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Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 4

Der Garten Eden – das Paradies – wird seit vielen hundert Jahren gesucht. Wissenschaftler jeglicher Couleur versuchten sich daran, wurden jedoch von der Kirche nach Möglichkeiten dabei behindert.

Sicherlich kannte die Katholische Kirche schon lange Zeit geschichtliche Zusammenhänge zur biblischen Schöpfungsgeschichte, die diese in ein fragwürdiges Licht stellte. Jedoch hält die Kirche bis heute an der uralten Devise fest „was nicht sein kann, das nicht sein darf“.

In der Neuzeit entstanden nach und nach neue Wissenschaften: Grammatologie, Archäologie, Geschichtswissenschaften und Geowissenschaften sind einige davon. Es wurden sehr alte Karten entdeckt – darunter die sogenannte vatikanische Karte – auf denen das Paradies eingezeichnet war. Jedoch konnten diese Karten bis heute nicht aufgelöste werden. Dann wurden uralte Schriftrelikte entdeckt, die letztlich untermauerten, dass bereits die Babylonier die Schöpfungsgeschichte wohl kannten und auch den Garten Eden und das bereits etwa 1000 Jahre bevor Christentum und Bibel entstanden.

Friedrich Delitzsch (1850–1922)
Friedrich Delitzsch (1850 – 1922)

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts trat dann ein gewisser Friedrich Delitzsch ins Licht der Öffentlichkeit. Delitzsch wurde 1850 in Erlangen geboren und war Sohn des Theologen Franz Delitzsch. Nach dem Studium der orientalischen Sprachen promovierte er in semitischen Sprachen und in Assyriologie. Bereits 1877, als bereits mit 27 Jahren wurde er in Leipzig Professor, später auch in Breslau und Berlin. Er war Mitbegründer und Förderer der Deutschen Orientgesellschaft und seit 1899 Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen. Besondere Verdienste erwarb sich Delitzsch bei der Erforschung vorderasiatischer Sprachen. Dann trat er mit alttestamentarischer Textkritik an die Öffentlichkeit. Weiteren Kreisen wurde er bekannt durch seine in zahlreichen veränderten Fassungen und Übersetzungen erschienenen Vorträge über Babel und Bibel, die den Babel-Bibel-Streit auslösten. 1902 wurde Delitzsch in die American Academy of Arts and Sciences gewählt. Seit 1891 war er Mitglied der Sächsischen Akademie der Wissenschaften.

In der Folge des Babel-Bibel-Streites nahm er im Laufe seines Lebens zunehmend eine kritische Haltung gegenüber dem Alten Testament ein. Als Direktor der Vorderasiatischen Abteilung der Königlichen Museen (heute Teil des Pergamonmuseums) hielt er 1902 einen Vortrag vor Kaiser Wilhelm II., in dem er den biblischen Sündenfall in Frage stellte. Er führte diesen Teil des Alten Testaments auf Überlieferungen der Babylonier zurück und forderte ihn aus der Bibel zu tilgen.

Kaiser Wilhelm war zunächst von Delitzschs Forschungen sehr angetan und forderte eine Berücksichtigung dieser neuen Erkenntnisse in der Schule. Der Kaiser war jedoch zugleich Oberhaupt der deutschen Protestanten und er geriet durch seine Unterstützung der Delitzsch-Thesen unter starken Druck der Kirche und weiterer konservativer Kräfte. Verschärft wurde der Konflikt, als Delitzsch aufzeigte, dass auch Judentum und Islam die Schöpfungsgeschichte von den Babyloniern übernommen hätten.

Kaiser Wilhelm lies Delitzsch samt seiner Thesen fallen, was letztlich dessen wissenschaftliche Karriere recht abrupt beendete. Dennoch: Etwa ein Jahr lang wurde die Schöpfungsgeschichte der Bibel bereits vor über hundert Jahren von oberster Stelle in Zweifel gezogen. Was damals Kaiser Wilhelm veranlasste, die Grundfesten der Kirche in Zweifel zu ziehen, wird wohl sein Geheimnis bleiben – des massiven Widerspruchs zu seiner Haltung war er sich sicherlich bewusst.

