Archiv der Kategorie: Politik

In der ganzen Welt ist jeder Politiker sehr für Revolution, für Vernunft und Niederlegung der Waffen – nur beim Feind, ja nicht bei sich selbst.

Hermann Hesse

Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 2. Teil

Der von mit bereits genannte schwedische Industrielle und versierte „Strippenzieher“ hieß Birger Dahlerus. Er wurde am 6. Februar 1891 in Stockholm geboren und war Sohn eines höheren schwedischen Beamten. Schon während seiner Kindheit unternahmen seine Eltern häufige Auslandsreisen. Dennoch war es der Wunsch des Vaters, dass seine beiden Söhne einmal schwedische Staatsdiener werden würden. Doch bei Birger entwickelte sich schon in Kindertagen eine Affinität zur Technik. Besonders industrielle Prozesse interessierten ihn schon in der Jugendzeit und zudem die Lebensgewohnheiten anderer Völker. Mit 17 Jahren erhielt Birger, von seinem Vater organisiert, in den Schulferien die Möglichkeit als Praktikant 3 Monate in der Lokomobil-Fabrik in Magdeburg-Buckau tätig zu werden. Nach diesem Auslandseinsatz war sein Interesse an der deutschen Kultur erwacht und zudem sein Entschluss gereift Ingenieur zu werden. Im Jahr 1911 ging Dahlerus zu einem achtmonatigen Aufenthalt nach England, wo er in den Sheffield Simplex Motorenwerken arbeitete. Bei diesem Aufenthalt sammelte er Erkenntnisse über die englische Lebensweise und Mentalität. Zudem unternahm er eine Rundreise quer über die Insel.
Im Herbst 1911 nahm Dahlerus an der TH Stockholm ein Studium auf, dass er 1914 mit dem Diplom als Ingenieur abschloss. In der Zeit des Ersten Weltkrieges unternahm Dahlerus für seine Firma A.B. Separator Reisen nach England und Deutschland. 1915 wurde er dann von seiner Firma für zwei Jahre zur deutschen Tochtergesellschaft Eisenwerk Bergedorf geschickt. So lernte er das Leben und auch die kriegsbedingten Schwierigkeiten in Deutschland kennen.
Im Frühjahr 1919 wurde er leitender Direktor der Skefko Ball Bearing Company Luton im englischen London. Er siedelte nach England über und verbrachte dort 10 Jahre. In dieser Zeit lernte er England gut kennen und hatte zudem neben seinem Kontakt zur Arbeiterklasse und zur Mittelschicht auch zahlreiche Bekanntschaften in der englischen Oberschicht.

