Archiv für den Monat: Dezember 2015

Krebszellen erkennen – bevor sie Metastasen ausbilden

Bisher war es schwierig, Krebszellen im Blut nachzuweisen. Auf eine solche Zelle kommen etwa geschätzt eine Milliarde gesunde Zellen – die Nadel im Heuhaufen. Dennoch ist es von sehr großer Bedeutung die Anzahl der Krebszellen festzustellen und diese möglichst zu isolieren. Viele bereits erkannte Tumore streuen auch: Dabei wandern einzelne Krebszellen eine Zeit lang mit dem Blutstrom durch den Körper, bevor sie sich in neuem Gewebe einnisten. So können neue Metastasen entstehen, selbst nachdem der Haupttumor erfolgreich bekämpft wurde.

Forscher des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) und des Münsterschen Zentrums für Nanotechnologie (CeNTech) haben nun in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ein klinisches Verfahren entwickelt, mit dem sie einzelne Krebszellen in Blutproben sicher nachweisen und isolieren können. Der besondere Nutzen der neuen Nachweis-Technologie liegt darin, das die Anzahl der herausgefilterten Tumorzellen Auskunft darüber gibt, ob eine Therapie erfolgreich war. Zudem lassen sich aus diesem Nachweis Rückschlüsse auf den zukünftigen Krankheitsverlauf ableiten. Zusätzlich gestattet die genetische Analyse der isolierten Krebszellen die Ableitung maßgeschneiderter Therapien für die jeweilige Krebsart.

„Mit unserer Methode erzielen wir eine sehr hohe Trefferquote: Über 85 Prozent der ausgefilterten Zellen sind tatsächlich Krebszellen, zudem können wir die verdächtigen Zellen unbeschadet entnehmen und näher untersuchen“, so Michael Hirtz, dessen Forschungsgruppe am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT entscheidend an der Entwicklung beteiligt war. Die entsprechenden Tests mit Patientenblut führen Forscher um Klaus Pantel am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durch. Darüber hinaus soll das Verfahren auf alle Anwendungsfälle übertragbar sein, in denen es darum geht, seltene, in Blut oder anderen Körperflüssigkeiten zirkulierende, Zellen zu isolieren.

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Das Herzstück der neuen Methodik bildet ein modernes molekularbiologisches Untersuchungssystem (Mikroarray), das parallele Analyse von mehreren tausend Einzelnachweisen in einer geringen Menge biologischen Probenmaterials erlaubt. Diese Mikroarrays werden umgangssprachlich auch als Gen- oder Biochips bezeichnet. Die Forscher erstellen dazu eine Art Andockstation für die Krebszellen. Dazu setzen sie die „Polymer Pen Lithografie“ ein, indem mit einem Kunststoffstempel mikroskopisch kleine Oberflächenstrukturen in Schlossform geschaffen werden. Die zu untersuchende Blutprobe wird dann durch einen flachen Mikrokanal geleitet, der über die Andockstation hinwegfließt. Damit möglichst viele Zellen mit dem Array-System in Berührung kommen, verwirbelt eine fischgrätenartige Struktur an der Decke des Mikrokanals die vorbeiströmende Flüssigkeit ständig. „Während die Tumorzellen an den präparierten Stellen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken, werden die übrigen Zellen einfach vorbeigespült“, erklärt Hirtz das Prinzip. Um die Arrays – also die Schlösse – nicht für jede Anwendung austauschen zu müssen, geben die Wissenschaftler allen Zielstellen eine Art Generalschlüssel mit: das Vitamin Biotin. Dieses wird zuvor über spezielle Antikörper an die Oberflächen der Zielzellen gekoppelt.

Wie das KIT informiert, ist das Verfahren noch in der Entwicklung und daher nicht volloptimiert. „Dennoch ist es zum Teil jetzt schon nachweisempfindlicher als die bekannten Standardmethoden. Darüber hinaus erleichtert es die medizinische Feindiagnose der Zellen“, unterstreicht Harald Fuchs, Abteilungsleiter am Institut für Nanotechnologie. Die Forscher arbeiten nun an einem, in der Klinik einsetzbaren, Prototypen des Testgerätes. Dabei erhalten sie Unterstützung vom Europäischen Forschungsrat über das Förderprogramm „Proof of Concept“.




