzen geschmiedet. Zudem sorgte Hitler im März 1939 mit dem sogenannten Schutzvertrag mit der autonomen Slowakei und der folgenden Zerschlagung der Rest-Tschechei für Wirbel in Europa. Für Frankreich und Großbritannien hatte Hitler mit diesen Aktionen, die Vertragsbrüche darstellten, jede Glaubwürdigkeit verloren. Der britische Premierminister Chamberlain verkündete daraufhin das Ende der Appeasement-Politik (Zugeständnisse, Zurückhaltung und Beschwichtigung).
So kann in knapper Form die politische Situation im Juni/Juli 1939 dargestellt werden, als sich der schwedische Industrielle Birger Dahlerus auf nach England machte um, um dort Partner für seine angedachte Verständigungskonferenz zu finden. Am 24. Juni reiste er nach London und dann quer durch England und knüpfte seine Kontakte.
Es kam, auf Grund des Engagements von Dahlerus, am Sonntag, dem 2. Juli im Constitutional-Club in London zu einem Treffen von hochrangigen englischen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Finanzen und Politik. Federführend auf englischer Seite war der einflussreiche Wirtschaftslenker und konservative Politiker Sir Charles Spencer. Bei diesem Dinner wurde zweifelsfrei festgestellt, dass England nicht länger bereit sei, Deutschland irgendwelche weitere Zugeständnisse zu machen. Zudem verlautbarte eindeutig, dass eine Annexion von Danzig durch Deutschland, auch Krieg mit England bedeuten würde, da England zu seinem Vertrag mit Polen stehe. Dennoch zeigten die Anwesenden Interesse an den von Dahlerus vorgeschlagenen Gesprächen mit deutschen Regierungsmitgliedern. Dahlerus wurde beauftragt, in Berlin entsprechende Absprachen mit Göring und anderen Regierungsmitgliedern zu treffen, um die englischen Positionen zu erörtern und so einen Krieg zu verhindern.

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Dahlerus reiste darauf hin nach Deutschland und traf am 6. Juli in Carinhall in der Schorfheide mit Göring zum Gespräch zusammen. Dahlerus versuchte Göring die Position Englands nahezubringen, doch der wiegelte ab. Er vertrat den Standpunkt, dass es Deutschlands legitimes Recht sei, den Danziger Korridor zurück zu fordern. Auch glaubte er nicht daran, dass England seine Verpflichtung nachkommen und Polen beistehen würde.
Es folgten Gespräche, die Dahlerus mit den Engländern um Spencer führte, die dazu nach Berlin anreisten, sowie Informationen an Göring über diese Gespräche. Dabei interessierte Göring insbesondere die Ernsthaftigkeit der Engländer zur Einhaltung der Bündnispflicht mit Polen.
Inzwischen hatte Göring mit Hitler über den schwedischen Vorschlag gesprochen. Hitler hatte sein grundsätzliches Einverständnis zu einer derartigen Konferenz zwischen englischen und deutschen Regierungsvertretern gegeben, wie Göring Dahlerus mitteilte. Hitlers Bedingung bestand jedoch darin, dass dieses Zusammentreffen unter keinen Umständen bekannt werden dürfte.
Mit diesem Bescheid kehrte Dahlerus nach Stockholm zurück. Am 8. Juli traf Dahlerus mit dem schwedischen Premierminister P.A. Hansen zusammen, denn er seit langem gut kannte. Er berichtete Hansen von seinen Besuchen in England und Deutschland und über seine diesbezüglichen Gespräche, wohlwissend, dass diese außenpolitischen Probleme auch die Gemüter der Schweden berührten. Er bat den Premier darum, die avisierte Konferenz in einem geeigneten Objekt in Schweden unter schwedischer Gastfreundschaft zu organisieren.
Fünf Tage später erhielt Dahlerus dann vom seinem Premier die Mitteilung, dass dieser nach eingehender Regierungsberatung die Meinung vertrete, dass es von Schweden in dieser Situation unklug sei, die Initiative zu ergreifen.
War das Projekt des Informationsaustausches zwischen England und Deutschland im Interesse der Friedenswahrung nun gescheitert?
Mehr im nächsten Teil.




Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 2. Teil

Der von mit bereits genannte schwedische Industrielle und versierte „Strippenzieher“ hieß Birger Dahlerus. Er wurde am 6. Februar 1891 in Stockholm geboren und war Sohn eines höheren schwedischen Beamten. Schon während seiner Kindheit unternahmen seine Eltern häufige Auslandsreisen. Dennoch war es der Wunsch des Vaters, dass seine beiden Söhne einmal schwedische Staatsdiener werden würden. Doch bei Birger entwickelte sich schon in Kindertagen eine Affinität zur Technik. Besonders industrielle Prozesse interessierten ihn schon in der Jugendzeit und zudem die Lebensgewohnheiten anderer Völker. Mit 17 Jahren erhielt Birger, von seinem Vater organisiert, in den Schulferien die Möglichkeit als Praktikant 3 Monate in der Lokomobil-Fabrik in Magdeburg-Buckau tätig zu werden. Nach diesem Auslandseinsatz war sein Interesse an der deutschen Kultur erwacht und zudem sein Entschluss gereift Ingenieur zu werden. Im Jahr 1911 ging Dahlerus zu einem achtmonatigen Aufenthalt nach England, wo er in den Sheffield Simplex Motorenwerken arbeitete. Bei diesem Aufenthalt sammelte er Erkenntnisse über die englische Lebensweise und Mentalität. Zudem unternahm er eine Rundreise quer über die Insel.
Im Herbst 1911 nahm Dahlerus an der TH Stockholm ein Studium auf, dass er 1914 mit dem Diplom als Ingenieur abschloss. In der Zeit des Ersten Weltkrieges unternahm Dahlerus für seine Firma A.B. Separator Reisen nach England und Deutschland. 1915 wurde er dann von seiner Firma für zwei Jahre zur deutschen Tochtergesellschaft Eisenwerk Bergedorf geschickt. So lernte er das Leben und auch die kriegsbedingten Schwierigkeiten in Deutschland kennen.
Im Frühjahr 1919 wurde er leitender Direktor der Skefko Ball Bearing Company Luton im englischen London. Er siedelte nach England über und verbrachte dort 10 Jahre. In dieser Zeit lernte er England gut kennen und hatte zudem neben seinem Kontakt zur Arbeiterklasse und zur Mittelschicht auch zahlreiche Bekanntschaften in der englischen Oberschicht.

