Archiv der Kategorie: Geschichte

Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Vom Islam und von Sunniten und Schiiten Teil 7

Im Islam hat die rituelle Reinheit grundlegende Bedeutung. Jedoch werden diese islamischen Reinheitsauffassungen in den verschiedenen Richtungen des Islam sehr unterschiedlich ausgelegt und auch gelebt.
Es heißt dazu: „Gott liebt die, die sich reinigen“. In der Kultur des Abendlandes würde man unter „Reinigung“ einen Akt der Körperhygiene verstehen, nicht so im Islam. Die islamischen Reinheits- und Speisebestimmungen erinnern stark an jüdische Ritualvorschriften und sind wohl auch von diesen abgeleitet worden sind. Das Judentum hat seine diesbezüglichen Regeln im Laufe der Jahrhunderte jedoch stark modifiziert – der Islam hingegen teilweise verschärft.
Im Islam kann der Einzelne seinen Glauben nicht praktizieren, wenn er sich im Zustand der Unreinheit befindet. Der Koran verurteilt sogar diejenigen, die sich für rein halten, aber doch unrein sind. Auch Menschen anderen Glaubens – Ungläubige -, die am Tag des Gerichts die Höllenstrafe zu erwarten haben, gelten als „Unreine“.
Der Unreine kann weder vorschriftsmäßig beten, noch fasten, keinen Koran berühren, keine Moschee betreten und auch nicht die Pilgerfahrt nach Mekka vollziehen, denn der Gottesdienst des Unreinen wird bei Allah nicht angenommen. Seine Glaubenspflicht gilt als nicht erfüllt. Daher sind viele Muslime im täglichen Leben mehr darüber besorgt, ob sie sich im Zustand der Unreinheit befinden als ob sie bewusst oder unbewusst eine Sünde begangen haben.
Verkompliziert wird das Reinheitsgebot zudem durch eine Unterscheidung von „kleiner und großer Unreinheit“. Die kleine Unreinheit kann nur durch eine kleine rituelle Waschung und die große Unreinheit durch eine große rituelle Waschung beseitigt werden.
Kleine Unreinheiten entstehen durch das Berühren von Unreinem: Also durch alle Körperflüssigkeiten, durch Schlaf und Ohnmacht, Berühren des Intimbereichs, Winde, Benutzen der Toilette, Berühren eines Leichnams oder einer Person des anderen Geschlechts und den Kontakt mit den im Islam verbotenen Substanzen (Alkohol, Blut, Aas, Schweinefleisch) und allen daraus hergestellten Produkten. Zudem gibt es eine ganze Zahl von weiteren, zum Teil umstrittenen, Regeln und Verbote. Die kleine Unreinheit erfordert eine kleine Waschung von Gesicht und Händen bis zu den Ellbogen, Überstreichen des Kopfes und Reinigung der Füße bis zu den Knöcheln.
Die große Unreinheit tritt vor allem durch Geschlechtsverkehr, Geburt oder Menstruation ein und erfordert ein völliges Eintauchen in Wasser oder zumindest eine Berührung aller Körperteile mit Wasser.
In den Überlieferungen wird auch der Hund als unrein bezeichnet, was Muslime dazu veranlasst die Berührung mit Hunden – mit Unreinem – zu vermeiden. Muslime betreten auch keine Moschee mit Schuhen, denn der Straßenstaub ist unrein und würde die Gebetsteppiche verunreinigen. Muslime, die keinen Gebetsteppich zur Verfügung haben, knien daher zum Gebet auch auf anderen Unterlagen nieder, um sich dadurch vom Schmutz des Untergrundes zu trennen. Manche Muslime tragen daher Hosen, die kaum bis zum Knöchel reichen, um nicht etwa mit dem bis zum Boden reichenden Stoff die Unreinheit der Straße in die Moschee zu tragen.