Der renommierte Professor der Universität London und Autor des Buches „Die Vermessung des Paradieses“ Alessandro Scafi zeigt in seinem Buch alte Karten, in denen der Garten Eden verzeichnet ist, jedoch sind alle diese Karten bisher nicht aufzulösen.




Der große Reformator Martin Luther vertrat bei der Frage nach der Verortung des Paradieses die Meinung, dass die große Sinnflut das Paradies hinweggespült habe. Damit war für ihn die Sache erledigt und nicht weiter diskussionswürdig.

Heute weiß man, dass die Ursprungsgeschichte des Menschen bereits als Epos bei den Babyloniern existierte. Neuerdings wurde in Schrifttafeln aus der bronzezeitlichen Metropole Ugarit von niederländischen Forschern eine Urversion von Adam und Eva entdeckt. Wie die Alttestamentlerin Marjo Korpel und der Altorientalist Johannes de Moor von der Protestantischen Theologischen Universität Amsterdam in ihrem neuen Buch „Adam, Eve and the Devil“ berichten, wurde die Erzählung in der nordsyrischen Hafenstadt Ugarit aufgezeichnet. Diese Aufzeichnungen aus Ugarit sollen mindestens 800 Jahre älter sein als die Bibel.

Marjo Korpel führt weiter aus: Einst lebte der Schöpfergott El mit seiner Frau Asheran in einem paradiesischen Garten. Der böse Gott Horon jedoch, der vom Berg der Götter verbannt worden war, wollte sich dafür an den Menschen rächen. Er verwandelte den Baum des Lebens, der im Paradiesgarten stand, in den Baum des Todes und verhüllt den Garten mit giftigem Nebel. Als der Schöpfergott das Leben auf der Erde erneuern will, stellt sich ihm Horon in Form einer großen Schlange entgegen. Beide geraten aneinander, die böse Schlange beißt El, der dadurch seine Unsterblichkeit verliert. Als El jedoch mit seiner „guten Frau“ (Eva) Nachkommen zeugt, überwindet er den Fluch und gewinnt eine Art von Unsterblichkeit zurück. Korpel erklärt zudem, dass in dieser Urversion der Schöpfungsgeschichte Eva keinerlei Schuld auf sich lud.

In dieser Ugarit-Geschichte wird der Garten Eden an die Hänge des Berges Ararat verortet, da, wo auch gemäß Altem Testament nach der Sinnflut die Arche Noahs landete. So wird auch die Geschichte der Schiffer Uta-napischti im Gilgamesch-Epos erzählt, nur das dieses Epos bereits zwischen das 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. datiert wird.

Es ist heute kaum noch zu leugnen, dass die Schöpfungsgeschichte in der Bibel auf älteren Mythen beruht. Und es hat zudem sicherlich redaktionelle Bearbeitungen gegeben, die dieser Geschichte eine ideologische Wendung unterziehen wollten, um damit die Machtausübung der christlichen Kirche zu zementieren. Verwunderlich ist nur, dass die Kirche bis heute an der Schöpfergeschichte und dem Sündenfall festhält und bei vielen Dingen, die darauf zurückgehen, keine Kompromissbereitschaft erkennen lässt.

Zudem führen moderne Wissenschaften – insbesondere auch die Archäologie – ständig zu neuen Erkenntnissen, die alttestamentarische Aussagen relativieren oder sogar als falsch identifizieren. Ablasshandel und ähnliche kirchliche „Betrügereien“ gibt es „Gott sei Dank“ heute nicht mehr. „Eva“ von aller Schuld freizusprechen und damit zu emanzipieren, dafür wäre es höchste Zeit.

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Ob der Garten Eden jemals gefunden werden wird, ist mehr als fraglich. Dennoch kann angenommen werden, dass es eine solche paradiesische Landschaft einmal gegen haben wird. Auch wenn sich darin die Schöpfungsgeschichte nicht abgespielt hat. Und wenn dieses Paradies einmal in Vorderasien lag, wie vermutet wird, so kann dort, wo einmal paradiesische Zustände herrschen, heute durchaus Wüste sein.

