Archiv für den Monat: Juli 2018

Der Abschiebefall Sami A. – Teil 2

Über die familiären Verhältnisse des Sami A. ist sehr wenig bekannt: Fast nichts. Jedoch muss er aus wohlhabenden Verhältnissen stammen, sonst hätte er kein Studentenvisum erhalten. Ein solches ist in Deutschland für eine Person aus einem Drittstaat nicht ohne weiteres zu bekommen und es ist zudem sehr teuer. So muss derzeit der ausländische Student vor Visa-Erteilung auf einem deutschen Konto 8040 Euro hinterlegen. Die deutschen Behörden verlangen diesen Betrag, um sicherzustellen, dass die entsprechende Person ihren Lebensunterhalt in Deutschland selbst finanzieren kann. Hinzu kommen noch weitere Kosten für Gebühren, Beglaubigungen, vorherige Deutschkurse usw. Da kommen schnell 10.000 bis 15.000 Euro zusammen; in vielen Drittländern oftmals ein Vermögen.

Wie auch immer es dazu kam, der Tunesier Sami A. erhielt 1997 ein Studentenvisum und kam nach Deutschland. Seinen Wohnsitz hatte er zunächst in Köln, später dann in Bochum. Der junge Mann, der mit vollem Namen Sami Ben Mohamed A. heißt, stammt aus der tunesischen Oasenstadt El Hamma. Er studierte an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld zunächst Textiltechnik später Informatik, dann Elektrotechnik. Warum man als fleißiger Student seinen Wohnort (Köln und Bochum) etwa 50 km vom Studienort entfernt nimmt, bleibt wohl Samis Geheimnis.

Mitten im Studium verlässt Sami A. 1999 für einige Monate Deutschland. Deutsche Ermittler gehen davon aus, dass er sich in dieser Zeit im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet aufgehalten haben soll. Nach einer militärischen Ausbildung soll er dann der Leibgarde des Al-Qaida-Führers Bin Laden angehört haben. Die Beweislage ist unklar und Sami A. bestreitet diese Angaben, vielmehr will er eine religiöse Ausbildung in Pakistan absolviert haben.

Irgendwann im Jahr 2000 war er zurück in Deutschland. Von diesem Zeitpunkt an bewegt er sich anscheinend in der salafistischen Szene und beginnt zu predigen. Sein Studium führt er fort, aber wohl ohne das nötige Engagement. Einen Studienabschluss legt er nicht ab.

Im Jahr 2006 ermittelt die Bundesanwaltschaft wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gegen Sami A., die Beweislast ist jedoch zu dünn. Wann sein Studentenvisum abgelaufen ist bleibt bisher unklar. Er stellt einen Asylantrag, der bis heute nicht entschieden ist.

Aber mit welcher Begründung? Sami As. Studentenvisum war abgelaufen, er war über Jahre in Deutschland; welchen Asylgrund konnte er geltend machen? Ihm hätte schon damals die Aufenthaltsgenehmigung entzogen werden müssen. In Deutschland tritt er nicht kriminell oder gewaltbereit auf. Dennoch soll er radikal gepredigt haben und auch gute Beziehungen zur salafistischen Kreisen sowie zur internationalen Terrorszene gehabt haben.

Im Jahr 2003 beginnt in Düsseldorf der Prozess um die Terror-Vereinigung Al-Tawhid, eines Ablegers von El-Qaida, der in Deutschland mehrere Anschläge geplant und durchgeführt haben soll. Sami A. steht zwar nicht unter Verdacht, an den Vorbereitungen und Durchführungen beteiligt gewesen zu sein, wird jedoch als Zeuge geladen. Vom Zeugen wird er zum Verdächtigen, weil ein weiterer Zeuge ihn schwer belastet. Dieser Kronzeuge, der aus Jordanien stammende Palästinenser Abdalla, berichtete, dass er um die Jahrtausendwende mit A. und einem weiteren Tunesier über Saudi-Arabien nach Pakistan gereist sei. Anschließend seien sie weiter nach Afghanistan gefahren. Sami A. habe sich dort militärisch ausbilden lassen und anschließend einige Monate für Osama bin Laden gearbeitet. Das Gericht hält die Aussagen des Kronzeugen für glaubwürdig. Für die Sicherheitsbehörden steht nun fest: Sami A. war bei Al-Qaida.

