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Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Der Sachsenspiegel – Deutschlands erstes Rechtsbuch

sachsenspiegelDie Bibel, „Das Buch der Bücher“, ist eine Urkunde des Christentums und Handlungs- und Verhaltensanweisung für alle Christen. Sie ist eine redaktionelle Zusammenstellung von Schriften, Überlieferungen und Erfahrungen aus einem Kulturzeitraum von weit über zweitausend Jahren.
Eine vergleichbare Urkunde, sowie Handlungs- und Verhaltensanweisung auf juristischem Gebiet für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation des Mittelalters, stellt der „Sachsenspiegel“ dar. Er ist das erste deutsche, überlieferte Rechtsbuch. Sein Verfasser war Eike von Repgow (es gibt verschiedene Schreibweisen). Repgow entstammte einem sächsischen Rittergeschlecht, das auf Gut Reppichau seinen Stammsitz hatte und von welchem auch der Familienname abgeleitet wurde. Dieses Rittergut lag südöstlich von Aken, zwischen Köthen und Dessau.
Über der Kindheit und Jugend von Repgow liegt Dunkelheit, es gibt nur Vermutungen. Auch sein Geburtsjahr kennen wir nicht, es soll zwischen den Jahren 1180 und 1190 liegen. Gesichert ist, dass der junge Eike eine gute und umfassende Bildung genossen hat, die auf Grund seiner Kenntnisse in Latein und Bibelkunde kirchlichen Schulen zugesprochen wird. Auch wird angenommen, dass Repgow Jura studiert hat und dann das Deutsche Reich bereiste, um Erfahrungen in den einzelnen Gauen zu sammeln. Es war eine unsichere Zeit, auch Walther von der Vogelweide, von dem man annimmt, dass er Repgow gut kannte, schrieb in einem Minnelied: „Gewalt fährt auf den Straßen, und Fried und Recht sind sehr wund ….“. Vielleicht waren Repgows Erlebnisse und Erfahrungen Auslöser für den Gedanken, ein einheitliches Rechtsbuch zu verfassen. Auf jeden Fall muss er ein außergewöhnlicher junger Mann gewesen sein, denn der kleine Edelmann vom Lande, kam mit vielen bedeutenden Persönlichkeiten im Reich zusammen, wie zum Beispiel König Philipp von Schwaben, Fürst Heinrich von Anhalt und Markgraf Dietrich von Meißen. Repgow war bei vielen wichtigen Rechtsbeschlüssen dabei. Seine Anwesenheit auf einigen Things ist beurkundet worden.
Während dieser Reisen, häufig im Gefolge adliger Herren, hat Repgow wohl auch Graf Hoyer von Falkenstein kennen gelernt. Der Graf war Burgherr auf Burg Falkenstein, im schönen Selketal. Beide verband fortan eine Freundschaft, die dazu führte, dass der Graf den Ritter Eike als Dauergast auf seine Feste lud. Eike von Repgow hatte so die Muße, sein Vorhaben eines einheitlichen Rechtsbuches in die Tat umzusetzen.
Ein wahrhaft schwieriges Unterfangen! Es gab kein einheitliches Reichsrecht, die Volksstämme – Sachsen, Schwaben, Franken usw. – wiesen ein weit auseinanderklaffendes Gefüge von Rechten, Pflichten, Bräuchen und Traditionen auf. Eike versuchte diese Gemengelage nach Möglichkeiten auszugleichen und für alle Völker und alle Volksschichten eine akzeptable, einheitliche Rechtslage zu schaffen. Dabei ließ er geistliches Recht außen vor und beschränkte sich auf weltliche Normen und Regeln. Trotzdem war sein Vorhaben für die damalige Zeit eine gewaltige und hochkomplizierte Aufgabe. Sicher kann davon ausgegangen werden, dass sein Gastgeber und Freund ihn tatkräftig unterstützte und er auch gelehrte Assistenten zur Seite hatte. Zudem kann angenommen werden, dass die Herrscher im Reich ein ernstzunehmendes Interesse an Eikes Arbeit hatten.