Dennoch wird die Suche nach dem Paradies wohl nie aufhören – zu schön ist dieser Mythos, als dass man ihn aufgeben wollte.

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 3

In Genesis 3,17 steht geschrieben: Zur Frau sprach Gott: „Zahlreich will ich deine Beschwerden machen und deine Schwangerschaften. Unter Schmerzen sollst du Kinder gebären. Und doch steht dein Begehren nach deinem Manne, er aber soll herrschen über dich.“

Vertreibung aus dem Paradies
Vertreibung aus dem Paradies, Gemälde von Giovanni di Paolo di Grazia, 1445

Bei der Rolle der Frau in der Gesellschaft und Familie hat sich das Christentum wohl am Judentum orientiert. Auch in der jüdischen Religion spielt die Frau eine untergeordnete Rolle.

Jedoch ist die Rolle der Frau in allen monotheistischen Religionen untergeordnet oder sogar unterdrückt und das seit etwa 3500 Jahren. Genauso alt ist jedoch auch die Gewaltverherrlichung von Mord und Totschlag, so wie es sie in keiner polytheistischen Religion gibt.

Im Alten und neuen Testament gibt es zahlreiche Bibelstellen mit frauenfeindlichen Aussagen aber auch mit gewaltverherrlichenden Schilderungen. Der Islam basiert teilweise auf den Lehren und Schriften aus Judentum und Christentum. Im Koran werden Mann und Frau gleichgestellt, doch weil Mann und Frau verschieden sind hat Gott beiden auch verschiedene Aufgaben zugeteilt. Traditionell wurde daraus dann eine Unterordnung der Frau unter den Mann.

Jedoch möchte ich mich hier nur auf die Rolle der Frau im Christentum einlassen: Der Erbsündefall wurde vom aufstrebenden Christentum rigoros genutzt, um die Vorherrschaft des Mannes zu zementieren.

Das Christentum, das seinen Ursprung im Römischen Reich hatte, begann mit dem römischen Kaiser Konstantin dem Großen im Jahr 313 n. Chr. seinen religiösen Siegeszug, nachdem der Kaiser selber zum Christentum übertrat.

Die Franken, als kulturelle Nachfolger der Römer, machten die Kirche zur Staatsreligion in ihrem Einflussgebiet. Jedoch gab es damals, als im 5. Jahrhundert das Fränkische Reich sich anschickte Europa zu dominieren, auch noch andere Völker: so die germanischen Stämme. Diese hatten keine einheitliche Religion, jedoch waren alle ihre religiösen Riten und Kulte polytheistischer Natur. Von der christlichen Kirche wurden dieser Naturglaube als Heidentum bezeichnet, unterdrückt und unter Strafandrohung verboten.

Bereits die römischen Schriftsteller beschrieben die Stellung der germanischen Frau: „Die Frauen betrachtet ein jeder als die heiligsten Zeugen, und auf ihre Anerkennung legt er den höchsten Wert. Zur Mutter, zur Gattin kommen sie mit ihren Wunden, und ohne Zagen zählen und untersuchen diese Schläge und Stiche; auch bringen sie den Kämpfenden Speise und feuern sie an.“ (Tacitus, Germania). Und weiter formulierte Tacitus: „Manche Schlachtreihe, die schon ins Wanken geraten war und zurückflutete, brachten die Frauen … wieder zum Stehen: Sie bestürmten die Krieger unablässig mit Bitten, hielten ihnen ihre entblößte Brust entgegen und wiesen auf die unmittelbar drohende Gefangenschaft hin, die die Germanen viel leidenschaftlicher für ihre Frauen fürchten. … Den Frauen ist sogar … eine gewisse Heiligkeit und Sehergabe eigen, und deshalb achten die Männer ihren Rat und hören auf ihren Bescheid.“