Kurz nach dem Ende des Prozesses im Jahr 2006, lehnt dann auch die Ausländerbehörde der Stadt Bochum eine Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis wegen der Unterstützung einer terroristischen Vereinigung ab. Sami A. muss seinen Pass abgeben und sich von nun an täglich bei der Polizei in Bochum melden.

Dieser Prozess der täglichen Vorstellung bei der Polizei Bochum dauert bis zur Abschiebung, also wahnsinnige 12 Jahre ohne eine endgültige Entscheidung an.

Seinen Asylantrag begründet Sami A. damit, dass ihm bei einer Rückkehr in seine Heimat Tunesien Folter drohe. Damals herrsche in dem nordafrikanischen Land noch Diktator Ben Ali. Zahlreiche Oppositionelle und Islamisten wurden gefangen genommen und gefoltert. 2009 verbietet das Verwaltungsgericht Düsseldorf daher dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Sami A. abzuschieben.

Inzwischen heiratet Sami A. in Deutschland und wird Vater von vier Kindern. Sein Aufenthaltsstatus untersagt ihm zu arbeiten. Daher lebt er von Hilfeleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz; monatlich sind das derzeit 1167,84 Euro. Kindergeld dürfte es nicht gegeben haben und über die wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Frau ist nichts bekannt. Hinzu kommen weitere Leistungen über die die Stadt Bochum bisher keine Auskunft gibt. Allein aus den Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hat Sami A. also mindestens 170 000 Euro erhalten.

Nach § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz und § 4 Abs. 1 Nr.2 Asylgesetz darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm Folter droht. Dies gilt auch für Personen, die eine „besondere Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik“ darstellen.

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Gesetze, die mich an der Zurechnungsfähigkeit deutscher Politiker zweifeln lassen. Ein Gesetz, dass vielleicht vor dem 11.September 2001 vertretbar war, aber inzwischen einer grundlegenden Novellierung bedürft hätte – aber es passiert nichts.

Über 12 Jahre zieht sich dieses Asylverfahren von Sami A. nun hin. Es hätte dennoch eine zeitnahe Entscheidung getroffen werden müssen und letztlich vielleicht dann einer endgültigen gerichtlichen Entscheidung. Doch es wurde von allen Behörden und auch den Gerichten taktiert. Es ist ja nicht das Geld der Behörden und auch nicht der Gerichte, dass verschleudert wurde. Geld spielt bei den Entscheidungen staatlicher Instanzen keine Rolle mehr, wenn man sich auf das Prinzip der Rechtsstaatlichkeit berufen kann. Jedoch sollte diese Rechtsstaatlichkeit, die sich auf bestehende Gesetze beruft, auch dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen. Gesetze, die dem wiedersprechen, werden von der Mehrheit der Bevölkerung abgelehnt, was die derzeitige Politikverdrossenheit beflügelt. Die Legislative ist gefordert, für die Probleme unserer Zeit Lösungen zu finden – auch mit modernen Gesetzen.

Im Jahr 2010 fand in Tunesien, dem Heimatland von A., eine Revolution statt und seit 2011 ist das Land offiziell eine Demokratie. Somit waren seit diesem Zeitpunkt alle Asylgründe von Sami A. theoretisch hinfällig (A. war nie Opportunist und der Islam ist nun Staatsreligion).

Hätte die Legislative inzwischen das Aufenthaltsgesetz sowie das Asylgesetz entsprechend geändert, so hätte kein Gericht mehr eine Grundlage gehabt, eine Abschiebung wegen vermuteter Folter – die oftmals von Asylantragsstellern an den Haaren herbeigezogen wird -, gerichtlich aufzuheben. Das geschah jedoch nicht.