Zunächst schrieb Repgow sein Werk in Latein, dann noch in seiner Muttersprache Niederdeutsch. Der „Sachsenspiegel“ stellt ein Konvolut verschiedener Genre aus Lyrik und Prosa, aber auch aus biografischen und wissenschaftlichen Elementen dar. Entstanden zwischen den Jahren 1220 und 1240 auf Burg Falkenstein, entwickelte sich der „Sassen Speyghel“ schnell zum „Bestseller“ und wurde zum „Klassiker“. Er leitete eine Entwicklung ein, die der Adel so sicherlich nicht gewollt hatte, nämlich die Neu- und Umgestaltung der bürgerlichen Rechte in den aufblühenden Städten.
Eine Vorreiterrolle spielte dabei die Stadt Magdeburg, deren errungenes freibürgerliches Recht weit ins Deutsche Reich strahlte. Besonders aber in der Harzregion (Goslar, Halberstadt, Osterwieck, Wernigerode, Aschersleben, Quedlinburg, Nordhausen) entstanden zunächst neue Stadtrechte. Es begründete sich eine neue bürgerliche Freiheit, die in den Rolandsbildnissen Symbol und Wahrzeichen fand. Eike von Repgow schuf mit seinem Sachsenspiegel ein epochales Werk. Ob er sich dessen bewusst war und ob er die Verbreitung seines Werkes noch erlebte, wissen wir nicht. Im Jahr 1233 verliert sich bisher seine Spur.
Aber, dass er edel und dankbar war, hat er uns mit der Reimvorrede seines Werkes hinterlassen, in der er seinen Gastgeber und Freund, Graf Hoyer, seinen Dank kund tut:
„Nu dankit al gemeine deme von Valkensteine,
Der greve Hoyer ist genant,
daz an dutz (deutsch) ist gewant
Diz buch durch sine bete: Eike von Rypchow ez tete,
Ungerne her es abir ane quam, (ungern er daran ging)
do her abir vernam
So grosz dar zu des herren gere (Wunsch)
Do en hatte her keine were; (konnte er sich nicht wehren)
Des herren libe in gar verwan,
daz her des buches began,
Dez im waz vil ungedacht, (woran man nicht dachte)
Do herz hatte in latin bracht.
Ane hulfe unde ane lere;
Do duchte (dünkte) in daz zu swere,
Daz herz an dutz wante.
Zu letzt her doch genante (wagte sich)
Der arbeit unde tete
Greven Hoyers bete.“

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Der folgende Abschnitt soll sich dem Inhalt von Eikes bedeutendem Rechtsbuch widmen. Es entstand im Hochmittelalter, einer Epoche in der das ursprüngliche Recht der einzelnen germanischen Stämme zu zerbröseln begann. Schon allein durch die Fülle von Landes- und Ortsrechten, fiel es den deutschen Herrschern schwer, das zersplitterte Reich zu ordnen. Dazu kam der ständige Herrschafts- und Rechtsanspruch des Klerus.
Repgow erkannte wohl dieses gesellschaftliche Defizit, konnte es aber nicht auflösen. Daher legte er von Anfang an Wert auf eine Abgrenzung zum allgegenwärtigen Kirchenrecht. Dies tat er, indem er gleich eingangs hervorhebt, dass dem Papst nur das christliche Schwert, dem König dagegen das weltliche zu führen gebühre. Diese Abgrenzung christlicher und weltlicher Machtsphäre ist eindeutig, was Repgow natürlich in kirchlichen Kreisen viele Anfeindungen eingebracht hat. Trotzdem war für ihn unstrittig, dass die Obrigkeit von Gott eingesetzt war. So beginnt Repkows Sachsenspiegel mit dem tiefgründigen Gedanken: „ Got, der da ist, begin und ende aller dinge …“.
Der „Sachsenspiegel“ ist kein Gesetzbuch nach unseren Vorstellungen. Paragrafen und Durchführungsbestimmungen waren noch nicht erfunden. Repgow hatte sich nur die Aufgabe gestellt, geltendes Gewohnheitsrecht aufzuschreiben und dabei unterschiedlichste Befindlichkeiten unter einen Hut zu bekommen. Dass er damit unbewusst neues Recht schuf war ihm nicht bewusst. Im Wesentlichen umfasst sein Werk zwei Rechtsbereiche, das Landrecht und das Lehnrecht.