Das Thema der Reinheit nimmt im Islam einen Raum ein, wie in keiner anderen Religion. Zahlreiche verschiedene Regelungen ergänzen den Koran und werden in den verschiedenen islamischen Richtungen unterschiedlich ausgelegt und gehandhabt. Besonders fundamentalistisch werden die rituellen Reinheitsgebote bei den Schiiten gelebt. Bei ihnen gilt die Glaubensflicht auch als nicht erfüllt, wenn sich der Gläubige gar nicht darüber bewusst ist, dass er sich im Zustand der Unreinheit befindet und dennoch betet. Entscheidend für die Frage, ob der Gläubige zum Gebet oder Fasten berechtigt ist, ist also zunächst nicht die innere Einstellung des Gläubigen, sein Sündenbewusstsein oder Reuebekenntnis, sondern die Frage nach der Korrektheit der letzten Reinigung. Unreinheit trennt also von Allah, ‚kleinere‘ Sünden nicht.
Wenn wir uns nun der derzeit strittigen Aussage zuwenden „der Islam gehört zu Deutschland“ so muss wohl zweifelsfrei festgestellt werden: moderne, reformierte Muslime gehören zu Deutschland. Ein fundamentalistischer Islam mit strenger Auslegung der Reinheitsauffassungen hingegen ist wohl nur schwer mit unserer abendländischen Kultur vereinbar.
Demnächst: die Scharia




Vom Islam und von Sunniten und Schiiten Teil 6

Über die Rolle der Frau im Islam gibt es im Westen viele Vorurteile und reichlich Unwissen. Jedoch ist deren Rolle selbst im islamischen Kulturkreis bei weitem nicht eindeutig geregelt, wie ich nachfolgend aufzeigen möchte.
Der Koran, die heilige Schrift des Islam, besagt, dass Männer und Frauen vor Gott gleich und somit gleichberechtigt sind. Doch zahlreiche Passagen des Koran widersprechen dieser Aussage in sich. Vor allem werden durch die körperliche Unterschiedlichkeit von Mann und Frau die Aufgaben der Geschlechter verschieden definiert. Nach der Lehre des Koran ergeben die Rechte des einen daher auch die Pflichten des anderen und umgekehrt. Der Mann ist im Islam verpflichtet, allein für den Unterhalt für Frau und Familie zu sorgen. Auch ist er vor Gott verantwortlich für das Wohlergehen seiner Familie. Aus diesem Zusammenhang heraus ist im Islam auch das Erbrecht für Frauen und Männer verschieden. Frauen erben nur die Hälfte des Anteils eines Mannes, denn der muss die Familie versorgen. Hingegen müssen Frauen, sofern sie eigenes Geld verdienen, dieses nicht für die Familie einsetzen.
Eine Familie braucht Führung, jemand muss Entscheidungen treffen und das obliegt im Islam dem Mann, denn er ist der Stärkere und zudem trägt er die Verantwortung. Der Frau hingegen obliegt es den Mann zu beraten und zu unterstützen, um möglichst gemeinsame Entscheidungen zu treffen. Die Frau ist die Person, die die Kinder empfängt, in sich trägt, gebiert und letztlich erzieht – sie ist also für das Kindeswohl verantwortlich. Besonders das Stillen der Kinder, falls das möglich ist, hat im Islam einen besonders hohen Stellenwert und wird sogar im Koran hervorgehoben, es führt zu einer besonders engen Beziehung. Dafür kann die Mutter vom Vater sogar eine finanzielle Entschädigung verlangen.
Bei den religiösen Pflichten im Islam sind beide Geschlechter gleichermaßen gefordert, jedoch gibt es für die Frau auf Grund ihrer körperlichen Unterschiede gewisse Erleichterungen.
Der Mann hat jedoch Rechte im Islam, die man der Frau nicht einräumt. So darf ein Mann mehrere Frauen heiraten, er muss sie aber sowohl finanziell versorgen als auch gerecht und gleichbehandeln. Frauen hingegen dürfen nicht gleichzeitig mehrere Männer haben, jedoch können sie selbst entscheiden wann und wen sie heiraten, dennoch trifft dazu häufig das Oberhaupt der Familie – also der Vater – die endgültige Entscheidung.
Bei einer islamischen Heirat ist eine Brautgabe üblich. Damit ist nicht verbunden, dass die Braut verkauft wird: Dieser Brautpreis soll der Braut zu Gute kommen, ähnlich der früher üblichen „Aussteuer“ im Christentum. Auch kann sich eine Frau von ihrem Ehemann scheiden lassen und kann sogar von ihrem Mann eine Entschädigung fordern. Ähnlich dem Christentum ist im Islam die Ehe und Familie als kleinste Einheit der Gesellschaft besonders geschützt. Jedoch ist es der muslimischen Frau untersagt einen Angehörigen einer anderen Religion zu heiraten, auch muslimische Männer sollen keine Frauen anderer Religionen heiraten (2:221).
Diese Regel, wie auch zahlreiche andere, werden jedoch in den verschiedenen islamischen Ländern unterschiedlich ausgelegt – dennoch gehören sie zum Islam, denn sie werden in der überwiegenden Zahl praktiziert.
Ein häufig kontrovers diskutiertes Thema ist das Schlagen „Züchtigen“ von Frauen. Die entsprechende Koranstelle hierzu lautet: „Und jene (Frauen), deren Widerspenstigkeit ihr befürchtet: ermahnt sie, meidet sie im Ehebett und schlagt sie! Wenn sie euch dann gehorchen, so sucht gegen sie keine Ausrede.“ (4:34). Der Islam ist der Auffassung, dass dieses Thema im Westen mit Vorurteilen belastet ist – lässt die Aussage des Koran jedoch überhaupt unterschiedliche Deutungen zu?

