Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 3. Teil

Birger Dahlerus meinte, in mehreren persönlichen Gesprächen erkannt zu haben, dass Göring einem neuen Krieg ablehnend gegenüberstand. Und Hermann Göring galt im allgemeinen Verständnis als der zweite Mann im Staat. Zudem hatte Dahlerus aus den Gesprächen entnommen, dass Hitler gegenüber England großes Mistrauen hatte und außerdem nur über nebulöse Vorstellungen von diesem Land verfügte. Auch hatte er erkennen müssen, dass Hitler weder am Frieden interessiert war, noch an einer Horizonterweiterung über englische Interessen und Politik. Daher wollte er Göring so umfassend über die Auffassungen der Engländer zu informieren, dass dieser entsprechend auf Hitler einwirken konnte.
Um die damalige politische Situation einschätzen zu können, möchte ich eine kurzgehaltene Zusammenfassung geben: 1933 wurde ein Viererpakt zwischen Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Italien vorangetrieben, der zu einer Stabilisierung in Europa beitragen sollte. Polen sah diesen Pakt als Bedrohung und drohte Deutschland bei einer Vertragsratifizierung sogar mit Krieg. Nach der Machtübernahme von Hitler ging dieser diplomatisch auf Polen zu und schloss einen zehnjährigen Friedensvertag. Dieses Abkommen nutze Hitler in der Folge medial, um sich als Friedenstifter darzustellen.
Dennoch markierte der Polen-Pakt eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik. An die Vereinbarungen des Versailler Vertrages füllte sich Hitler von Anfang an nicht gebunden, jedoch hielt er sich anfangs zurück und agierte im Geheimen. Bereits 1935 fühlte sich das Hitler-Regime stark genug, um offen über die Schaffung „neuen Lebensraumes“ nachzudenken. Die zuvor enge, im Geheimen, betriebene militärische Entwicklungsarbeit mit der Sowjetunion wurde eingestellt. Göring, damals Sonderbotschafter für Polen, deutete bei einem Polenbesuch 1935 Deutschlands Intensionen an: Polen sollte als Partner an einem Eroberungskrieg gegen die Sowjetunion teilnehmen und dafür die Ukraine erhalten. In den Folgejahren rüstete Deutschland auf, was die Welt mit Sorge zur Kenntnis nahm. Polen sah sich nicht mehr als gleichwertiger Partner und wog sich in Gefahr. Am 31. März 1939 konnte Polen mit Frankreich und Großbritannien eine Garantieerklärung für die Unabhängigkeit Polens unterzeichnen. Diese Erklärung war als Warnung an Hitler gedacht, seine Aggressionspolitik nicht fortzusetzen. Daraufhin kündigte Deutschland 4 Wochen später den Nichtangriffspakt mit Polen. Die Ängste Polens waren nicht unbegründet, denn bereits im Oktober 1938 hatte Deutschland die Rückgabe des Freistaates Danzig an Deutschland gefordert. In der Folgezeit wurden entsprechende Allianzen geschmiedet. Zudem sorgte Hitler im März 1939 mit dem sogenannten Schutzvertrag mit der autonomen Slowakei und der folgenden Zerschlagung der Rest-Tschechei für Wirbel in Europa. Für Frankreich und Großbritannien hatte Hitler mit diesen Aktionen, die Vertragsbrüche darstellten, jede Glaubwürdigkeit verloren. Der britische Premierminister Chamberlain verkündete daraufhin das Ende der Appeasement-Politik (Zugeständnisse, Zurückhaltung und Beschwichtigung).
So kann in knapper Form die politische Situation im Juni/Juli 1939 dargestellt werden, als sich der schwedische Industrielle Birger Dahlerus auf nach England machte um, um dort Partner für seine angedachte Verständigungskonferenz zu finden. Am 24. Juni reiste er nach London und dann quer durch England und knüpfte seine Kontakte.
Es kam, auf Grund des Engagements von Dahlerus, am Sonntag, dem 2. Juli im Constitutional-Club in London zu einem Treffen von hochrangigen englischen Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Finanzen und Politik. Federführend auf englischer Seite war der einflussreiche Wirtschaftslenker und konservative Politiker Sir Charles Spencer. Bei diesem Dinner wurde zweifelsfrei festgestellt, dass England nicht länger bereit sei, Deutschland irgendwelche weitere Zugeständnisse zu machen. Zudem verlautbarte eindeutig, dass eine Annexion von Danzig durch Deutschland, auch Krieg mit England bedeuten würde, da England zu seinem Vertrag mit Polen stehe. Dennoch zeigten die Anwesenden Interesse an den von Dahlerus vorgeschlagenen Gesprächen mit deutschen Regierungsmitgliedern. Dahlerus wurde beauftragt, in Berlin entsprechende Absprachen mit Göring und anderen Regierungsmitgliedern zu treffen, um die englischen Positionen zu erörtern und so einen Krieg zu verhindern.

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Dahlerus reiste darauf hin nach Deutschland und traf am 6. Juli in Carinhall in der Schorfheide mit Göring zum Gespräch zusammen. Dahlerus versuchte Göring die Position Englands nahezubringen, doch der wiegelte ab. Er vertrat den Standpunkt, dass es Deutschlands legitimes Recht sei, den Danziger Korridor zurück zu fordern. Auch glaubte er nicht daran, dass England seine Verpflichtung nachkommen und Polen beistehen würde.
Es folgten Gespräche, die Dahlerus mit den Engländern um Spencer führte, die dazu nach Berlin anreisten, sowie Informationen an Göring über diese Gespräche. Dabei interessierte Göring insbesondere die Ernsthaftigkeit der Engländer zur Einhaltung der Bündnispflicht mit Polen.
Inzwischen hatte Göring mit Hitler über den schwedischen Vorschlag gesprochen. Hitler hatte sein grundsätzliches Einverständnis zu einer derartigen Konferenz zwischen englischen und deutschen Regierungsvertretern gegeben, wie Göring Dahlerus mitteilte. Hitlers Bedingung bestand jedoch darin, dass dieses Zusammentreffen unter keinen Umständen bekannt werden dürfte.
Mit diesem Bescheid kehrte Dahlerus nach Stockholm zurück. Am 8. Juli traf Dahlerus mit dem schwedischen Premierminister P.A. Hansen zusammen, denn er seit langem gut kannte. Er berichtete Hansen von seinen Besuchen in England und Deutschland und über seine diesbezüglichen Gespräche, wohlwissend, dass diese außenpolitischen Probleme auch die Gemüter der Schweden berührten. Er bat den Premier darum, die avisierte Konferenz in einem geeigneten Objekt in Schweden unter schwedischer Gastfreundschaft zu organisieren.
Fünf Tage später erhielt Dahlerus dann vom seinem Premier die Mitteilung, dass dieser nach eingehender Regierungsberatung die Meinung vertrete, dass es von Schweden in dieser Situation unklug sei, die Initiative zu ergreifen.
War das Projekt des Informationsaustausches zwischen England und Deutschland im Interesse der Friedenswahrung nun gescheitert?
Mehr im nächsten Teil.




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