Wer hat das Dynamit erfunden?

Alle Welt kennt die Nobel-Preise, alle Welt kennt den Schweden Alfred Nobel, alle Welt spricht ihm die Erfindung des Dynamits zu. Letzteres ist jedoch eine Fehleinschätzung und trifft so nicht zu, jedenfalls, wenn man das heutige Patentrecht zugrunde legt.

Der Sprengstoff, den wir als Dynamit bezeichnen, besteht im Wesentlichen aus Nitroglycerin und aus Kieselgur als Trägermaterial. Im Jahr 1847 erfand der italienische Chemiker Ascanio Sobrero das Nitroglycerin. Dieser Salpetersäuretriester ist eine farblose, geruchlose und schlecht wasserlösliche Flüssigkeit, die stark stoß- und erschütterungsempfindlich ist. Die umgangssprachlich auch als „Sprengöl“ bezeichnete Stickstoff-Sauerstoff-Verbindung, explodiert bereits bei einem Fallhammerversuch mit einem 2-kg-Fallhammer aus einem Zentimeter Höhe. Die Flüssigkeit wird dabei in extrem kurzer Zeit vollständig in gasförmige Produkte umgewandelt, was zu einer massiven Volumenausdehnung führt, die wir als Explosion bezeichnen.

Schnitt durch eine Dynamitstange

Bereits in den 1860er Jahren wurde umfangreich mit diesem neuen Wundersprengstoff experimentiert, so auch in den Harzer Bergwerken. Nitroglycerin steigerte zwar die Wirtschaftlichkeit der Gruben, brachte jedoch auch erhebliche Risiken mit sich. Schon allein sein Transport war stark risikobehaftet, seine Anwendung in den Gruben nicht weniger. Zahlreiche Unfälle in den Harzer Bergwerken, mit dramatischen Folgen, verlangten nach technischen und technologischen Veränderungen. Bergrat Friedrich Schell, nahm diese Unfälle sehr ernst und führte eine für die damalige Zeit unübliche Unfallstatistik. Deren Ergebnisse veranlassten den Beamten, sich dieses Problems anzunehmen. Friedrich Schells Intension war, das gefährliche Sprengöl zu binden, damit es kontrollierter gehandhabt werden konnte. Und er meisterte sein Vorhaben mit Bravour! Schell nahm Pochsand (stark zerstoßenes Erzgestein), füllte ihn in wachsgetränkte Papphülsen und tränkte diese Patrone mit Nitroglycerin. Die schnelle Neigung zur Explosion wurde dadurch erheblich dezimiert und Bergrat Schell konnte sich als Erfinder der Sprengpatrone ansehen, was er aber wohl nicht tat.

Ebenfalls zu jener Zeit experimentierte der aus wohlhabendem Hause stammende schwedische Physiker und Chemiker Alfred Nobel mit dem Sprengstoff Nitroglycerin. Seine Bestrebungen und Versuche waren jedoch wenig erfolgreich, im Gegenteil, sie forderten mehrere Menschenleben, unter anderem auch das seines Bruders Emil. Nobel hatte wohl keine besondere technische Ader, seine Begabungen lagen eher im naturwissenschaftlichen und kaufmännischen Bereich. Die Schwedische Regierung verbot ihm den Weiterbetrieb seiner Laboratorien in Stockholm so dass Nobel im Jahre 1865 sein Labor und seine Fabriken an den Vinterviken am Mälaren im Westen Stockholms verlegte. Eine ähnliche Anlage baute er in Deutschland bei Krümmel (Schleswig-Holstein), nahe Hamburg. Noch im gleichen Jahr gelang ihm die Massenproduktion von Nitroglycerin, bei der es jedoch ebenfalls zu einer Reihe schwerer Unfälle kam.