Gegen diese romantisierende, schriftstellerische, tacitäische Beschreibung sprechen die Ehe und Scheidungsnormen der Leges Alamannorum. Zwar datieren sie deutlich später, dennoch können auch aus ihnen Rückschlüsse auf frühere Rechtsauffassungen gezogen werden. Pactus Alamannorum und Lex Alamannorum sind Bezeichnungen für die alemannischen Rechtsaufzeichnungen des Frühmittelalters. Sie zeigen, besonders im Vergleich des älteren Pactus mit dem jüngeren Lex klar auf, dass Ehescheidung incl. Güterstandsregelungen wahrscheinlich gängig waren. Erst mit der zunehmenden Christianisierung traten sie im Eherecht in den Hintergrund, und das Ehestrafrecht in den Vordergrund.





Dennoch wollen wir nicht von einer Gleichberechtigung reden, die bei den germanischen Stämmen zwischen Mann und Frau herrschte, zumindest nicht nach heutigen europäischen Vorstellungen. Dazu waren zum einen die körperlichen Unterschiede zwischen Mann und Frau zu groß. Zudem waren die gesellschaftlichen Normative andere: Es wurde auf Nachkommen, auf Erben gesetzt, und diese zu bekommen, zu versorgen, zu erziehen war Aufgabe der Frauen.

Mit Karl dem Großen wurde auch der letzte germanische Stamm – die Sachsen – unterworfen und die christliche Kirche wurde als Staatsreligion verordnet. Lange Zeit pflegten die Sachsen ihren Naturglauben jedoch weiter, die christliche Kirche war allein Machtinstrument des Königshauses und seiner Vasallen. Dennoch setzte sich der christliche Glaube – erzwungener Maßen – endgültig durch.

Die katholischen Lehren, die auf Altem und Neuen Testament aufbauten, bestimmten im Mittelalter das kulturelle und gesellschaftliche Leben und sie unterstellten die Frau – in besonderer Härte – der Herrschaft des Mannes.

Auch Luthers Reformation brachte diesbezüglich keine Änderung oder Besserung. Im Gegenteil: In den folgenden zwei Jahrhunderten wurden zahlreiche Frauen – vor allem alleinstehende -, als Hexen angeklagt und bestialisch hingerichtet. Gleichberechtigung für Frauen war in einer männerdominierten Gesellschaft kein Thema. Frauen, die im 19. Jahrhundert für ihre Rechte kämpften, wurden zumeist von der Gesellschaft geächtet.

Die protestantische Kirche hat seit einigen Jahrzehnten schrittweise ihre Einstellung geändert, die katholische Kirche jedoch bis heute nicht.

Es ist daher für mich immer wieder erstaunlich, wie angeblich christlich geprägte Politikerinnen in der Öffentlichkeit für Feminismus eintreten, ohne die Rolle ihrer Kirche auch nur ansatzweise in Frage zu stellen. Dennoch haben wir in der Bunderepublik in den letzten Jahrzehnten mächtige Fortschritte in dieser Sache gemacht, obwohl wir noch lange nicht auf der Ziellinie sind. Die Kirche jedoch hat in Sachen Gleichberechtigung noch einen weiten Weg zu absolvieren.

Was die Erbsünde betrifft und deren christliche Auslegung, da war Deutschland vor ca. 100 Jahren schon einmal auf einem guten Weg; doch revanchistische und katholische Kräfte haben letztlich über den Fortschritt den Sieg davon getragen.

Darüber aber demnächst mehr.

 

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 2

Adam und Eva von Lucas Cranach d. Ä. 1526
Adam und Eva von Lucas Cranach d. Ä. 1526

Die Geschichte vom Garten Eden sowie die Schöpfungsgeschichte sind erwiesenermaßen nicht christlichen und wohl auch nicht jüdischen Ursprungs. Bereits in der babylonischen Mythologie wird von der Erschaffung des Menschen berichtet. Jedoch wurde dort als Hauptgrund des menschlichen Daseins der Anbau von Nahrung für die Götter angegeben. Die Bibel kehrte alles um: Gott schuf die Pflanzen als Nahrung für Menschen und Tiere, die Tiere sollten Gefährten des Menschen sein.