Einen besonderen Schwerpunkt legte er auf das Landrecht. Das umfasste das Recht aller Freien und regelt das tägliche Leben, zudem auch das Strafrecht und die Rechtsprechung. Besonders ausführlich ließ er sich auf die rechtliche Lage zwischen Mann und Frau ein. Er fixierte die rechtliche Stellung der Frau in allen Ebenen und engte sie damit stark ein. Was bisher Tradition war, wurde jetzt niedergeschrieben, es wurde zum Recht und so galt es bis in die Neuzeit.
Das Lehnrecht regelte die Verhältnisse zwischen den Ständen. In diesem Kapitel wendet sich Repgow ausführlich dem damit in Zusammenhang stehenden Zins- und Abgaberecht zu. So fixiert er alle „Zinstermine“, die nach alter Tradition an bestimmten Tagen fällig waren, wie zum Beispiel: St. Walpurgistag (30. April) Lämmerzins; St. Urbanstag (25. Mai) Wein- und Baumzins; St. Johannistag (24. Juni) Fleischzins; St. Margaretentag (20. Juli) Kornzins; St. Martinstag (11. November) Gänse- und Geflügelzins usw.
Auch dem Bauerntum, sowie dem in engem Zusammenhang stehenden Jagd- und Forstrecht, widmete er sich ausführlich. Somit kann resümiert werden: Repgow hat mit seinem „Sachsenspiegel“ wesentliche Rechtsfragen des täglichen Lebens aufgeschrieben, erläutert und somit verankert. Aber er hat in seinem Werk auch einige Rechtsgebiete, sicher in voller Absicht, außen vorgelassen. Dem Dienstrecht und Hofrecht hat er sich zum Beispiel nicht zugewandt.
Eike von Repkow und sein Förderer und Unterstützer Graf Hoyer von Falkenstein haben auf der idyllischen Burg Falkenstein Rechtsgeschichte geschrieben, die das gesamte Heilige Römische Reich Deutscher Nation über Jahrhunderte prägen sollte. Heute sind vom „Sachsenspiegel“ noch vier, zum Teil vergoldete, Bilderhandschriften überliefert, die nach ihren Aufbewahrungsorten als: „Wolfenbütteler“, „Oldenburger“, „Dresdner“ und „Heidelberger“ bezeichnet werden sowie mehrere hundert Handschriften und Fragmente. Ob sich dabei ein Original befindet, oder ob alles Abschriften sind, ist unklar und deswegen strittig.
Aber wir dürfen Eike von Repgow nicht allein auf seinen „Sachsenspiegel“ reduzieren, denn er war auch ein bedeutender Geschichtsschreiber. Vermutlich ebenfalls auf der Harzer Burg Falkenstein hat er seine „Sächsische Weltchronik“ verfasst.




Der Nebelwerfer – erste Raketenwerfer der Welt

Rudolf Nebel war einer der führenden Raketenpioniere weltweit. Wenig ist heute von dem 1894 im bayerischen Weißenburg geborenen Diplom-Ingenieur noch bekannt, was wohl daran liegt, dass er sich nicht, wie die meisten seiner Kollegen, vom NS-Regime instrumentalisieren ließ. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg sorgte er für wenig Schlagzeilen und lebte vorrangig von Vorträgen über Raketentechnik. Dennoch war er für die deutsche Raketenentwicklung einer der Hauptakteure und zugleich Lehrmeister von Wernher von Braun. Nebels Leistungen auf dem Raketensektor sollen jedoch heute nicht Inhalt meines Beitrags sein.
Rudolf Nebel war auch, bevor ihn das Raketenfieber erfasste, ein begeisterter Flieger. Im Jahr 1913 begann er ein Ingenieurstudium an der TU München. Dann brach jedoch der Erste Weltkrieg aus und Nebel musste sein Studium unterbrechen. Da er bereits 1912 das Pilotenpatent erworben hatte, meldete er sich freiwillig zum Militär, in der Hoffnung zu den Fliegern zu kommen.