Da Gesetze auch für Behörden bindend sind, hätte zumindest wohl in diesem Fall eine Asylanerkennung durch die entsprechenden Behörden, ausgesprochen werden müssen. Das wäre zwar zunächst eine schwere Niederlage für die zuständigen Ausländerbehörden gewesen, hatte dem Steuerzahler aber viel Geld gespart. Sami A. hätte dann arbeiten können und müssen oder sich mit dem niedrigen Hartz IV. begnügen müssen.

Wieder und wieder gibt es Ermittlungen, Einstufungen als Gefährder, Asylablehnungsbescheide und gegensätzliche Gerichtsentscheide. Ein Armutszeugnis in erster Linie der Politik, die nicht in der Lage ist auf verändert Situationen angemessen zu reagieren, sondern sich auf Ideologien zurückzieht, die nicht mehr zeitgemäß sind und die Behörden und auch die Judika im Regen stehen lassen.

Aber es ist immer noch der Rechtsstaat, auch wenn das geltende Recht reformbedürftig ist, was jedoch nicht den Behörden und Gerichten zugeschrieben werden kann.

Im Jahr 2017 schien sich dann bei Sami A. einiges zu ändern. Es heißt seine Frau habe ihn mit den Kindern verlassen. Ob dies der Grund war, dass ein Mitglied aus Sami As. Familie bei der Polizei eine belastende Aussage gegen ihn machte? So soll A. psychisch instabil und gefährlich sein. Er soll sich häufig Videos von bin Laden ansehen und Anschläge, wie den in den 2001 in der USA und den vom Berliner Weihnachtsmarkt, begrüßt haben. Zudem soll A. angedroht haben, im Fall seiner Abschiebung werde „Deutschland Blut weinen.“

Nach dieser Aussage wurde Sami A. im Mai 2018 zum Top-Gefährder hochgestuft, was erneut ein großes Medieninteresse verursachte. Die Politik sah sich wohl gezwungen sich dieses Problems anzunehmen. Was dann folgte – die Abschiebung von Sami A. im Juli – war eine Staatsposse ohnegleichen. Als wenn Deutschland keine anderen Probleme hat, als sich an einem gescheiterten Studenten, Asylbewerber, Islamisten und Gefährder aufzureiben. Bis heute beharren alle Institutionen auf ihrer Rechtsposition. Eine echte Aufklärung des Falls wird es wohl, wie in vielen anderen Fällen auch, nie geben.

Die Staats-Posse auf die Spitze treibt nun aber das Verwaltungsgericht, das am Tag der Abschiebung diese für rechtswidrig erklärt hatte, weil A. in Tunesien Folter oder Erniedrigung drohen könnte. Nichts davon ist eingetreten: A. ist nach seiner kurzzeitigen Verhaftung wieder aus der Haft entlassen. Dennoch beharrt das Verwaltungsgericht auf seiner Entscheidung und fordert eine Rückführung von A. Eine Frist wurde gesetzt, die wohl am 31.07. ausläuft und eine Strafzahlung von 10 000 Euro. Im Fall der Rückführung drohen erneut Kosten in hoher fünfstelliger Höhe, die wiederum der Steuerzahler zu tragen hat.


Für mich ein böser Witz: Da will ein Verwaltungsgericht – das von Steuergeldern bezahlt wird – einer Ausländerbehörde – die auch von Steuergeldern lebt – eine Geldstrafe auferlegen, die letztliche wir Steuerzahler zu begleichen haben. Wenn jemand in diesem Fall gegen das Recht verstoßen hat, so soll er bitteschön auch persönlich dafür verantwortlich gemacht werden. Doch das ist in unserer derzeitigen parlamentarischen Demokratie wohl nicht mehr vorgesehen.