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1929 kehrte Dahlerus nach Schweden zurück und übernahm neue Aufgaben. Er erhielt die Aufgabe der Einführung des Hesselmann-Motors in verschiedenen europäischen Ländern, vorrangig in England, Deutschland und Frankreich. Umfangreiche Reisetätigkeit in diese Länder war ein Teil seiner Tätigkeit.
Im Jahr 1932 gab er die Leitung der Hesselmann Motor Company ab und erwarb zusammen mit einem Compagnon die J. & C. G. Bolinders Mekaniska Verkstads A.B. in Schweden. Seine Verbindungen mit Persönlichkeiten und Unternehmen im Ausland erweiterten sich dadurch erheblich, denn er war viel auf Reisen, insbesondere nach England, Frankreich und Deutschland.
Dahlerus hatte durch seine zahlreichen Reisen und Aufenthalte nicht nur die Mentalität und Kultur Deutschlands kennengelernt, er hatte zudem auch die Deutsche Sprache sehr gut gelernt.
Während einer Deutschlandreise hatte er in Hamburg Elisabeth Nissen kennengelernt, die seit 1923 verwitwet war. 1934 beschloss das Paar zu heiraten, ohne jedoch zu ahnen, welche Schwierigkeiten diese Entscheidung mit sich bringen sollte. Frau Nissen hatte einen Sohn aus erster Ehe. Nach deutschem Recht musste das Vormundschaftsgericht die Eingehung einer Ehe bewilligen, wenn keine Vermögensteilung zwischen Mutter und Sohn stattgefunden hatte, diese war aus vielfältigen Gründen in der damaligen allerdings Zeit nicht möglich. Der nationalsozialistische Richter lehnte die Bewilligung daher ab. Dahlerus war empört über diese willkürliche und seiner Meinung nach ungerechte Behandlung. Er beschwerte sich bei Hermann Göring, der zu jener Zeit Reichskommissar war. Durch einen Freund erhielt Dahlerus eine Audienz bei Göring und bekam Gelegenheit sein Anliegen zu schildern. Göring versprach alle Schwierigkeiten zu beseitigen und er hielt sein Versprechen.
Auf diese Weise bekam Birger Dahlerus seinen ersten Kontakt zu Hermann Göring, der zu einem der der mächtigsten Männer im NS-Regime aufsteigen sollte.
Im März 1935, Dahlerus war bereits einige Zeit verheiratet, besuchte er Göring, um sich bei ihm für dessen Hilfe zu bedanken. Zudem bot er Göring einen Gegendienst für seinen in Stockholm wohnenden und studierenden Stiefsohn Tomas Kantzow an.
Bereits zwei Monate späte erhielt Dahlerus in Stockholm einen Anruf von Göring aus Berlin. Dieser bat Dahlerus darum, sich seines Stiefsohns anzunehmen und ihm eine Ausbildung zu beschaffen. Dahlerus leistete die Hilfsdienste für Göring, was dazu führte, dass sich beide verschiedene Male persönlich und privat trafen. Es kam dabei zu sehr vertraulichen Gesprächen, in denen Dahlerus viel über die Politik und auch die Politiker des NS-Regimes erfuhr.
Er erkannte durch diese Gespräche, dass sich Hitlers Regierung in Europa unverstanden fühlte und zunehmend isoliert wurden. Kontakte zu den hohen Vertretern anderer Länder gab es kaum noch. Durch diese internationale Isolation kam es zu einer immer größeren Abschottung, die besonders durch Heß, Rosenberg und Ribbentrop forciert wurde.
Als im September 1938 der Tschechoslowakei Konflikt zu eskalieren drohte, weilte Dahlerus gerade in Deutschland. Er vernahm dort im Radio Hitlers Rede in Nürnberg und beobachtete als Resultat dieser Rede, dass schon in den nächsten Tagen und Wochen zahlreiche Ausländer Deutschland verließen.
Wie Hitler später selbst bekundete, wollte er zu diesem Zeitpunkt bereits den Krieg: „Vom militärischen Standpunkt aus waren wir daran interessiert, ihn ein Jahr früher zu beginnen […]. Aber ich konnte nichts machen, da die Engländer und Franzosen in München alle meine Forderungen akzeptierten.“ Wie wir wissen folgte der Münchner Vertrag.
Durch seine enge Bekanntschaft zu Göring und weiteren Personen der deutschen Führung, erhielt der Industrielle Schwede Birger Dahlerus tiefe Einblicke in die politische Situation, die durch diese Krise hervorgerufen wurde. Er schreibt dazu wörtlich: „Ich glaubte feststellen zu können, dass die Auffassung richtig war, die ich mir schon vorher gebildet hatte und die dahinging, dass die deutsche Regierung in zwei Lager mit verschiedenen außenpolitischen Auffassungen geteilt sei. Der Nationalsozialismus war seinem Wesen nach kriegerisch und aggressiv und ermangelte aller moralischen Skrupel in seinem Verhältnis zu anderen Ländern. Hitler und der von ihm protegierte Ribbentrop erstrebten Eroberungen. Es wurde aber auch erzählt, dass Göring mit großer Energie für eine friedliche Lösung der Münchner Krise gearbeitet hat und dies seine Popularität innerhalb der deutschen Führung vermindert habe.
Wir, die den Zweiten Weltkrieg in Europa erlebten, haben gelernt einzusehen, dass ein bewaffneter Konflikt in der Tat notwendig und unausweichlich war, da die Voraussetzungen für eine grundlegende Änderung des Kurses in Deutschland fehlten. Der Nationalsozialismus war nicht vereinbar mit einer zivilisierten Weltordnung. Im Frühjahr und Sommer 1939 stellte sich die Situation indessen etwas anders dar. Trotz allem, was sich das nationalsozialistische Regime in Deutschland bereits geleistet hatte, schreckte die Menschheit natürlich vor der Möglichkeit eines Zweiten Weltkrieges zurück. Es war die Pflicht der verantwortlichen Politiker, einen Krieg solange wie möglich zu vermeiden“.
In dieser Situation kam dem schwedischen Industriellen Birger Dahlerus der Gedanke, maßgebliche Personen der Hauptkontrahenten England und Deutschland in einem geheimen, mehrtägigen Treffen zusammen zu führen, um die gegenseitigen Auffassungen auszutauschen und so hoffentlich zu einer Schlichtung zu gelangen.