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Auch sehr kontrovers wird das Tragen von Kopftüchern – bis hin zur Vollverschleierung – betrachtet. Dabei ist das Kopftuch nur ein Teil der islamischen Bekleidungsvorschriften, die ebenfalls sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Grundsätzlich sollte Kleidung getragen werden, die den Körper in der Weise bedeckt, dass die Figur nicht sichtbar wird. Sinn dieser Bekleidung ist es, nicht das Interesse des anderen Geschlechtes zu wecken. Da die Haare einer Frau für ihr Aussehen eine bedeutende Rolle spielen – was durchaus das sexuelle Interesse von Männern wecken kann – gilt es für Frauen, ein Kopftuch zu tragen. Grundlage für diese Regelungen ist die Koranstelle 24:31 sowie ein Ausspruch des Propheten Mohammed, nach dem von einer Frau nichts außer Gesicht und Händen zu sehen sein soll. Die Auslegung der islamischen Bekleidungsregeln ist am augenscheinlichsten und wird besonders in Saudi-Arabien, Iran und auch in Afghanistan sehr streng gehandhabt. Zudem dürfen Frauen dort nicht Auto- und Fahrradfahren sowie Sportveranstaltungen besuchen. Die Bekleidungsregeln bei Frauen gelten jedoch nur gegenüber fremden Männern, innerhalb der Familie müssen sie nicht eingehalten werden.
Auch die Bildung, Berufserlernung und -ausübung für Frauen wird im Islam sehr unterschiedlich gehandhabt. Laut Propheten hat jeder Muslim, Mann wie Frau, die Pflicht nach Bildung und Wissen zu streben. Da der Mann jedoch die Verpflichtung hat, für seine Frau und die Familie zu sorgen, kann er seiner Frau auch die Berufsausübung untersagen. Im Islam sind Religion und Tradition eng verknüpft, was dazu führt, dass die fehlende oder mangelhafte Ausbildung vieler Frauen nicht auf die Religion zurückgeführt wird, sondern auf die Tradition – was aber am Resultat nichts ändert.
Eine Sache der Auslegung ist auch die Zeugenaussage einer Frau im islamischen Recht. Koranvers 2:282 gibt darüber Auskunft: „Und lasset zwei Zeugen unter euren Männern es bezeugen, und wenn es keine zwei Männer gibt, dann sollen es bezeugen ein Mann und zwei Frauen von denen, die euch als Zeugen geeignet erscheinen, damit, wenn sich die eine der beiden irrt, die andere von ihnen daran erinnert.“ Oftmals zählt daher die einzelne Zeugenaussage einer Frau im islamischen Recht nicht, jedoch interpretieren die Gelehrten diesen Vers zum Teil sehr unterschiedlich.
Auf Tradition und nicht auf islamisches Recht berufen sich auch zahlreiche Gelehrte sowie eine Anzahl von Staaten bei der Wahl des Gebetsortes. Kern dieser Frage ist: Darf eine Frau eine Moschee aufsuchen oder nicht? Der Prophet sagt dazu, dass der Mann die Frau nicht am Besuch hindern darf. Dennoch gehen in den meisten islamischen Ländern Frauen nur sehr selten in Moscheen oder der Zutritt ist ihnen sogar ganz verwehrt.