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1929 kehrte Dahlerus nach Schweden zurück und übernahm neue Aufgaben. Er erhielt die Aufgabe der Einführung des Hesselmann-Motors in verschiedenen europäischen Ländern, vorrangig in England, Deutschland und Frankreich. Umfangreiche Reisetätigkeit in diese Länder war ein Teil seiner Tätigkeit.
Im Jahr 1932 gab er die Leitung der Hesselmann Motor Company ab und erwarb zusammen mit einem Compagnon die J. & C. G. Bolinders Mekaniska Verkstads A.B. in Schweden. Seine Verbindungen mit Persönlichkeiten und Unternehmen im Ausland erweiterten sich dadurch erheblich, denn er war viel auf Reisen, insbesondere nach England, Frankreich und Deutschland.
Dahlerus hatte durch seine zahlreichen Reisen und Aufenthalte nicht nur die Mentalität und Kultur Deutschlands kennengelernt, er hatte zudem auch die Deutsche Sprache sehr gut gelernt.
Während einer Deutschlandreise hatte er in Hamburg Elisabeth Nissen kennengelernt, die seit 1923 verwitwet war. 1934 beschloss das Paar zu heiraten, ohne jedoch zu ahnen, welche Schwierigkeiten diese Entscheidung mit sich bringen sollte. Frau Nissen hatte einen Sohn aus erster Ehe. Nach deutschem Recht musste das Vormundschaftsgericht die Eingehung einer Ehe bewilligen, wenn keine Vermögensteilung zwischen Mutter und Sohn stattgefunden hatte, diese war aus vielfältigen Gründen in der damaligen allerdings Zeit nicht möglich. Der nationalsozialistische Richter lehnte die Bewilligung daher ab. Dahlerus war empört über diese willkürliche und seiner Meinung nach ungerechte Behandlung. Er beschwerte sich bei Hermann Göring, der zu jener Zeit Reichskommissar war. Durch einen Freund erhielt Dahlerus eine Audienz bei Göring und bekam Gelegenheit sein Anliegen zu schildern. Göring versprach alle Schwierigkeiten zu beseitigen und er hielt sein Versprechen.
Auf diese Weise bekam Birger Dahlerus seinen ersten Kontakt zu Hermann Göring, der zu einem der der mächtigsten Männer im NS-Regime aufsteigen sollte.
Im März 1935, Dahlerus war bereits einige Zeit verheiratet, besuchte er Göring, um sich bei ihm für dessen Hilfe zu bedanken. Zudem bot er Göring einen Gegendienst für seinen in Stockholm wohnenden und studierenden Stiefsohn Tomas Kantzow an.
Bereits zwei Monate späte erhielt Dahlerus in Stockholm einen Anruf von Göring aus Berlin. Dieser bat Dahlerus darum, sich seines Stiefsohns anzunehmen und ihm eine Ausbildung zu beschaffen. Dahlerus leistete die Hilfsdienste für Göring, was dazu führte, dass sich beide verschiedene Male persönlich und privat trafen. Es kam dabei zu sehr vertraulichen Gesprächen, in denen Dahlerus viel über die Politik und auch die Politiker des NS-Regimes erfuhr.
Er erkannte durch diese Gespräche, dass sich Hitlers Regierung in Europa unverstanden fühlte und zunehmend isoliert wurden. Kontakte zu den hohen Vertretern anderer Länder gab es kaum noch. Durch diese internationale Isolation kam es zu einer immer größeren Abschottung, die besonders durch Heß, Rosenberg und Ribbentrop forciert wurde.
Als im September 1938 der Tschechoslowakei Konflikt zu eskalieren drohte, weilte Dahlerus gerade in Deutschland. Er vernahm dort im Radio Hitlers Rede in Nürnberg und beobachtete als Resultat dieser Rede, dass schon in den nächsten Tagen und Wochen zahlreiche Ausländer Deutschland verließen.
Wie Hitler später selbst bekundete, wollte er zu diesem Zeitpunkt bereits den Krieg: „Vom militärischen Standpunkt aus waren wir daran interessiert, ihn ein Jahr früher zu beginnen […]. Aber ich konnte nichts machen, da die Engländer und Franzosen in München alle meine Forderungen akzeptierten.“ Wie wir wissen folgte der Münchner Vertrag.
Durch seine enge Bekanntschaft zu Göring und weiteren Personen der deutschen Führung, erhielt der Industrielle Schwede Birger Dahlerus tiefe Einblicke in die politische Situation, die durch diese Krise hervorgerufen wurde. Er schreibt dazu wörtlich: „Ich glaubte feststellen zu können, dass die Auffassung richtig war, die ich mir schon vorher gebildet hatte und die dahinging, dass die deutsche Regierung in zwei Lager mit verschiedenen außenpolitischen Auffassungen geteilt sei. Der Nationalsozialismus war seinem Wesen nach kriegerisch und aggressiv und ermangelte aller moralischen Skrupel in seinem Verhältnis zu anderen Ländern. Hitler und der von ihm protegierte Ribbentrop erstrebten Eroberungen. Es wurde aber auch erzählt, dass Göring mit großer Energie für eine friedliche Lösung der Münchner Krise gearbeitet hat und dies seine Popularität innerhalb der deutschen Führung vermindert habe.
Wir, die den Zweiten Weltkrieg in Europa erlebten, haben gelernt einzusehen, dass ein bewaffneter Konflikt in der Tat notwendig und unausweichlich war, da die Voraussetzungen für eine grundlegende Änderung des Kurses in Deutschland fehlten. Der Nationalsozialismus war nicht vereinbar mit einer zivilisierten Weltordnung. Im Frühjahr und Sommer 1939 stellte sich die Situation indessen etwas anders dar. Trotz allem, was sich das nationalsozialistische Regime in Deutschland bereits geleistet hatte, schreckte die Menschheit natürlich vor der Möglichkeit eines Zweiten Weltkrieges zurück. Es war die Pflicht der verantwortlichen Politiker, einen Krieg solange wie möglich zu vermeiden“.
In dieser Situation kam dem schwedischen Industriellen Birger Dahlerus der Gedanke, maßgebliche Personen der Hauptkontrahenten England und Deutschland in einem geheimen, mehrtägigen Treffen zusammen zu führen, um die gegenseitigen Auffassungen auszutauschen und so hoffentlich zu einer Schlichtung zu gelangen.

Dazu demnächst mehr.