Der Fall Sami A. schwächt und schädigt das Vertrauen in unseren Staat und in die Demokratie schwer. Und es ist nur ein Einzelfall der nach oben gespült wurde. Ich glaube, wenn alle die Fälle von Behördenversagen in Asylfragen – die auch auf mangelnder Rechtssicherheit beruhen – an die Öffentlichkeit kommen würden, so wären unsere Medien voll davon. Und wir würden wohl auf die Straße gehen. So aber wird der Fall Sami A. als tragischer Einzelfall dargestellt, den man nicht überbewerten sollte. Wenn jedoch ein Gesetz die „möglicherweise drohende Folterung oder Erniedrigung“ eines einzelnen Islamisten über die Sicherheit eines ganzen Landes stellt, so sollten wir Bürger nicht länger dazu schweigen.

Der Abschiebefall Sami A.

Tägliches Versagen von Politik und Verwaltung ist uns Bürgern nichts Neues. Dazu möchte ich jedoch mein Lebensmotto einwerfen: „Nur wer arbeitet kann auch Fehler machen!“ Der Fall des radikalen Gefährders Sami A. kann in diesem Zusammenhang jedoch als Präzedenzfall einer schweren Fehlentwicklung angesehen werden. Zum einen ignoriert unsere Politik die Meinung der Bevölkerung zunehmend, und zum anderen klappt die Zusammenarbeit zwischen Legislative, Exekutive und Judikative immer schlechter.

Leittragender und auch Zahlmeister ist der Bürger, bei dem immer mehr der Eindruck von Staatsversagen entsteht. Doch warum ist das so? Jeder Bürger, jede Familie und jedes Unternehmen müssen sich der Realität stellen und sich zudem ständigen Veränderungen anpassen. Unsere Gesetze sind Grundlage und Leitfaden unseres Handelns, doch sie sind teilweise schon in die Jahre gekommen; unser Strafgesetzbuch wurde bereits 1871 erlassen. Natürlich wurden viele Gesetze immer wieder novelliert, doch das reicht nicht mehr.

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Auch unser Deutsches Grundgesetz, die rechtliche und politische Grundordnung Deutschlands, ist in einigen Teilen wohl etwas reformbedürftig. Daher ist es zum Teil schwierig bis unmöglich anderen Bundesgesetzen die notwendigen Änderungen zukommen zulassen.

Demokratie als Herrschaftsform ist schwierig, sollen in ihr doch Macht und Regierung vom Volk ausgehen. Entfernen sich die politischen Systeme und Ordnungen immer mehr vom Volk, weil es nicht mehr gehört und wahrgenommen wird, so verliert Demokratie Achtung und Akzeptanz. Demokratie ist nicht von Gott gegeben, sie bedarf stetigem Meinungsstreit, man muss um sie kämpfen, um sie zu bewahren. Wenn sie jedoch beginnt nur noch dem Machterhalt Weniger zu dienen oder politische Ideologien zu erhalten und durchzusetzen, ohne dabei das Wohl des Landes und der Bürger im Auge zu haben, so gerät sie in Gefahr.

Ich habe den Eindruck, dass wir in diese Richtung steuern. Eine Gefahr ist kein großes Problem, wenn man sie denn rechtzeitig erkennt und entsprechende Gegenmaßnahmen einleitet. Wenn man jedoch die Gefahr erkennt, sie nur ignoriert, ohne ihre entgegenzuwirken, so kann sie zum Desaster werden. Demokratie ist ein Spiegelbild der Gesellschaft und sie muss alle gesellschaftlichen Strömungen vereinen oder im Gleichgewicht halten. Jedoch gibt die Mehrheit des Volkes die Richtung vor, in die sich unser Land entwickelt. So sollte es sein, auch wenn diese Richtung nicht jedem gefällt.

Deutschland geht es gut, so gut wie nur wenigen Ländern auf der Erde. Doch auch wir haben Probleme, die nicht kleinzureden sind: soziales Gefälle, Rente, Bildung, Pflege, Digitalisierung, fehlende Innovationskraft, um nur einige zu nennen. Jeder einzelne Bürger hat da wohl seine speziellen Problemschwerpunkte, je nach Lebenssituation.