Dazu demnächst mehr.




Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 1. Teil

Es gibt Ereignisse, die, wenn sie erfolgreich verlaufen wären, die Welt hätten verändern können. Solche Ereignisse werden, wenn sie jedoch misslungen sind, gern totgeschweigen. Sie tauchen dann in keinem Geschichtsbuch mehr auf. Diese Verschweige-Taktik ist als Instrument in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens seit jeher üblich und hat sich somit bestens bewährt. Besonders in der Politik ist sie ein viel genutztes Instrument, birgt jedoch in unserer modernen Mediengesellschaft zunehmende Risiken. Auch die vom Staat gern genutzt Geheimhaltungstaktik, ist inhaltlich nichts Anderes als eine Verschweige-Taktik, mit besonders rigiden Regeln.
Von einem solchen Ereignis möchte ich Ihnen heute berichten: einem Geheimtreffen zur Verhinderung der 2. Weltkrieges.
Jedoch sehe ich es als erforderlich an, zum allgemeinen Verständnis, etwas weiter auszuholen und mit der Vorgeschichte zu beginnen. Diese möchte ich weitgehend unpolitisch und unideologisch darstellen.
Über den Ersten Weltkrieg möchte ich hier nicht weiter berichten. Er wurde von Deutschland und seinen Verbündeten, den sogenannten Mittelmächten, verloren. Die Entente-Mächte und ihre Alliierten hatten somit den Krieg gewonnen. Sie diktieren die Bedingungen des Friedens, die im Friedensvertrag von Versailles festgeschrieben wurden.
Die Bestimmungen des Vertrages waren äußerst hart für Deutschland. Man kann wohl sagen, der Vertrag wurde gemacht um Deutschland klein zu halten, was nach diesem grausamen Krieg für die Siegerseite, die zudem die größten Verluste und Zerstörungen zu beklagen hatte, als durchaus legitim angesehen werden kann. In Deutschland hingegen wurde der Vertrag von Anfang an abgelehnt und Erleichterungen gefordert.
Zum geflügelten Wort ist die Aussage von Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann geworden, die er, als ausgewiesener Gegner des Vertrages, bei seinem Rücktritt am 12. Mai 1919 vor der Weimarer Nationalversammlung kundtat: „Welche Hand müsste nicht verdorren, die sich und uns in solche Fesseln legte?“
Durch die ultimative Drohung der Entente-Mächte, umgehend in Deutschland einzumarschieren, wenn der Vertrag nicht baldigst ratifiziert wird, fehlte der deutschen Nationalversammlung jede Alternative. Sie votierte am 22. Juni 1919 mit 237 gegen 138 Stimmen für die Annahme des Vertrags. Scheidemanns Parteifreund und Nachfolger Gustav Bauer rief in der Sitzung aus: „Wir stehen hier aus Pflichtgefühl, in dem Bewußtsein, daß es unsere verdammte Schuldigkeit ist, zu retten zu suchen, was zu retten ist […]. Wenn die Regierung […] unter Vorbehalt unterzeichnet, so betont sie, dass sie der Gewalt weicht, in dem Entschluss, dem unsagbar leidenden deutschen Volke einen neuen Krieg, die Zerreißung seiner nationalen Einheit durch weitere Besetzung deutschen Gebietes, entsetzliche Hungersnot für Frauen und Kinder und unbarmherzige längere Zurückhaltung der Kriegsgefangenen zu ersparen.“
