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Über openthedoor

Geboren 1956 in Gernrode/Harz, wo ich bis heute zuhause bin. Ausbildung: Realschule, abgeschlossene Lehre als Werkzeugmacher und Flugzeugmechaniker, Studium der Ingenieurwissenschaften mit Diplomabschlüssen, Weiterbildung in Betriebswirtschaft und Publizistik. Berufliche Stationen: Manager in der Metallindustrie, Messgeräteindustrie, Holz- und Möbelindustrie, Fleisch- und Lebensmittelindustrie, Landwirtschaft, Unternehmensgründer, Geschäftsführer, Unternehmensberater, Erfinder, Patentinhaber, Publizist, Journalist, Buchautor, Herausgeber, Verleger, Radioredakteur und Moderator.

Spargel-Ernteroboter & Co

Die moderne Landwirtschaft ist bereits mehr automatisiert als wir wissen und ahnen. Das ist leider wohl auch notwendig, denn die Arbeitskräfte in diesem Wirtschaftssektor werden immer rarer.
Zwar ist es in Mode Bioprodukte zu verlangen, doch können sich diese nicht alle leisten. Und viele von denen, die am lautesten nach Bio und damit nach traditionellem Anbau schreien, haben sicherlich noch nie ein Feld oder einen Garten bewirtschaftet.
Landwirtschaft ist Knochenarbeit und dazu noch schlecht bezahlte. Sicherlich liegt daher die Zukunft unserer Landwirtschaft nicht ausschließlich in kleinstrukturierten Bio-Betrieben. Die wird es parallel zur industrienahen Landwirtschaft geben, wenn für alle gesorgt werden soll. Dass wir dennoch unseren Umgang mit Pflanzenschutzmitteln, Dünger und anderen gesundheits- , umwelt- und klimaschädigenden Techniken und Technologien überdenken und ändern müssen, wird davon nicht berührt.
Für die Bodenbearbeitung, die Aussaat, das Düngen und Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln und auch das Ernten gibt es bereits vielfältige Maschinen, die teilweise sogar per GPS automatisch gesteuert werden und die Arbeitsprozesse per Computer berechnen.

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Jedoch für die Ernte zahlreicher landwirtschaftlicher Produkte gab es bisher noch keine Lösung, die den Menschen als Erntehelfer ersetzen konnte.
Spargel, ein saisonales Lieblingsgemüse, ist nur mit mühevoller manueller Arbeit zu ernten. Für die Spargelbauern wird es jedoch immer schwieriger Helfer für die Spargelernte von etwa Mitte April bis zum traditionellen 24. Juni. zu bekommen. Das wiederum führt zu höheren Löhnen und damit zur ständigen Verteuerung des Gemüses.
Zahlreiche Versuche für solche voll- oder halbautomatischen Spargelerntemaschinen gibt es seit einigen Jahren. Jedoch ist die Spargelente ein dermaßen komplexer Prozess, dass bahnbrechende Entwicklungen bisher ausblieben.
Der niederländische Spargelbauer Marc Vermeer hatte wieder Mal Probleme bei der Spargelernte und er hatte einen Bruder der Erfinder war. Auf einer Familienfeier wurde über eine Spargelerntemaschine gesprochen und 2014 die Firma Cerescon gegründet, deren Zweck die Entwicklung und der Vertrieb von Spargelerntemaschinen ist.
Jedoch ist der Spargel ein sehr subtiles Gemüse. Die Beete haben eine besondere Form – sie sind hoch angehäufelt – damit der Spargel sich nicht verfärbt, denn sobald er das Sonnenlicht erblickt wird er zunächst violett und später grün. Der Erntehelfer muss also Erfahrung haben und sehen, wo sich unter der Erde die gefragten Stangen befinden. Dann muss er sie treffsicher mit dem Spargelstecher abschneiden. Dabei geht selbst bei erfahrenen Erntehelfern öfters etwas schief.
Der Spargelbauer, sein Bruder Ads und dessen Frau Therese machten sich an Werk und jeder brachte seine Erfahrungen ein. Ein völlig neuartiger Denkansatz kam auf: Spargelstangen enthalten extrem viel Wasser und das leitet Strom. Es wurden Fühler entwickelt, die durch das Spargelbeet gezogen werden und elektrischen Strom aussenden. Dieser durchdringt auch den Spargel und weil Wasser stärker leitet als die den Spargel umgebende Erde, wird der „Spargelstrom“ verstärkt. Messfühler können so die genaue Position der Spargelstangen ermitteln und diese Informationen an Spargelmesser weitergeben. Die Maschine findet sogar jene Stangen, die dem Erntehelfer verborgen geblieben wären, weil sie erst zwei bis drei Tage später die Oberfläche erreicht hätten. Nach dem Stechen wird das Beet dann von dem Automaten wieder geglättet.
Der Spargelernteautomat kann bis zu drei Beete gleichzeitig abernten. Das Herstellerunternehmen gibt dazu an: „Deshalb kann die Maschine in einem einzigen Durchgang den gesamten reifen Spargel ernten, für den bisher 60 – 75 Arbeitskräfte drei Tage hintereinander eingesetzt werden mussten.“
Und weiter äußert das Unternehmen: „Beim Handstechen gehen etwa 30 Prozent des Spargels durch Beschädigungen verloren. Wir denken, dass wir diese Quote halbieren können.“