Ein Thema das heute jedoch wohl jedem Deutschen auf den Nägeln brennt, ist das Flüchtlingsthema. Es beginnt zunehmend die Gesellschaft zu spalten. Es gibt Menschen die für „Multikulti“ stehen und jeden Flüchtling mit offenen Armen aufnehmen möchten und es gibt das krasse Gegenteil. Beide Seiten stehen sich recht unversöhnlich gegenüber. Dennoch brauchen wir eine Lösung, einen Konsens, der für alle akzeptabel ist: Das ist Demokratie!

Wir streiten uns häufig über Definitionen und Worthülsen: Kriegsflüchtlinge, Wirtschaftsflüchtlinge, politische, religiöse oder Minderheitenflüchtlinge – sie alle sind am Ende Flüchtlinge, die einen guten Grund haben ihrer Heimat den Rücken zu zukehren. Jeden einzelnen Grund kann man menschlich nachvollziehen, jedoch unserer Gesellschaft nicht immer zumuten. Unsere Aufnahmefähigkeit ist nun mal begrenzt, so wie auch die der EU.

Doch was tut unsere Politik – die Legislative – um das gewaltige Problem zu lösen. Nicht viel außer sich in politischen Grabenkämpfen zu verschanzen, auf Werte unserer Demokratie zu pochen, die die Parteien selbst längst aufgegeben haben. Andere Politiker und auch Behörden wiederum versuchen das Recht zu beugen – mit Kalkül – um Stärke zu demonstrieren, wie im Fall Sami A. Die Menschen die aus aller Welt zu uns kommen – die Flüchtlinge – müssen integriert werden, wenn sie hier dauerhaft bleiben können und das ist denkbar schwer. Schon einmal ist es in der alten Bundesrepublik mit den türkischen Gastarbeitern gescheitert und wir haben nichts daraus gelernt. Wir müssen unwahrscheinlich viel investieren, in die Flüchtlinge die auf Dauer in Deutschland bleiben können: menschlich und finanziell. Daher muss dieses Vorhaben gelingen, sonst gerät die Demokratie in Gefahr.

Jedoch sind unsere Möglichkeiten begrenzt. Wir können nicht alle aufnehmen, die zu uns kommen wollen und wir wollen auch nicht alle aufnehmen. Wir können daher nur Menschen dauerhafte eine Bleibeperspektive bieten, die nicht in ihre Heimatländer zurückkehren können (Asyl) oder die unsere Gesellschaft einen Mehrwert bringen.

Das klingt hart – viele werden sagen unmenschlich – jedoch ist keinem geholfen, wenn die europäischen Demokratien im Caos und Anarchie der afrikanischen und asiatischen Flüchtlingsbewegungen untergehen.

Es müssen daher für das gesamte Flüchtlingsproblem gesetzliche Lösungen her, die zum gesellschaftlichen Konsens beitragen und zudem unser Land schützen. Wie diese Gesetze aussehen könnten, darüber ist zu streiten! Unstrittig sollte dabei sein: Wir müssen als souveränes Land wissen wer zu uns kommt und wir müssen die Möglichkeit haben Menschen abzuweisen. Wer seine Identität nicht nachweisen kann, oder bei der Nachweisführung behindert oder unwahre Angaben macht, sollte sein Asylrecht verwirkt haben. Auch wer kriminell oder terroristisch vorbelastet oder als gefährlich gilt ist ebenfalls abzuweisen.

Wer hier in Deutschland Bleiberecht erhält, sollte sich integrieren. Das bedeutet keinesfalls seine kulturelle Identität aufgeben zu müssen. Jedoch ist unser Grundgesetz ohne Einschränkungen zu akzeptieren, die deutsche Sprache zu erlernen und alle Möglichkeiten auszuschöpfen, das eigene Leben und auch das der eigenen Familie ohne Nutzung deutscher Sozialsysteme zu finanzieren. Zudem können kriminelle, rassistische oder terroristische Aktivitäten oder Bestrebungen nicht geduldet werden.