Seinem Wunsch wurde zunächst nicht entsprochen; noch immer wurde den Flugzeugen kein Kampfwert zugesprochen, sie dienten – wenn überhaupt – nur der Luftaufklärung. Einen Giftgasangriff bei Arras überlebte er nur knapp und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet und zum Leutnant befördert.
Es kostete Nebel jedoch viel Mühe und Überzeugungsarbeit, bis er endlich am 27. Januar 1916 zur Fliegerersatzabteilung nach Unterschleißheim abkommandiert wurde. Dort absolvierte er alle vorgeschriebenen Ausbildungen und Prüfungen bis er im August 1916 endlich das Militärflugzeugführer-Abzeichen bekam und dann an die Front nach Somme abkommandiert wurde.
Dort angekommen spürt er sehr schnell, wie übermächtig die feindliche Luftüberlegenheit war. Nebel beschreibt die Flieger als „Mädchen für alles“: Sie waren zugleich Fernaufklärer, Nahaufklärer, Artillerieflieger, Schlacht- und Bombenflieger und Jagdflieger. Doch nun hatte das Oberkommando die Situation erkannt und begann das Wirrwarr aufzulösen und Spezialverbände zu gründen. Das war auch die Geburtsstunde der Jagdstaffeln. Nebel meldete sich freiwillig zur Jagdstaffel Jasta 5, die von Oberleutnant Berr befehligt wurde.
Tod und Verwundung gehörten damals bei der Jagdfliegerei zur Tagesordnung. Man bedenke: Abgesehen vom Motor bot ein Flugzeug in den Luftkämpfen fast keine Deckung. Um wirksam einen Luftgegner bekämpfen zu können musste man sich ihm bis auf mindestens 20 Meter nähern. Rudolf Nebel hat einen seiner frühen Luftkämpfe dokumentiert: „…  … Wir rasten zu den „Halberstädtern“, knüpften im Laufen die Jacken zu, während die Monteure die Maschinengewehre einschossen. Der Himmel hing voller dunkler Flakwolken, als unser Geschwader die Front erreichte. Staffelführer Berr, dessen Einsitzer durch 2 rote Wimpel an den Tragflächen leicht zu erkennen war, schoss in derselben Sekunde eine grüne Leuchtkugel ab, als wir die „Gitterschwänze“ der Engländer unter uns sahen. Im Sturzflug rasten wir auf die Übermacht zu. Gegen zahlenmäßige Überlegenheit der Gegner half nur eine mächtige Kurbelei und der immer neue Versuch, einzelne Maschinen des Gegners vom Geschwader abzudrängen. Doch an diesem Morgen half keine Geschicklichkeit. Ich drängte gerade einen englischen Piloten Richtung Westen ab, als mir plötzlich Kugeln um die Ohren pfiffen. Ich konnte mich gerade noch umsehen und erkennen, dass zwei Vickers sich hinter mich gesetzt hatten. Gleichzeitig lösten sich Fetzen von meiner Maschine, die „Halberstädter“ wurde steuerlos und trudelte der Erde zu. Es krachte. Mein nächster Eindruck war eine grellrote gemusterte Bettdecke, die kahlen Wände einer Steinbaracke und ein polternder Sanitäter. Ich lag dick verbunden in einem Feldlazarett.“
Der lange Lazarettaufenthalt gab Nebel die Möglichkeit, über seine Kampfeinsätze sowie eine künftige Strategieänderung nachzudenken. Ihm war klar geworden, dass man den lebensgefährlichen Abstand in der Luft vergrößern müsste. Es kam ihm sein ehemaliger Nürnberger Mathematiklehrer Prof. Hess in den Sinn, der einmal vom Kriegseinsatz von Raketen im alten China berichtet hatte. Das war die Idee! Nebel ließ sich Papier und Bleistift bringen, um seine Vorstellungen zu skizzieren. Er wollte Rohre unter seine Tragflächen montieren, diese mit Pulverraketen füllen, welche er aus dem Cockpit zünden konnte – eine Art Raketenwerfer also, doch diesen Begriff kannte man damals noch nicht.