Kein guter Start also, für das neue demokratische Deutschland, dass die Monarchie gerade abgeschüttelt hatte. In weiten Kreisen der Bevölkerung fand der Friedensvertrag wenig oder keine Zustimmung. Zu hart waren die Bedingungen, zu schwer die Lebensbedingungen im kriegsgebeutelten Deutschland.
Man hoffe in Deutschland auf einen wirtschaftlichen Aufschwung aus eigener Kraft. Doch dieser kam nicht: stattdessen eine Weltwirtschaftskrise und eine nie dagewesene Inflation.
Die Schilderung der Situation im damaligen Deutschland möchte ich nun – der Neutralität wegen – dem Hauptprotagonisten meines Beitrages überlassen, einem schwedischen Industriellen und ausgewiesenen Deutschlandkenner, den ich jedoch erst im 2. Teil vorstellen möchte: „Deutschland hatte die Nachwirkungen des verlorenen Krieges nicht überwunden, sondern litt in dieser Zeit sowohl unter einer wirtschaftlichen Krise wie unter politischen Schwierigkeiten. Die Nation war zersplittert; die politischen Parteien scheuten kein Mittel, die Oberhand zu bekommen und ihre Gegner an der Ausübung der Macht zu hindern. Und in der Tiefe des Nationalbewusstseins lag der Revanchegedanke, sowohl von konservativen Kreisen wie von der neuen nationalsozialistischen Partei geschickt propagiert. Das Revanchegefühl war die Triebfeder der ständigen Versuche, Bestimmungen des Versailler Vertrages zu sabotieren, und vor allem der in diesen Jahren betriebenen heimlichen Aufrüstung.
Der Kampf zwischen den Nationalsozialisten und den übrigen Parteien ist zu bekannt, als dass er hier einer Schilderung bedürfe. Nur mit tiefer Sorge konnte ich indes bei Besuchen in Deutschland beobachten, welcher Mittel sich die Nationalsozialisten bedienen, um an die Macht zu kommen, und ganz allgemein den Geist kennenlernen, der sie kennzeichnete. Nach der Machtübernahme am 30. Januar 1933 glückte es den Nationalsozialisten, durch eine außerordentlich geschickt aufgemachte Propaganda, dem ganzen deutschen Volk einzureden, dass sie Deutschland jetzt retten würden aus dem, was sie die Erniedrigung und die Schmach nannten, die der Versailler Vertrag über das Land gebracht hatte. Ich selbst traf auf meinen Reisen viele Menschen in bedeutenden Stellungen, die früher den Ideen des Nationalsozialismus ganz abweisend gegenüberstanden, durch die Entwicklungen der Dinge in den Jahren nach 1933 aber zu glauben begannen, dass die jetzt ergriffenen Maßnahmen den Grund zu einem neuen glücklichen Deutschland legen würden. Es war ganz offenkundig, dass der Nationalsozialismus an einen Instinkt appellierte, der dem ganzen deutschen Volk gemeinsam war und bestärkt wurden durch den außerordentlich geschickten nationalsozialistischen Propagandaapparat, der die gesamte Nachrichtenvermittlung des Dritten Reiches kontrollierte. Mit aufrichtiger Besorgnis begann ich mich zu fragen, wohin dies führen solle.“
Teil 2 demnächst – der Strippenzieher Birger Dahlerus