In Deutschland gibt es drei verschiedene Schutzformen für Geflüchtete. Sie können als Asylberechtigte, als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder als subsidiär Schutzberechtigter anerkannt werden. Außerdem kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) auch ein nationales Abschiebungsverbot erteilen. Auch dann bekommen sie eine Aufenthaltserlaubnis. Schwieriger kann eine Entscheidungsfindung für die verantwortlichen Ämter wohl nicht gestaltet sein. Können wir bei derartigem Politikversagen Beamte verurteilen, die versuchen nach Recht und Gesetz zu handeln, und wo letztlich fast jede zweite ihrer Entscheidungen vor Gericht landet? Alle Institutionen, die für Flüchtlinge verantwortlich sind, können nur gute Arbeit leisten, wenn die Legislative ihnen klare gesetzliche Regeln vorgibt. Doch daran scheitert derzeit wohl jedes zweite Verfahren.

Im nächsten Teil betrachten wir explizit den Fall des abgeschobenen Marokkaners Sami A.

Terra preta – die Wundererde des südamerikanischen Dschungels

Zwischen 1492 und 1504 unternahm der italienische Seefahrer in kastilischen Diensten Christoph Columbus vier Entdeckungsreisen. Er suchte eigentlich den westlichen Seeweg nach Indien und China, entdeckte jedoch zunächst die Inseln der Karibik und auf seiner letzten Reise den Mittel- und Südamerikanischen Kontinent. Dort auf dem Gebiet des heutigen Honduras gründete er erste Kolonien auf dem Festland, wie zuvor auch auf Hispaniola.

Zwischen den europäischen Seefahrer-Nationen entbrannte ein Wettrennen um neue Kolonien in Mittel- und Südamerika: Jeder wollte der Erste sein, kostete es was es wolle. Ein Resultat dieser Kolonialisierungsbestrebungen war das Einschleppen von europäischen Krankheiten und Seuchen auf den neuen Kontinent, wogegen die einheimische Bevölkerung keine Abwehrkräfte besaß: Es kam zu gewaltigen Epidemien, die große Bevölkerungsteile hinwegrafften.

Der gewaltige Reichtum Südamerikas veranlasste die europäischen Herrscher jedoch ständig neue Expeditionen auf die Reise zu schicken. Schwer beladen mit Gold, Silber, Edelsteinen und vielen anderen wertvollen Dingen kamen die Schiffe dann zurück nach Europa, wenn sie denn zurückkamen.

Francisco Pizarro, der Eroberer des Inkareichs in Peru. Ölgemälde eines unbekannten Meisters (um 1540)
Francisco Pizarro, der Eroberer des Inkareichs in Peru. Ölgemälde eines unbekannten Meisters (um 1540)

Im Jahr 1532 landete der spanische Entdecker Francisco Pizarro als Erster an der Westküste Südamerikas. Von der peruanischen Küste aus marschierte Pizarro mit seinen Konquistadoren in das Land der Inka. Bereits einige Jahre zuvor wurden die Inka von für sie neuartigen Krankheiten (Pocken und Masern) heimgesucht, die sich über Mittelamerika nach Süden ausgebreitet hatten und massenhaft zum Tode führten.

Immer mehr europäische Invasoren kamen nach Südamerika und die Inka sowie andere südamerikanischen Völker waren den schwer bewaffneten Europäern nicht gewachsen: Sie mussten sich unterwerfen und gingen letztlich unter.

Jedoch waren die Inka und auch anderer südamerikanischen Völker und ethnologische Gruppen hochkultiviert und wiesen zudem einen hohen Organisationsgrad auf. Auch technisch und technologische hatten diese Völker vieles aufzuweisen, was uns bis heute Rätsel aufgibt. Entwicklungsgeschichtlich vergleicht man diese Völker gern mit den bronzezeitlichen Kulturen Eurasiens.