Am nächsten Tag besorgte er sich das notwendige Material und baute sich seine Raketen unter die Tragflächen seiner Maschine. Dazu installierte er zwei Ofenrohre, füllte diese mit Pulverraketen und Sprengköpfen und verlegte Zündkabel ins Cockpit.
Tags darauf erwartete Nebel gespannt seinen Flugeinsatz. Was er dann erlebte, schilderte Nebel wie folgt: „25 Flugzeuge stiegen auf. Ich achtete nicht mehr auf meine Staffelkameraden, die schneller steigen konnten als mein Flugzeug mit seinen vier Ofenrohren. Zu Überlegungen war keine Zeit. Ich flog direkt auf einen feindlichen Verband zu und drückte automatisch auf einen kleinen Knopf am Steuerknüppel. Es war eine enorme Entfernung (über 328 Fuß = 110 Meter), verglichen mit dem üblichen Gefechtsbereich. Unter meinen Tragflächen tanzte ein Feuerwerk, dann schoss ein riesiger Rauchschweif durch die englische Schwadron. War ich erfolgreich? Tatsächlich! Ein englischer Pilot führte mit seinem Doppeldecker einen Sturzflug durch und landete auf dem nächsten Feld. Ich folgte ihm, indem ich abdrosselte und 20 Meter entfernt landete. Der Tommy versuchte nicht den Trick, sich zu ergeben und dann in letzter Minute zu entkommen. Die neue Waffe hatte ihn derart erschreckt, dass er sich ohne Widerstand ergab. Acht Tage später entdeckte ich bei einem erneuten Kampfeinsatz, dass die Ofenrohre mehr als nur eine moralische Wirkung hatten. Während dieser Operation zerschoss ich den Propeller einer feindlichen Maschine, die abstürzte…“
Ein weiterer Raketeneinsatz von Nebel ging jedoch schief, die Maschine fing Feuer und er musste notlanden. Nebel wurde zwar für seine zwei Luftsiege mit dem EK 1 ausgezeichnet, gleichzeitig wurden ihm jedoch weitere Raketeneinsätze verboten. Am Abend fand zu diesem Anlass eine Feier statt. Die Jagdpiloten saßen zusammen und becherten, als man darauf kam, dass Nebels Raketenkonstruktion eine waffentechnische Revolution sei und daher einen eigenen Namen bekommen müsse. Diesen fand Hermann Göring – der bayerische Leutnant mit der dröhnenden Stimme – der dazu eine kleine Ansprache hielt: „Ich habe es genau gesehen, ich bin nämlich direkt neben Nebel geflogen, als die Dinger losflitzten. Was Nebel da gemacht hat, war kein Schuss, sondern ein Wurf. Ich habe genau gesehen, wie die Signalraketen sich flatternd vom Flugzeug gelöst haben. Sie sahen aus wie Geschosse eines Minenwerfers. Deshalb schlage ich vor, dass wir die Waffe auf den Namen „Nebelwerfer“ taufen.“ Görings Vorschlag wurde begeistert angenommen.
So entstand der Begriff Nebelwerfer für den ersten Raketenwerfer der Welt. Dieser Begriff wurde übrigens dann im 2. Weltkrieg wieder reaktiviert, aber das ist ein anderes Thema.




Von Diplomatie und Völkermord – Türken und Armenier / Deutsche und Hereros

Am 2. Juni 2016 beschloss der Deutsche Bundestag mit einer Gegenstimme und einer Enthaltung, auf Antrag der Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Grünen, die Resolution „Erinnerung und Gedenken an den Völkermord an den Armeniern und anderen christlichen Minderheiten in den Jahren 1915 und 1916“. Bundeskanzlerin Merkel, Vizekanzler Gabriel und Außenminister Steinmeier hatten nicht an der Debatte teilgenommen.
Um es verständlich auszudrücken: Deutschland unterstellt gemäß dieser Resolution der Türkei in den Jahren 1915/16 einen Völkermord an der Minderheit der Armenier. Eine Bewertung dieser Massaker und Deportationen nach Beginn des Ersten Weltkrieges möchte ich hier nicht vornehmen – das ist nicht der Sinn meines Beitrages.