Wohl um von neuen Ideen inspiriert zu werden unternahm Alfred Nobel Reisen durch Deutschland, wobei er auch den Harz besuchte. Es kann angenommen werden, dass er vom Einsatz des Nitroglycerins im dortigen Bergbau erfahren hatte. Dort traf er auch mit Bergrat Friedrich Schell zusammen und lernte dessen Verfahren kennen. Wie es in den Quellen heißt, soll er davon sehr angetan gewesen sein. Nobel tauschte dann den Pochsand gegen Kieselgur aus, dass bezüglich seiner Grobporigkeit noch besser geeignet war, den flüssigen Sprengstoff aufzusaugen. Über das Zustandekommen dieser Idee gibt es keine verlässlichen Informationen, sondern nur Mythen. Wie dem auch sei, Nobel hatte die Vorzüge dieser breiigen Masse erkannt und nannte es Dynamit. Dann meldete er diesen Sprengstoff weltweit zum Patent an. Den Ideengeber Friedrich Schell bedachte er dabei jedoch nicht.

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Alfred Nobel wurde mit der Erfindung des Dynamits, die nicht die seine war, weltbekannt und auch für damalige Verhältnisse sehr reich. Mit seinem Dynamit, sowie der gleichfalls von ihm stammenden Sprenggelatine, revolutionierte er die gesamte Schusstechnik, von der Pistole bis zur Kanone. Bergrat Friedrich Schell aus Clausthal hingegen, dem der Lorbeerkranz gebührt hätte, ist in Vergessenheit geraten.

Nobel, der kinderlos blieb, tat dennoch mit seinem erworbenen Vermögen noch viel Gutes. Am Ende seines Lebens veranlasste er, dieses in eine Stiftung einzubringen. 94 % seines Vermögens in Höhe von 31,2 Millionen Kronen führte er ein Jahr vor seinem Tod der Nobelpreis-Stiftung zu.

Nobel bestimmte, dass die Zinsen aus dem Fonds jährlich als Preis an diejenigen ausgeteilt werden sollen, „die im vergangenen Jahr der Menschheit den größten Nutzen erbracht haben“, und zwar zu gleichen Teilen an Preisträger auf fünf Gebieten: Physik, Chemie, Physiologie oder Medizin, Literatur und Frieden („ein Teil an denjenigen, der am meisten oder am besten auf die Verbrüderung der Völker und die Abschaffung oder Verminderung stehender Heere sowie das Abhalten oder die Förderung von Friedenskongressen hingewirkt hat“). Nobel hob besonders hervor, dass die Nationalität keine Rolle spielen dürfe, vielmehr solle der Würdigste den Preis erhalten. Er regelte auch, dass die Königliche Schwedische Akademie der Wissenschaften, deren Mitglied er war, die Auszeichnungen für Physik und Chemie, das Karolinska-Institut die Auszeichnung für Physiologie oder Medizin und die Schwedische Akademie den Nobelpreis für Literatur vergeben sollten. Während es sich bei den genannten um wissenschaftliche Institutionen handelt, ist für die Vergabe des Friedensnobelpreises das Norwegische Nobelpreiskomitee zuständig, eine vom norwegischen Parlament bestimmte Kommission.

Die Nobelpreise, die seit 1901 jährlich verliehen werden, gelten heute in den jeweiligen Kategorien als die höchsten Auszeichnungen weltweit. Seit 1968 gibt es außerdem den Alfred-Nobel-Gedächtnispreis für Wirtschaftswissenschaften (Wirtschaftsnobelpreis), den die Schwedische Reichsbank zu ihrem 300-jährigen Bestandsjubiläum gestiftet hat. Er wird gemeinsam mit den Nobelpreisen vergeben, ist gleich dotiert und unterliegt ähnlichen Vergabekriterien.




Der erste Raketenversuch der Neuzeit

Es war einmal, so fangen fast alle Märchen an. Ich möchte Ihnen jedoch kein Märchen erzählen, sondern Ihnen von dem ersten Raketeneinsatz berichten.