Für mein Verständnis hinkt dieser Vergleich jedoch recht stark. In unseren europäischen bronzezeitlichen Kulturen nahm die Sesshaftigkeit und damit die Feldwirtschaft erst ihren Anfang. Die Inka jedoch, die vergleichsweise gut erforscht sind, waren sowohl sesshaft, sie hatten zudem massive Steinbauten, Städte und Straßen, konnten bereits gut technisch und technologisch mit Metallen umgehen und sie verfügten über Terra preta.

Lange war die Wissenschaft – unsere westliche Wissenschaft – der Auffassung, die Hochkulturen Südamerikas, die Inka, Maya und Azteken und weitere Völker und Stämme, hatten ihre Städte und Wohngebiete nur auf den Hochebenen des Kontinentes. Im flachen, alles überwuchernden Urwald hingegen vermutete man kaum menschliche Lebensräume. Diese Annahme basierte wohl fast ausschließlich darauf, dass man kaum kulturelle Hinterlassenschaften im unendlichen und undurchdringlichen Dschungel fand und zudem der Auffassung war, dass der nährstoffarme Urwaldhumus keine Basis für Feldwirtschaft darstellte.

Dann jedoch viel der Wissenschaft im Jahr 1871 erstmals die Schwarzerde Amazoniens auf. Man dachte jedoch zunächst, dass es sich dabei um natürliche Humuserde handeln würde. Damals fehlten noch die notwendigen Analyseverfahren um diesem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Seit einigen Jahrzehnten ist die Untersuchung der Terra preta – portugiesisch für „Schwarze Erde“ – dann zunehmend intensiviert worden. Heute wissen wir: Der Boden besteht aus einer Mischung von Holz- und Pflanzenkohle, menschlichen Fäkalien, Dung und Kompost, durchsetzt mit kleinen Tonscherben und gelegentlich auch mit Knochenresten sowie Fischgräten. Mit dieser Analyse wurde ersichtlich, dass Terra preta nicht natürlichen Ursprungs sein konnte, sondern von Menschen geschaffen worden war. Zugleich wurde ersichtlich, dass Terra preta kein menschliches Zufalls- oder Abfallprodukt sein konnte, sondern bewusst produziert und auf landwirtschaftliche Flächen ausgebracht wurde.

Trotz des Erkenntnis-Zuwachses blieb die Frage offen, woher die südamerikanischen Ureinwohner diese Technologie und das erforderliche Wissen hatten. Zudem musste die angenommene menschliche Siedlungsdichte in diesen Terra-preta-Gebieten wohl stark nach oben korrigiert werden.

Auch war da noch die Legende vom „El Dorado“, von prächtigen Städten mitten im Urwald, von einem Herrscher der in Goldstaub badete. Dieser Mythos wurde bereits zur Zeit der Entdecker geboren und hielt sich hartnäckig über die Jahrhunderte, obwohl bereits Alexander von Humboldt nach seiner Amazonas-Expedition vor über 200 Jahren verkündete: „Da ist nichts dran.“

Doch solche Mythen lassen sich weder verbieten noch unterliegen sie dem logischen Denken und Handeln der Menschen, die nun mal gern an Wunder glauben.

Es sollten noch über 200 Jahre vergehen, bis ein wissenschaftlicher Beweis erbracht werden konnte, der alle bisherigen Thesen zum Dschungel Südamerikas in Frage stellen konnte.

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Erst vor wenigen Wochen publizierten wissenschaftliche Fachzeitschriften eine sensationelle Entdeckung. Auf einer Fläche mit dem Durchmesser von 250 Kilometern war ein Wissenschaftsteam einer hoch entwickelten altamerikanischen Kultur auf die Spur gekommen. Das entdeckte Dschungelreich liegt dort, wo der brasilianische Bundesstaat Acre an den äußersten Norden von Bolivien grenzt. Beim Abholzen des Regenwaldes für Rinderweiden gab der Boden seine Vergangenheit in reichem Maße Preis. Luftbildaufnahmen trugen dann zum weiterem Erkenntnisgewinn bei.