Diese Resolution über die Bewertung eines realen geschichtlichen Ereignisses, das vor 100 Jahren stattgefunden hat, wurde verabschiedet, obwohl die daraus resultierenden diplomatischen Verwicklungen mit der Türkei vorhersehbar waren.
Damit man mich nicht falsch versteht: Ich möchte hier nicht Position für die Türkei beziehen. Dennoch sehe ich in diesem deutschen politischen Parlaments-Akt als eine gewisse Provokation der Türkei. Vor allem aber passt er in das derzeitige populistische Handeln – das teilweise an Selbstherrlichkeit grenzt – unserer Regierung und Teile unseres Parlamentes.
Geschichte ist wichtig, sie ist auch eine bedeutende Wissenschaft, doch zu allen Zeiten wurde sie von den jeweils Herrschenden geschrieben. Über Geschichte zu urteilen sollte Sache von Historikern sein, nicht von Politikern. Und wir sollten aus der Geschichte lernen! Dazu sagte schon der alte Philosoph Hegel: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, dass Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“
Was ich damit vor allem sagen möchte: Uns geht es noch gut in Deutschland, wir sind jedoch eingebettet in Europa sowie in die globale Welt. Und da gibt es Probleme genug – große Probleme. Zu deren Lösung sollte unsere Politik Beiträge liefern. Das ist zwar sicherlich in vielen Fällen unpopulär, dennoch notwendig. Durch derartige Resolutionen wie „Völkermord der Türkei“ wird nichts, aber auch gar nichts positives bewirkt. Ein solcher Bundestagsbeschluss kostet nur sehr viel Geld, mehr nicht. Ähnliches wäre zur derzeitigen Russlandpolitik und vielen andern Politikfeldern zu sagen.

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Wir sollten aufhören anderen Ländern und Kulturen unsere Lebensweise und unsere kulturellen Werte auf zu doktrinieren. Ob unsere Gesellschaftsform andern überlegen ist wird sich erst in Zukunft erweisen. Wer hier bei uns in Deutschland lebt oder leben möchte, hat unserer Regeln und Gesetze einzuhalten: ohne Wenn und Aber. Auch möchte man unsere kulturellen Werte achten und sich daran orientieren. Uns in die Kultur anderer Länder einzumischen, steht uns jedoch nur in ganz beschränktem Umfang zu.
Auch hätte man bei der „Völkermord-Resolution“ bedenken sollen, dass Deutschland im Ersten Weltkrieg der engste Verbündete der Türkei – des Osmanischen Reiches – war, und somit auf die „Armenienfrage“ sicherlich Einfluss gehabt hätte. Zumindest war Deutschland wissend und billigend beteiligt.
Und Deutschland selbst sollte – ohne den Zweiten Weltkrieg in Betracht zu ziehen – nicht mit Steinen werfen. Denn da ist beispielweise der Herero-Aufstand. Die Hereros sind ein südwestafrikanisches Hirtenvolk von heute etwa 120.000 Menschen. Die Mehrheit von ihnen lebt in Namibia, einige auch in Botswana und Angola. Siedlungsgebiet der Hereros war im 19. Jahrhundert Südwest-Afrika. Das wurde 1884 – nach Anerkennung durch die britische Krone – deutsche Kolonie (formalrechtlich Deutsches Schutzgebiet) unter der Bezeichnung Deutsch-Südwestafrika. Zuvor schloss der Kaufmann Franz Adolf Eduard Lüderitz einen Vertrag mit einheimischen Stammesältesten, der Grundlage späterer deutscher Kolonialherrschaft wurde. Dieser Vertrag, in dem Lüderitz die Hereros über den Tisch zog, wie man heute zu sagen pflegt, kann als Ursache für die später folgenden Ereignisse angesehen werden.