Der Spargelproduzent Teboza in den Niederlanden hat den Ernteautomaten 2017 getestet und war zufrieden mit der Qualität.
Es bewegt sich derzeit viel bei der Entwicklung von Erntemaschinen. So beispielsweise für Blumenkohl, für Gurken und auch für Äpfel. Besonders kompliziert ist die Entwicklung für den Außeneinsatz, also dem Ernten auf dem Feld. Neben allen spezifischen Problemen mit den entsprechenden Erntepflanzen spielt dort auch noch das Gelände mit hinein.
Daher ist die Entwicklung für solche Ernteroboter in Gewächshäuser erheblich einfacher, denn das Gelände ist eben und flach und die Maschinen können auf einen Orientierungssinn verzichten und fest installiert und programmiert werden. Besonders Pflanzen mit vielen oder großen Blättern bereiteten bisher Probleme. Die beginnt man nun mit vielfaltigen, neuen, computergestützten Messverfahren zu lösen: 3-D-Kameras, Spektralkameras, Sensortechnik, Analyseprogramme machen Hoffnung auf weitere Ernteroboter.
Bleibt die Frage, die unter dem Begriff „Digitalisierung“ zwar viel diskutiert, aber bisher nicht ansatzweise beantwortet wird. Was wird mit allen Menschen, die keinen höheren Bildungs- oder Ausbildungsabschluss aufzuweisen haben?

Das künstliche Blatt – eine reale Vision?

In Sachen Energiegewinnung können wir Menschen von der Natur viel lernen. Ein prägnantes Beispiel ist die Photosynthese: Zwar ist diese sehr uneffizient, denn sie setzt maximal ein Prozent der Sonnenenergie in gespeicherte Energie um. Das jedoch machen die Pflanzen auf einfachste Art und Weise und mit unnachahmlicher Umweltverträglichkeit. In zwei Halbreaktion spalten die Pflanzen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Um diese Reaktionen zu beschleunigen verwenden sie Katalysatoren. Die beiden Halbreaktionen laufen separiert durch eine Membran ab, die den Wasserstoff und den Sauerstoff zwar trennt, Ionen jedoch passieren lässt. Durch diesen Kunstgriff der Natur wird verhindert, dass der leichtbrennbare Wasserstoff bei Anwesenheit von Sauerstoff spontan verbrennt.