Was die Partnerschaft sowie sexuelle Beziehungen zwischen den Geschlechtern betrifft, so lehnt der Islam jede Form intimer Beziehungen außerhalb der Ehe ab. Dies gilt für Frauen als auch für Männer. Dieses ganz spezielle Thema ist im Islam ein sehr heikles. Zu zahlreichen Fragen gibt es kaum zufriedenstellende Antworten. Viele Geistliche lehnen zudem homosexuelle Partnerschaften komplett ab, teilweise stehen solche unter Strafe. Auch Prostitution ist verboten: dennoch gibt es Schwule und Lesben und auch Prostituierte im Islam – wohl aber nur im Verborgenen und außerhalb von Recht, Ordnung und Religion. Allerdings werden zwischen Männern und Frauen erhebliche Unterscheidungen gemacht. Frauen, die vorehelichen Geschlechtsverkehr hatten sind in der Regel aus der Gemeinschaft ausgestoßen, es ist äußerst schwer, dass sie einen Ehemann finden, wenn diese Tatsache bekannt ist – daher sind alle Mittel Recht um dies zu verheimlichen.
Bezüglich sportlicher Aktivitäten widerspricht sich der Islam selbst. Es heißt dazu, jede Art von sportlicher Betätigung ist erlaubt und erwünscht. Dann folgt jedoch schon die Einschränkung: Dabei dürfen aber die Grundregeln des Islam und insbesondere die Bekleidungsregeln nicht verletzt werden. Wie bitte soll Sport mit einer Ganzkörperverhüllung funktionieren?
Auch die Arztwahl stellt für muslimische Frauen einen Spagat dar, was insbesondere für ein Leben in Ländern der westlichen Welt gilt. Grundsätzlich sollte eine muslimische Frau zur Wahrung ihrer „Würde und Scham“ von einer Ärztin behandeln lassen, zu bevorzugen sind dabei muslimische Ärztinen. Nur Notsituationen lassen von dieser Regel Ausnahmen zu.
Kommen wir abschließend zu diesem Kapitel zur Religion des Islam. Zur Glaubensfreiheit: Diese bedeutet im Islam nach islamischem Recht die Freiheit der Muslime, ihren Glauben auszuüben sowie die Freiheit aller, den Islam anzunehmen. Jedoch ist jedes von einer Muslimin geborenes Kind automatisch dem islamischen Glauben zugehörig. Muslime besitzen nicht das Recht, die islamische Religion aufzugeben und zu einer anderen Religion zu konvertieren. Das islamische Recht kennt für Muslime keine Religionsfreiheit und sie anerkennt auch nicht den Anspruch, keiner Religion anzugehören. Gemäß dieser Rechtsauffassung sind Kinder, die aus Ehen zwischen einer Muslimin und einem Mann anderer Religion, automatisch dem muslimischen Glauben verpflichtet.
Demnächst: Reinheitsauffassungen des Islam