Statistiken und ihre Manipulation

Ein allseits bekannter Spruch besagt: Glaube keiner Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast. Soweit möchte ich mit meinen Ausführungen nicht gehen. Dennoch sind Statistiken stets mit Vorsicht zu behandeln, falls man sie nicht selbst erstellt hat.
Statistik ist die mathematische Lehre von Methoden zum Umgang mit quantitativen Daten und hat viel mit Erfahrungswissen zu tun. Früher nannte man die Statistik auch Sammelforschung, denn empirische Daten werden gesammelt und dann analysiert. Statistik ist eine Hilfswissenschaft, der sich fast alle Wissenschaftsdisziplinen bedienen. Da in den letzten Jahren die Menge an Daten extrem zugenommen hat, kommt der Statistik eine immer größere Rolle zu.
Um eine Statistik zu verstehen und ihre Aussagen, die zumeist in grafischer Form vorliegen, zweifelsfrei deuten zu können, ist eine Menge an Hintergrundwissen erforderlich. Fehlt dieses jedoch, so ist für Deutungshoheiten und Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Besonders wenn es um Geld oder um politische Inhalte geht, ist die Versuchung groß mit Statistiken zu „schummeln“. Dabei nutzt man die Glaubwürdigkeit und das Image der Genauigkeit, die Statistiken in der Bevölkerung genießen. Schnell lassen sich mit Statistiken jedoch kleine, unscheinbare Effekte in große, spektakuläre Nachrichten verwandeln und so politische Entscheidungen beeinflussen.
Besonders gern trickst man dabei, indem man mit relativen und absoluten Zahlen zu jonglieren versucht. Zum Beispiel hört es sich erheblich spektakulärer an, wenn man sagt, dass doppelt so viele Menschen an synthetischen Drogen gestorben sind, als 20 Tote gegenüber 10 Toten im Jahr zuvor. Relative Zahlen sind dazu geeignet Ängste zu schüren, die mit absoluten Zahlen nicht aufkommen würden.
Nehmen wir ein weiteres fiktives Beispiel dafür: Wenn man angibt, das vegane Ernährung das Diabetesrisiko um 30 Prozent verringert, hört sich das zunächst recht spektakulär an. Das absolute Erkrankungsrisiko hat sich jedoch um 1,9 Prozentpunkte von 8,8 auf 6,9 Prozent reduziert. Nun könnte ein Leser annehmen, dass bei veganer Kost 30 von 100 Menschen weniger an Diabetes erkranken, was ein Trugschluss ist. In Wahrheit sind es knapp 2 Menschen. Zudem ist keine Aussage darüber möglich, ob diese zwei durch die Ernährungsumstellung von der Krankheit verschont blieben oder ob es andere Ursachen hat, zum Beispiel genetische.
Das Beispiel zeigt, dass die relativen Zahlen zwar nicht falsch sind, ohne die zugehörigen absoluten Zahlen jedoch eine Verzerrung der Wahrheit bewirken und so bewusst in die Irre führen.