Plagiomnium affine, Laminazellen, Rostock, Urheber: Kristian Peters -- Fabelfroh, 2006
Photosynthese – Plagiomnium affine, Laminazellen, Rostock, Foto- Wikipedia Urheber: Kristian Peters – Fabelfroh, 2006

Klingt eigentlich recht unspektakulär, ist es aber dennoch nicht. Seit vielen Jahren stehen zahlreiche Forscher weltweit im Wettstreit um das sogenannte künstliche Blatt. Bisher ergebnislos, jedoch zeichnen sich deutliche Fortschritte ab.
Zwei der weltweit führenden Protagonisten in diesem Forscherwettstreit sind Nathan Lewis und Daniel Nocera. Lewis ist Professor am California Institut of Technologie und Leiter der Forschungsgruppe Joint Center of Artificial Photosynthesis. Prägnant und provokant zugleich ist seine Aussage zur Photovoltaik: „Kein Speicher? Kein Strom nach 16 Uhr.“
Das von den USA finanzierte Forschungsprojekt hat ein Ziel: das künstliche Blatt. Und dieses soll die effektivsten Pflanzen übertreffen.
Prinzipiell muss das künstliche Blatt prozessmäßig sich an das natürliche anlehnen. Bionik nennt sich dieser Wissenschaftszweig. Dennoch kann man die Natur natürlich nicht nachahmen, sondern nur ihr Funktionsprinzip erkennen und technologisch eine vergleichbares entwickeln. Geforscht wird mit PEC – Photoelektrochemische Zellen -, die das Wirkprinzip des Blattes gewissermaßen zu kopieren versuchen. Dazu werden Photoelektroden, die in Wasser getaucht werden, eingesetzt. Welches Licht des Sonnenspektrums dabei genutzt wird ist noch nicht endgültig geklärt. Für die Anode, die Sauerstoff erzeugen soll, wird bläuliches Licht favorisiert, für die Wasserstoff-Kathode eher rötliches Licht.
Damit eine neue Technologie sich verbreiten kann, muss sie mehrere Eigenschaften erfüllen: preisgünstig, effizient, sicher und zudem langlebig. Auch ist auszuschließen, dass dieses „Künstliche Blatt“ auch nur entfernt Ähnlichkeit mit einem Natur-Blatt haben wird; es wird nur dessen elektrochemischen Prozesse zur Energiegewinnung aus Wasser zu reproduzieren versuchen. Als vergleich kann man das Flugzeug heranziehen, das sich wohl als eines der ersten Technikobjekte an dem Flug der Vögel orientierte, optisch – ohne Federn – jedoch kaum noch mit einem Vogel vergleichbar ist.

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Die Probleme bei diesen Prozessen sind die einsetzbaren Materialien, welche die geforderten Eigenschaften erfüllen können. Tausende davon sind heute bekannt, doch welche sind geeignet und dazu preisgünstig, effizient, sicher und langlebig? Computer sind dabei sehr hilfreich, dennoch müssen die so ermittelten Materialien und Verbindungen getestet werden. Und letztlich gehört auch zur Wissenschaft nicht nur umfangreiches Wissen und viel Fleiß, sondern auch eine Portion Glück – eben das Glück des Tüchtigen. Die Forschergruppe von Professor Lewis hatte diesen glücklichen Moment – zumindest teilweise. Bei ihren Forschungen und Experimenten stießen sie auf einen preiswerten Katalysator, der in der Erdölindustrie Schwefel aus den Produkten entfernt und zudem sehr geeignet ist, auch die Wasserstofferzeugung zu beschleunigen. Jedoch gibt es bisher wohl noch einen Wermutstropfen: der Katalysator für die Sauerstofferzeugung wird noch gesucht. Was für Lewis dennoch nicht ganz so tragisch ist, denn sein Schwerpunkt liegt in der Herstellung von Wasserstoff als Energieträger sowie in der Nutzung von Kohlendioxiden, die zu Kohlenwasserstoffen umgewandelt werden sollen.
Nathan Lewis hat einen großen Konkurrenten: Daniel Nocera. Er lehrt auch in den USA, und zwar in Harvard an der Ostküste, verfolgt jedoch einen ganz anderen Lösungsansatz. Nocera setzt nicht wie sein Forscherkollege auf die Produktion von Wasserstoff, sondern will diesen Schritt – hin zu Kohlenwasserstoffen – überspringen. Diese sollen konventionelle Erdölprodukte vollständig ersetzen. Nocera nutzt dabei die zuvor gesammelten Erfahrungen bei der Einführung neuer Technologien und den Verharrungswiderstand der Gesellschaft dagegen. Für Kohlenwasserstoffe könnte die gesamte weltweit vorhandene Erdölinfrastruktur weiterhin genutzt werden – sicherlich ein unschätzbarer Vorteil.