Das Christentum hat die Schöpfungsgeschichte vom Judentum übernommen und kreativ, zum eigenen Vorteil, bearbeitet.

Das Judentum kennt keine Sünden, die vererbt werden können. Deshalb gehen die Sünden von Adam und Eva, die mit ihren Handlungen gegen die Gebote Gottes verstoßen haben, nicht auf die nachfolgenden Menschen über. Im jüdischen Glauben ist der Mensch nur für seine eigenen Sünden verantwortlich.

In den Formulierungen im Buch Mose hingegen wird aus den verbotenen Handlungen von Adam und Eva eine Erbsünde konstruiert. Der ApostelPaulus schrieb in Römer 5,12+18: „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt…“ und „…durch die Übertretung eines Einzelnen kam es für alle Menschen zur Verurteilung.“ Daraus entwickelte man die Lehre von der Erbsünde, die es in allen westlichen christlichen Traditionen gibt.

In der Spätantike (zu Beginn des 5. Jahrhunderts) entwickelte der einflussreiche Augustinus von Hippo die Lehre der Erbsünde, die im Wesentlichen auf der Interpretation des Apostels Paulus fußte.

Als Bischof und einer der einflussreichsten Kirchenmänner seiner Zeit, lehrte er, dass von der Minderheit, die der Hölle entgehen, nur wenige einer schmerzlichen Läuterung nach dem Tod entrinnen würden. Die Lehre von der Erbsünde wurde in der Folge Bestandteil aller westlichen christlichen Kirchen.

Nachdem sich in der Spätantike sowie im frühen Mittelalter die christliche Kirche über große Teile Europas ausgebreitet hatte, wurde sie zunehmend auch politisch instrumentalisiert. In den folgenden Jahrhunderten vertiefte sich in der Reichskirche die Entfremdung zwischen der östlichen und westlichen Tradition bis zum Bruch.

Die westliche Tradition entwickelte sich in der Spätantike und im frühen Mittelalter im weströmischen Reich, während die östliche Tradition in Konstantinopel, Kleinasien, Syrien und Ägypten entstand (Byzantinisches Reich). Die eigentlich dogmatischen Unterschiede bleiben zwar gering, aber die lateinische Kirche hatte in dieser Zeit Lehren entwickelt, die nicht von ökumenischen Konzilien abgesegnet worden waren (z. B. Erbsündenlehre, Fegefeuer, Filioque, päpstlicher Primat des Papstes). Weitere Unterschiede bestanden seit langem bezüglich politischer Umgebung, Sprache und Fragen des Ritus und der Liturgie. Die Situation spitzte sich im 11. Jahrhundert zu, so dass es 1054 zu einer gegenseitigen Exkommunikation zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel kam. Dieses Datum gilt üblicherweise als Beginn des morgenländischen Schismas.

Diese christliche Spaltung setzte mit dem Untergang des römischen Reiches ein. Das neu entstandene weströmische Reich bekannte sich zum Christentum als Staatsreligion. Das daraus hervorgehende Fränkische Reich setzte auf Erbe und Tradition des römischen Reiches.

Das Reich der Franken ging auf mehrere westgermanische Kriegerverbände der Völkerwanderungszeit zurück. Nach dem Untergang Westroms stieg es unter den Dynastien der Merowinger und der Karolinger in drei Jahrhunderten zu einer Großmacht auf, die weite Teile West-, Mittel- und Südeuropas beherrschte. Den Höhepunkt seiner Macht und Ausdehnung erreichte das Frankenreich unter der Herrschaft Karls des Großen (768–814). Nachdem es im 9. Jahrhundert geteilt worden war, entwickelten sich aus der östlichen Reichshälfte das mittelalterliche deutsche Reich, aus der westlichen das spätere Königreich Frankreich.