Vom Islam und von Sunniten und Schiiten – Teil 5

Es gibt verschiedene Verbote, Regeln und Traditionen, die nicht ohne weiteres aus dem Koran herauszulesen sind und die für uns Europäer, die wesentlich vom christlichen Glauben geprägt wurden, schwer verständlich sind.
Dazu zählt auch das Schweinefleischverbot des Islam. Zunächst muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch im Judentum sowie weiteren Religionen dieses Verbot herrscht. Dass der Islam auf religiösen Grundlagen des Judentums wie auch des Christentums fußt, hatte ich bereits erläutert.
Im Islam wird nach Halāl-Fleisch unterschieden. Halāl ist ein arabisches Wort, dass mit „erlaubt“ oder „zulässig“ übersetzt wird. Es benennt alle Dinge und Handlungen, die nach islamischem Recht erlaubt oder zulässig sind. Im Koran heißt es dazu sinngemäß: Verboten ist euch Fleisch zu essen von verendeten Tieren, Blut, Schweinefleisch und Fleisch, worüber ein anderes Wesen als Allah angerufen worden ist und was erstickt, erschlagen, zu Tode gestützt und was durch ein wildes Tier angefressen wurde – es sei denn, ihr schächtet es (rituelles Schlachten mit ausbluten von koscheren Tieren). Auch was auf heidnischen Opfersteinen geschlachtet wurde, ist für den Genuss verboten.
Reiseführer kostenlos anfordernIm Islam wird daher das betäubungslose Schlachten (mit ausbluten) traditionell praktiziert. Es gibt dazu in den verschiedenen Strömungen des Islam unterschiedliche Auslegungsformen. So sehen islamische Gelehrte das Betäuben vor dem Schlachten durchaus mit islamischem Recht als vereinbar an. Bei vielen Muslimen besteht jedoch die Angst, dass die Betäubung tödlich sein könnte und damit das Fleisch verboten sei.
Allgemein kann jedoch festgestellt werden, dass es keine einheitlichen Speisevorschriften im Islam gibt, was zu unterschiedlichen Interpretationen führt – auch die unterschiedliche Auslegung muslimischer Gelehrter zu diesem Sachverhalt vereinfacht die Sachlage nicht. Weitaus differenzierter als in den Staaten mit islamischer Leitkultur ist die Auslegung der Speisevorschriften bei Muslimen die in Europa ihre Heimat gefunden haben. Nach der Studie Muslimisches Leben in Deutschland, „halten sich 91 Prozent der Befragten Sunniten an islamische Speisevorschriften. Für Schiiten (60 Prozent) und Aleviten (49 Prozent) ist die Befolgung dieser Vorschriften weitaus weniger wichtig.
Jedoch wirft das traditionelle, betäubungslose Schächten in Deutschland zahlreiche Fragen auf. Gemäß § 17 TierSchG ist dieses in Deutschland verboten! Dennoch stellt ein Verstoß gegen dieses Gesetz in der Regel nur eine Ordnungswidrigkeit dar. Auch kann aus religiösen Gründen eine Ausnahmeregelung beantragt werden. Religion kann also Tierschutz aushebeln. Ein unakzeptabler Zustand, denn Recht kann nicht von der Religion anhängig sein – gleiches Recht für alle ist oberster Verfassungsgrundsatz.
Die Regel des traditionellen Schächtens sowie die Speiseregeln aus dem Koran, Sure 5, Vers 3, erklärt jedoch noch nicht das Verzehrverbot für Schweinefleisch.
Im 3. Buch Mose, dass sowohl Bestandteil des Jüdischen Tanach, wie auch des christlichen Alten Testaments ist, steht: „Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. […] Ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut. Ihr dürft von ihrem Fleisch nicht essen und ihr Aas nicht berühren; ihr sollt sie für unrein halten.“
Über die Jahrhunderte hinweg wurde in allen Religionen, in die die Bücher Mose Eingang gefunden haben – so auch im Islam – versucht die Unreinheit von Schweinen zu begründen. Für mein logisches und naturwissenschaftliches Verständnis jedoch recht unglaubwürdig. Dennoch muss es dafür eine Erklärung geben, die außerhalb religiöser Vorstellungen liegt.
Der moderne Erklärungsversuch des amerikanischen Anthropologen Marvin Harris ist hingegen wohl sehr realitätsnah. Er geht von ökologischen und ökonomischen Faktoren aus, denen ich zudem noch Klimaveränderungen hinzufügen möchte. Schweine haben ihren Lebensraum in Wäldern mit viel Schatten sowie Feuchtgebieten. Diese Bedingungen gingen in den Ländern Nordafrikas und Vorderasiens – die ab etwa 630 Länder des Islam wurden – ab etwa 3000 v. Chr. zunehmend zurück. Zum einen wurde durch die veränderten ökologisch/klimatischen Bedingungen der Schweinehaltung zunehmend die ökonomische Grundlage entzogen, zum anderen mussten sich die Schweine den veränderten Bedingungen anpassen. Die Menschen begannen auf anspruchslose Wiederkäuer zu setzen, denen pflanzliche Nahrung genügte, die für die menschliche Ernährung ungeeignet war. So könnte es gewesen sein!
Jedoch leben wir heute in einer modernen, technisierten Informationsgesellschaft – auch in den muslimischen Staaten sind Smartphones Artikel des täglichen Lebens geworden. Jüdische Gelehrte erkannten schon vor Jahrhunderten, dass andere Völker und Religionen Schweinefleisch aßen, ohne Schaden zu erleiden. Der Umgang der Juden mit ihren Speisegesetzen gestaltet sich heute weitaus lockerer als der von Muslimen. Diese halten nach wie vor an den alten religiösen Traditionen fest. Auch wenn sie, wie derzeit, als Flüchtlinge in Europa eine neue Heimat suchen – dem Kontinent der Schweinefleisch-Liebhaber. Das ist wohl ein eines von vielen Integrationshemmnissen. Oder wir ändern unsere Gesetzeslage, aber wollen wir das?

Demnächst: Teil 6 – Die Rolle der Frau im Islam