Jedoch ist die Erzeugung selbst einfachster Kohlenwasserstoffe unglaublich komplexer, als die von Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser und auch die ist bisher nur im Laborbetrieb gelungen. Dennoch konnte Prof. Nocera in den letzten Jahren einige außergewöhnliche Erfolge erzielen. Er baute ein Gerät mit einem anorganischen Katalysator, das zunächst Wasserstoff aus Wasser erzeugte. Diesem wurde dann zudem Kohlendioxid zugeführt und mittels gentechnisch veränderter Bakterien wurden aus dem Stoffgemisch flüssige Brennstoffe produziert: Alles jedoch nur unter Laborbedingungen. Die Bakterien vertrugen sich allerdings nicht mit Katalysator, aber irgendwas ist ja immer.
Also wurde nach einem neuen Katalysator gesucht, der sich mit den fleißigen Bakterien vertrug, und er wurde gefunden. Laut Nocera können die Bakterien, in Verbindung mit dem neuen Kobalt-Phosphor-Katalysator, verschiedene Kohlenwasserstoffe produzieren. 2017 setze er mit seinem Team noch einen drauf, in dem er demonstrierte, dass sein technologischer Ansatz auch in der Lage sei, aus dem Stickstoff der Atmosphäre Ammoniak herzustellen. Gelänge das industriell, so würden riesige Mengen an Energie zur Herstellung von Stickstoff-Düngemittel eingespart.
Interessante Aussichten: Dennoch bleibt die Frage, ob gentechnisch veränderte Bakterien die Lösung energetischer Probleme darstellen können, zumal diese sehr fragil sind. Da scheint zunächst die Gewinnung von Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser erfolgversprechender. Doch wer vermag technologische Entwicklungen schon vorauszusehen?

Die Rückkehr des Wolfes

Der Harz war über Jahrhunderte Reichsbannforst der Könige. Im Sachsenspiegel, der wohl in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts teilweise auf dem Falkenstein im Selketal entstand, wurde das Wild geschützt, nicht aber Bären, Wölfe und Luchse.
Damals, im Mittelalter, waren sie also noch im Harz zu Hause, die Bären, Wölfe & Co. Mit der Entwicklung der Feuerwaffen verschob sich das natürliche Gleichgewicht in der Natur erheblich. Auch die großen Raubtiere waren dem Menschen nun unterlegen und konnten über größere Entfernungen erlegt werden. Der Reihe nach verschwanden sie aus dem Harz, wurden vom Menschen ausgerottet.

Braunbär im Tierpark Hexentanzplatz Thale
Braunbär im Tierpark Hexentanzplatz Thale

Zuerst traf es den Bären, das größte Raubtier unserer Heimat. Noch im 16. Jahrhundert war er nicht selten, wie uns mehrere Quellen überliefern. So wurden im Wernigeröder Forst 1526 noch 3 Bären gefangen. Nachdem der Bär zum Ende des 16. Jahrhunderts bereits stark dezimiert war, ließ der Braunschweiger Herzog Heinrich Julius zu Jagdzwecken wieder Bären aussetzen. Das half aber nicht mehr, denn 1696 wurde unterhalb des Ramberges bei Gernrode der angeblich letzte Bär erlegt. Ihm zu Ehren wurde an jener Stelle ein Denkmal errichtet, das als Bärendenkmal noch heute erhalten ist. Ob es jedoch wirklich der letzte Bär war, darf angezweifelt werden, denn im 18. Jahrhundert gab es erneut Nachrichten von weiteren erlegten Braunbären.