Es wurden eine Vielzahl von geometrischen Figuren auf dem Urwaldboden entdeckt. Man nennt diese nun zunächst Geoglyphen (Erdzeichen) – wie wir sie aus den Hochlagen der Anden kennen, sie uns jedoch bis heute nicht erklären können – bis weiterte Erkenntnisse vorliegen. Über 200 dieser geheimnisvollen, mächtigen Erdbauten wurden bereits entdeckt. Es sind große Kreis- oder Rechteckanlegen, die von bis zu elf Meter breiten und drei Meter tiefen Doppelgräben umgeben sind. 55 Meter breite Straßen, flankiert von turmähnlichen Aufschüttungen verbinden diese rätselhaften Hinterlassenschaften einer alten, unbekannten Kultur.

Inzwischen hat das interdisziplinäre Forscherteam um Renzi und Pärssinen Reste von Hütten, Palisaden sowie Keramikscherben und von Menschenhand gefertigte Holzkohle gefunden; zudem wurden Vorrats- und Abfallgruben entdeckt. Es waren also keine Außerirdischen, die jene geheimnisvollen Erdbauten erreichtet haben, sondern Menschen. Damit jedoch endet der derzeitige Erkenntnis-Prozess.

Oder doch nicht ganz?! Organische Materialien können der Wissenschaft Auskunft über deren Alter geben. Es konnte ermittelt werden, dass diese Hinterlassenschaften zwischen 650 und 3.500 Jahre alt waren und die Siedlungen wohl schon vor dem Eintreffen der ersten Entdecker aufgegeben worden waren.

Und letztlich kommen wir wieder auf Terra preta zurück. Neuste wissenschaftliche Schätzungen sagen aus, dass dieser Kunsthumus im Amazonasgebiet auf etwa 10 Prozent der Fläche zu finden ist – so auch im Gebiet der Erdbauten von Acre.

Archäologen und andere Wissenschaftler, wie Bodenkundler, sehen in der Terra preta schon seit langem einen bedeutenden Baustein für die Hochkultur der Inka, Maya und Azteken.

Die schwarze Erde „Terra Preta“ hat zwei bedeutende Eigenschaften im Hinblick auf die Bodenfruchtbarkeit. Wesentlich dafür ist die Speicherfähigkeit von Nährstoffen, die wiederum vom Kohlenstoffgehalt stark beeinflusst wird. Terra preta ist in der Lage doppelt so viel Stickstoff und sogar viermal soviel Phosphor speichern wie der natürliche Urwaldhumus. Daneben enthält sie im Durchschnitt 250 t/ha organischen Kohlenstoff und 50 t/ha Pflanzenkohle, entsprechend dreimal mehr, bzw. siebzigmal mehr als umliegende, natürliche Bodentypen.

Doch wie kamen die südamerikanischen Ureinwohner zu diesen Erkenntnissen und wie kamen sie zu ihrer Technologie der Herstellung von Terra preta? Fragen über Fragen und keine erschöpfenden Antworten.

Heute wissen wir, wie Terra preta künstlich produziert werden kann. Ob dieses „Biokohleprodukt“, das in Deutschland von Joachim Böttcher unter dem Namen „Palaterra“ hergestellt und verkauft wird, mit der Terra preta aus dem Amazonasgebiet verglichen werden kann, ist jedoch strittig. Dennoch sind die Anbauresultate von dieser Schwarzerde beeindruckend und eröffnen ganz neue Horizonte, um Nahrungsmangel auf unserem Planeten für immer zu verbannen. Die moderne Wissenschaft vermag sehr viel.



Terra preta ist ein Produkt tropischen Klimas, das einen langwierigen Prozess durchläuft und dessen einzelne Entstehungskomponenten nicht mit denen in Deutschland und Europa vergleichbar sind. Dennoch sind die Aktivitäten in zahlreichen Ländern Terra preta neu zu erfinden und damit die Landwirtschaft zu revolutionieren wohl ein prägnantes Zukunftsthema.