Zunächst gab es ein gutes Einvernehmen zwischen der deutschen Kolonialverwaltung und den Hereros. Dieses Hirten-Volk war ein stolzes Volk und wenig geneigt sich unter zu ordnen. Zudem kam es zu ständig zunehmender Diskriminierung, Missionierung, Unterdrückung und Ausbeutung der einheimischen Bevölkerung. Auch müssen die deutschen Kolonialherren die Hereros-Frauen als sexuelles Freiwild angesehen haben. Die Hereros verarmten zunehmend, mussten um zu überleben ihr Land verkaufen und waren zur schlechtbezahlten Lohnarbeit auf deutschen Farmen gezwungen.
Ähnlich erging es auch dem Volk der Nama, die Großteils südlich von den Hereros siedelten und von den deutschen Kolonisten abwertend als Hottentotten bezeichnet wurden.
Die Ausbeutung, Unterdrückung und Diskriminierung der Hereros – verbunden mit deren ureigenem Stolz – führte im Jahr 1904 zu ersten kleinen Aufständen, dessen Auslöser Ungeschicklichkeiten der deutschen Kolonialverwaltung waren. Diese ging nicht auf die Unzufriedenheit der Einheimischen ein und ließ auch deren Beschwerden nicht gelten.
So kam es anfänglich zu ersten kleineren Angriffen der Hereros auf deutsche Siedler und Farmer. Jedoch auch diese Signale wurden nicht erkannt, falsch eigeschätzt und eine Kommunikation mit den Aufständischen abgelehnt. Die Hereros waren gut organisiert und sogar zum Teil mit Schusswaffen ausgerüstet. Es kam zu einem „Herero-Aufstand“ in dessen Verlauf zahlreiche Farmen und Siedlungen von Deutschen zerstört wurden und etwa 150 deutsche Männer ermordet wurden. Die Hereros waren den deutschen Siedlern und den geringen kolonialen Schutztruppen zahlenmäßig weit überlegen.
Das Deutsche Reich reagierte auf diesen Aufstand mit der Entsendung eines „Expeditionskorps“ von 15.000 Mann unter dem Befehl von Lothar von Trotha. Die Deutschen Militärs unternahmen keinen Versuch den Aufstand friedlich zu beenden und noch weniger die Probleme der Hereros zu lösen. Stattdessen richtete von Trotha einen „Aufruf an das Volk der Hereros“ in dem der die Aufständischen zur bedingungslosen Kapitulation sowie zur Auslieferung der Anführer aufforderte. Als die Hereros das ablehnten, kündigte von Trotha die Vertreibung des Volkes und die Tötung männlicher Hereros an. Unter seinem Kommando kam es zur Schlacht am Waterberg, in der die in jeder Hinsicht unterlegenen Einheimischen eine vernichtende Niederlage hinnehmen mussten. Die geschlagenen Hereros flohen vor den deutschen Truppen in die Trockensavanne von Omaheke und wurden dort von den wenigen umliegenden Wasserstellen vertrieben, Zehntausende verdursteten auf der Flucht. Etwa 80 000 Hereros kamen dabei um – wurden umgebracht oder ermordet, was etwa 80 % dieses Volkes ausmachte.
Zum 100. Jahrestag der Schlacht am Waterberg im August 2004 hat die deutsche Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit Heidemarie Wieczorek-Zeul vor Ort der Toten gedacht und sich dabei erstmals zur politischen und moralischen Schuld der deutschen Kolonialverwaltung bekannt. Seit dem 10. Juli 2015 erkennt die Bundesregierung die damaligen Ereignisse angeblich als Völkermord an. Eine Resolution dazu erfolgte nicht, auch keine Entschuldigung oder Widergutmachung.
Hundert Jahre wurde dieser Völkermord ignoriert und totgeschwieg. Auch heute noch wird der Hereros-Aufstand von Bundesregierung und Bundestag kaum thematisiert. Den Medien ist dieses Thema höchstens einmal eine Randnotiz wert. Die Bundesregierung verhandelt zwar nach eigenen Aussagen mit dem heutigen Namibia, Ergebnisse sind aber wohl bisher weitgehend eine Fehlanzeige.
Hätte unsere Regierung und unser Bundestag in dieser Situation nicht besser den Ball flach halten, und erstmal vor der eigenen Tür kehren sollen?