Wolf - Foto: Walter Wimmer
Wolf – Foto: Walter Wimmer

Etwa ein Jahrhundert später war auch die Gnadenfrist des Wolfes abgelaufen. Nachdem dieser Räuber sich nach dem Dreißigjährigen Krieg im Harz enorm vermehrt hatte und in Rudel für Angst und Schrecken sorgte, gab es seit Mitte des 18. Jahrhunderts kaum noch Informationen und Aufzeichnungen zu Isegrim. 1798 wurde der wohl letzte Wolf am Brocken erlegt. Nach aufwendiger Jagd war Graf Ferdinand von Stolberg-Wernigerode der erfolgreiche Schütze. Der Wolf war entsprechend zeitgenössischen Berichten „stark und feist“, wog 79 Pfund und war 5 Fuß hoch und 6 Fuß lang. Aber auch diese überkommene Nachricht vom Wolf ist nicht eindeutig, da angeblich bei Schwiederschwende im Mansfeldischen der letzte Wolf erlegt worden sein soll. Jedoch fällt auch dieses Ereignis in die Zeit gegen Ende des 18. Jahrhunderts. Welch große Bedeutung der Wolf einst im Harz für die Menschen gehabt hat, bezeugen noch heute die zahlreichen auf ihn zurückgehenden Orts- und Flurnamen wie z.Bsp.: Wolfshagen, Wolfsklippen, Wolfsberg, Wolfswarte, Wolfsbachtal usw.

Luchs - Foto: Wolfgang Stolze
Luchs im Schnee – Foto: Wolfgang Stolze

Der dritte und letzte im Bunde war dann der Luchs. Auch dieser Großkatze wurde im 18. und 19. Jahrhundert endgültig die Lebensgrundlage entzogen. Wog ein 1649 erlegter Luchs noch stattlich 87 Pfund, so brachte der vorletzte erlegte Luchs im Jahr 1816, nur noch 53 Pfund auf die Waage. Und der letzte Harzer Luchs, der 1817 im Lautenthaler Revier von Förster Spellerberg erlegt wurde, wog sogar nur noch 41 Pfund. Auch hier, wie auch bei Bär und Wolf, hatten sich die letzten Vertreter ihrer Art in die unwegsamen Regionen des Brockenmassivs zurückgezogen, was ihnen aber letztendlich auch nicht das Überleben sicherte. Auch dem letzten Luchs wurde ein Denkmal gesetzt, das noch heute als „Luchsstein“ an einem Waldweg, der von Lautenthal nach Seesen führt, zu sehen ist.
Heute, knappe 200 Jahre später, ist der Luchs im Harz durch Wiederansiedlungsmaßnahmen erneut heimisch. Und auch der Wolf, der bereits in einigen Regionen Deutschlands eine neue Heimat gefunden hat, ist nun im Harz angekommen, wie ein erstes Foto vom September 2017 bezeugt. Isegrim ist wieder da und menschliche Hilfe braucht er nicht.
50 bis 70 Rudel soll es in Deutschland geben, die Anzahl der Tiere wir auf knapp 400 geschätzt. Ist das wirklich viel für ein Land mit der Größe Deutschlands? Diese Angaben sind jedoch sehr unterschiedlich und ich kann sie nicht verifizieren.
Der Bestsellerautor und erfahrene Förster Peter Wohlleben gibt an, dass es in Deutschland durchschnittlich 50 Rehe pro Quadratkilometer gibt. Hochgerechnet bedeutet das, dass in Deutschland etwa 18 Millionen Rehe leben. Wie häufig bekommen wir jedoch ein Reh zu Gesicht? Und wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dann bei der genannten Wolfspopulation eines der scheuen Tiere zu Gesicht zu bekommen?
Dennoch sind die knapp 400 Wölfe in unserem Land ein regelrechtes Dauerthema in allen Medien. Und wie heute üblich, haben sich auch umgehend zwei konträre Gruppen gebildet: Wolfsbefürworter und Wolfsgegner.
Sobald eine Sache thematisiert wird, spielt sie auch in der Politik eine Rolle. Sogar Ministerpräsidenten finden die Zeit sich dazu zu äußern. So geschehen im Oktober 2017 durch Dr. Haseloff der eine Begrenzung der Ausbreitung des Wolfes fordert. Mit der Sachlage dürfte er nicht wirklich vertraut sein, sonst hätte er sich seinen Kommentar sicherlich gespart.
Man ist sich also auch in der Politik keinesfalls einig. Im Mai 2017 fand eine Umweltministerkonferenz der Bundesländer statt. Die Ressortchefs der Bundesländer gehen von einem „günstigen Erhaltungszustand“ von 1000 Wölfen in Deutschland aus. Übersetzt: Die Bundesrepublik verträgt etwa 1000 Tiere. Also mehr als eine Verdopplung der bisherigen Zahl.
Wir haben eine Natur die der Mensch in der Vergangenheit arg aus dem Gleichgewicht gebracht hat. Die drei großen Raubtierarten wurden ausgerottet, große Teile des Harzer Urwaldes gerodet, die Flüsse durch vielfältige bauliche Maßnahmen unter anderem für Fischwanderungen untauglich gemacht und der restliche Wald durch Nutzholzgewinnung geschwächt und vieles mehr.