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Ich habe für meinen heutigen Beitrag das Thema Statistik gewählt, weil im Moment Statistiken über den Anteil sozial benachteiligter Kinder in Deutschland für Aufregung sorgen. Die Statistik der Bertelsmann-Stiftung, die auf Daten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit beruht, wird in den verschiedenen Medien inhaltlich ausgewertet. Jedoch fallen diese Auswertungen höchst unterschiedlich aus, was nicht verwunderlich ist. Schon die Bertelsmann-Stiftung dürfte Probleme gehabt haben, ihre Statistik auf fremden Daten aufzubauen. Die Medienauswertungen sind dabei kaum nachvollziehbar, da dem Leser die absoluten Hintergrund- und Erhebungszahlen fehlen. Ich möchte keinem Journalisten Unredlichkeiten unterstellen, dennoch sind die Zahlen in unterschiedlichen Medien nicht identische, was auf die Schwierigkeiten der Auswertung von Statistiken hindeutet.
Besonders erstaunlich ist zudem, was aus solchen Statistiken alles an Interpretationen herausgelesen werden kann. Die Kinderarmut soll demnach bundesweit von 14,3 Prozent 2011 auf 14,7 Prozent 2015 angestiegen sein. Dazu wird dann angeführt, dass diese 14,7 Prozent sozial benachteiligter Kinder – bis 18 Jahre alt – aus Familien kommen, die Hartz IV beziehen. Demnach kommt also alle Kinderarmut aus Hartz IV-Familien. Wer kann das glauben? Was ist mit Familien die nach unserer staatlichen Definition arm sind, jedoch kein Hartz IV in Anspruch nehmen, was mit den vielen Familien deren Einkommen knapp über Hartz IV liegt, was ist mit denen, die mehr finanzielle Mittel zur Verfügung haben, sich jedoch nicht ausreichend um ihre Kinder kümmern, was ist mit den vielen Flüchtlings- und Asylbewerberkindern? Sind die Jugendlichen zwischen 14 – 18 Jahren einbezogen, in sich in der Ausbildung befinden? Fragen über Fragen und keine Antworten, stattdessen unzählige politische Statements.
Wie mittlerweile üblich wird der Staat verantwortlich gemacht, über Eigenverantwortung kein Wort. Stattdessen machen Sätze wie „Kinderarmut beeinträchtigt die Chancen für das ganze Leben“ die Runde.
Kinderarmut ist eine böse Sache, egal in welchem Land sie angesiedelt ist und leider ist sie das wohl in jedem Land auf unserem Planeten. Und ohne jeden Zweifel sollte sie bekämpft und eingedämmt werden. Vollständig beseitigen werden wird sie jedoch wohl nie.
In unserer deutschen Gesellschaft gibt es auch Kinderarmut, diese ist jedoch keinesfalls mit der außerhalb Europas zu vergleichen. Gern werden solche Statistiken, die alles und nichts aussagen, politisch instrumentalisiert. Fast immer ist unsere Politik der Auffassung Probleme lassen sich allein mit Geld lösen. Das ist ein grundlegender Irrtum! Die gesellschaftlichen Probleme, und so auch die der Kinderarmutsproblematik, liegen viel tiefer und lassen sich nicht mit Geld beheben. Vielen Familien könnte der Staat das doppelte an Sozialleistungen geben, ohne damit deren prekäre finanzielle Situation zu ändern, sagen Sparkassenmitarbeiter. Es ist jedoch für die Politik die unkomplizierteste Möglichkeit Geld als Handlungsnachweis ins Gespräch zu bringen.
Die wahren Ursachen anzugehen ist schwierig, teils unmöglich, weil sie die Freiheitsrechte des Einzelnen einschränken würden. Jedoch werden wir uns irgendwann entscheiden müssen ob wir eine homogene und halbwegs gerechte Gesellschaft wollen, oder ob die Freiheit des Einzelnen über allem steht.
Statistiken können uns bei solchen Entscheidungen Hilfestellungen geben. Dazu müssen jedoch alle Zahlen und auch deren Erhebungsmethoden zur Verfügung gestellt werden. Das ist aber wohl nicht absehbar, zu gut lässt sich damit Meinung machen. Schade um dieses mathematische Instrument und auch, das uns unsere Politik für so gutgläubig hält – man könnte auch sagen unwissend oder sogar dumm.
Abschließend zu meinen Ausführungen noch ein typisches Beispiel, wie die Statistik unlauter eingesetzt wird: Regelmäßig erstellt der Paritätische Wohlfahrtsverband eine Armutsstudie. Die letzte besagt, dass Deutschland eine Armutsquote von 15,5 Prozent hat. Ermittelt wurde diese Prozentzahl, indem alle Menschen ermittelt wurden, die im Monat weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung haben. Ob diese Zahl korrekt ist kann ich nicht sagen, mit Armut hat sie jedoch nichts zu tun. Würde sich das Einkommen eines jeden Bundesbürgers verdoppeln, so bliebe dennoch dieser Prozentsatz der gleiche. Es könnte bei ungünstigen Bedingungen, das heißt wenn es allen schlechter gehen würde, sogar dazu kommen, dass die Armut nach dieser Berechnung abnimmt.