Mit dem Machtantritt Karls des Großen bekam die Christianisierung eine neue Qualität. Schon zuvor spielte die Kirche bei der Ordnung und Festigung des Reiches eine herausragende Rolle, denn sie verfügte über eine Infrastruktur, die sich über das gesamte Reich erstreckte. Karl gab dem Zusammenspiel zwischen Königtum und Kirche eine neue Qualität. Er forcierte den Prozess der Einbeziehung der Kirche in sein Herrschaftskonzept durch einen massiven Ausbau der klerikalen Infrastruktur im ganzen Reich. Er gründete Klöster, richtete Bistümer ein und verfügte christlichen Religionszwang. Dabei behielt er sich das Rechte vor, alle Bischöfe selbst zu ernennen. Zudem ließ Karl der Kirche die bis dahin umfangreichsten Schenkungen und Vergünstigungen zukommen, die den Reichtum der Kirche wesentlich mitbegründeten.

Unter den Karolingern war aller Grund und Boden im Besitz des Königs. Dieser verlieh ihn in Form von Lehen an Grafen, Fürsten und Herzöge. Diese Lehen waren ursprünglich an die Lebenszeit des Lehensmannes gebunden und endeten mit dessen Tod. Nur das Eigentum der Kirche hatte Bestand.




Es war eine Form der Versorgung adliger Familien, Stifte und Klöster gründeten. Sie sicherten sich die Macht und den Einfluss über diese kirchlichen Güter und konnten damit Familienangehörige versorgen. Es ist also nicht verwunderlich, dass besonders im 9., 10. und 11. Jahrhundert Stifte und Klöster wie Pilze aus dem Boden schossen.

Nachdem sich das Erblehen im 11. Jahrhundert durchzusetzen begann, ließen die Stiftungen und Schenkungen erheblich nach.

Doch zuvor gab es ein Ereignis, dass bis heute von Mythen umwoben und in der Wissenschaft stark umstritten ist: Das Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Weil sich zu dieser Zeit die Geburt von Jesus Christus zum tausendsten Mal jährte, gab es die Prophezeiung des Weltunterganges zum Jahreswechsel 999/1000. Der burgundische Mönch Rodulfus Glaber wusste vom Jahr 999 Schreckliches zu berichten: „Die Angst der Menschen war so groß wie nie zuvor. Blutrote Kometen drohten am Himmel … Manch einer glaubte, Heere von Teufeln in den Wolken zu erspähen. Alle außergewöhnlichen Erscheinungen wurden als Zeichen für den nahen Untergang der Welt wahrgenommen. Überall füllten verstörte Christen die Kirchen, verkauften ihr Hab und Gut, bereuten ihre Sünden.“ Und sie spendeten und schenkten angeblich massenhaft der Kirche.

Ob all das wahr ist, lässt sich bis heute schwer beurteilen. Zu spärlich sind die Überlieferungen aus dieser Zeit. Dem Christentum nahestehende Wissenschaftler argumentieren damit, dass damals verschiede Zeitrechnungen verwendet wurden und zudem, dass die einfache Bevölkerung nicht von diesem Jahrtausendwechsel wußten. Andere Wissenschaftler vertreten die These, dass es für die Kirche ein Einfaches war, den angeblichen Weltuntergang zu propagieren und die Menschen für ihre angeblichen Sünden zahlen zu lassen.

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Auf dem Sündenfall, der inhaltlich auf der Erbsünde beruhte gründete sich im Mittelalter die Lehre vom Ablass. Es war ein Konzept der katholischen Theologie, das eng mit den Konzepten von Sünde, Buße, Reue und Vergebung verknüpft und bestens geeignet war, die Kassen der Kirche immer aufs Neue zu füllen. Durch die Praxis der Ablassbriefe sollten den Gläubigen, durch die Zahlung eines Geldbetrag oder von Naturalien, Sündenstrafen im Fegefeuer für sie oder für bereits verstorbene Angehörige erlassen werden.

Dieser immer reger werdenden Ablasshandel, der das einfache Volk ausblutete, war ein Hauptärgernis für Martin Luther und ein wesentlicher Grund für dessen reformatisches Wirken.

 

Mehr demnächst!