Wildbeobachtung im Sommer - Foto: Wolfgang Stolze
Wildbeobachtung im Sommer – Foto: Wolfgang Stolze

Und nun kommt auch noch der böse Wolf zurück, reißt das Wild, tötet die Nutztiere und gefährdet die Menschen. Eine grausige Vorstellung, die vor allem Jäger und Nutztierhalter befällt und natürlich alle „Rotkäppchen“.
Die Anzahl der Jäger in Deutschland betrug 2016 etwa 362.000. Deren ureigenstes Interesse ist natürlich die Hege und Pflege ihres Wildes und daher kann der Jägerschaft die Wilddichte auch gar nicht groß genug sein – was verständlich ist, jedoch dem Wald und dem allgemeinen Gleichgewicht der Natur schadet. Die Wilddichte in Deutschland wird auf das 30 – 50 fache dessen geschätzt, was in einem natürlichen Urwald üblich wäre.
Wolfsrudel benötigen, wie die anderen großen Beutegreifer auch, ein großes Revier. Beim Wolf umfasst diese durchschnittlich 200 – 300 Quadratkilometer. Bezogen auf das Gesamtgebiet Deutschlands würden also Reviere für etwa 1.430 Wölfe zur Verfügung stehen.
In der Regel geht der Wolf dem Menschen aus dem Weg. Nur wenn wir ihn füttern oder anders an uns zu binden versuchen, entsteht direkter Kontakt und auch potentielle Gefahr.
Wie viele verwilderte Hund es in Deutschland gibt ist nicht bekannt. Bekannt ist hingegen, dass jährlich etwa 40. 000 dieser Hunde von Jägern erschossen werden. Zudem werden die jährlichen Bissattacken von Hunden auf Menschen auf 30. 000 bis 50. 000 geschätzt. Ich habe selbst einen Hund! Kommt deshalb der Hund in Misskredit, obwohl er erheblich gefährlicher für den Menschen ist als der Wolf?




Wie der Wolf, vom Menschen wiederangesiedelt, ein ganzes Ökosystem positiv verändern kann, ist in zahlreichen wissenschaftlichen Studien des Yellowstone-Nationalparks beeindruckend nachzulesen.
Wir sollten uns freuen, dass der Wolf sich wieder bei uns wohl fühlt. Er ist, im Gegensatz zu Waschbär, Marderhund, Muffelwild, Nutria usw. hier zuhause. Und er wird wohl unsere Wälder nicht leerfressen, die Viehzüchter nicht um ihre Existenz bringen und auch keine Menschen gefährden.

Vor allen Dingen sollte die Politik nicht so viel lamentieren, sondern einfach handeln. Es sollte doch wirklich kein Problem sein, Viehhalter schnell, großzügig und unbürokratisch zu entschädigen, wenn ein Wolf Tiere gerissen hat, auch wenn die Sachlage nicht eindeutig ist. Denn sicherlich sind oftmals auch Fuchs, verwilderte Hunde oder Luchse die Übeltäter, was aber den Viehhalter keinesfalls in eine andere Situation bringt. Eine bedeutende Gruppe der Wolfsgegner wäre so befriedet. Und es wäre gerecht, da dem Viehhalter das Recht fehlt seine Herde mit Schusswaffen zu verteidigen.