BuchcoverEs war einmal ein junger Pilot namens Rudolf Nebel, der 1894 in Weißenburg/Bayern geboren worden war. Er hatte bereits einige Semester Ingenieurswissenschaften an der Tu München studiert, als er mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges als Soldat eingezogen wurde. Auf Grund seiner technischen Vorbildung wurde er ab Januar 1916 zum Jagdpiloten ausgebildet. Er diente unter Oberleutnant Hans Berr in der Jasta 5. Nach einem Luftgefecht schwer verletzt, kam Nebel in ein Lazarett. Dort hatte er Zeit um über seinen Luftkampf nachzudenken. Hatte er Fehler gemacht, was hätte er besser machen können, wie könnte er solch einer Situation beim nächsten Mal seinen Stempel aufdrücken?  Er erkannte, dass es überaus nützlich wäre, die Angriffsdistanz während eines Luftkampfes vergrößern zu können., was jedoch mit den damals üblichen Maschinengewehrwaffen nicht möglich war. So begann er über neue Waffensysteme nachzugrübeln: Dabei kam ihm wieder in den Sinn, wie sein Mathematiklehrer einst von alter chinesischer Kriegsführung mittels Raketen berichtet hatte. Demnach setzte die Chinesen Im Krieg gegen die Mongolen, in der Schlacht von Kaifeng im Jahr 1232 eine Art Rakete ein. Sie sollen eine Vielzahl simpler, von Schwarzpulver angetriebener Flugkörper auf die gegnerischen Mongolen abgefeuert haben. Eine Idee, die Rudolf Nebel faszinierte und die er ausprobieren wollte. Noch im Lazarett fertigte er Zeichnungen und Skizzen und stellte Berechnungen an. Wieder genesen und zurück bei seiner Einheit, machte er sich ans Werk. Für sein Raketenprojekt verwendete er simple Ofenrohre, die er mit Infanterie-Signalraketen bestückte. Die so hergestellten Raketenwerfer montierte er unter die Tragflächen seines Halberstadt-Doppeldeckers. Vom Zündmechanismus verlegte er ein Kabel in sein Cockpit, und installierte einen Zündschalter, an den er das Kabel anschloss.

„Die Teufelsinstrumente unter meiner Halberstadt erschien allen unheilvoll. Diese kommende Nacht konnte ich kaum schlafen“, schrieb Nebel darüber. Am folgenden Tag erhielt die Jasta 5, zu der Leutnant Nebel gehörte, den Einsatzbefehl. Folgende Schilderung von ihm über diesen Einsatz ist überliefert: „25 Flugzeuge stiegen auf. Ich achtete nicht mehr auf meine Staffelkameraden, die schneller steigen konnten, als mein Flugzeug mit seinen vier Ofenrohren. Zu Überlegungen war keine Zeit. Ich flog direkt auf einen feindlichen Verband zu und drückte automatisch auf einen kleinen Knopf am Steuerknüppel. Es war eine enorme Entfernung (über 328 Fuß =110m), verglichen mit dem üblichen Gefechtsbereich. Unter meinen Tragflächen tanzte ein Feuerwerk, dann schoss ein riesiger Rauschschweif durch die englische Schwadron. War ich erfolgreich? Tatsächlich! Ein englischer Pilot führte mit seinem Doppeldecker einen Sturzflug durch und landete auf dem nächsten Feld. Ich folgte ihm, indem ich abdrosselte und etwa 20 m entfernt landete. Der Tommy versuchte nicht den Trick, sich zu ergeben und dann im letzten Moment zu entkommen. Die neue Waffe hatte ihn derart erschreckt, dass er sich ohne Widerstand ergab. Acht Tage später entdeckte ich, dass die Ofenrohre mehr als nur eine moralische Wirkung hatten. Während dieser Operation zerschoss ich den Propeller einer feindlichen Maschine, die abstürzte.“ Dies war wohl der erste Raketeneinsatz der Neuzeit, auf jeden Fall jedoch der erste von einem Flugzeug aus.

Eine Woche später entging Leutnant Nebel nur knapp einer Katastrophe. Er hatte seinen Raketenwerfer unter die Tragflächen einer Albatros D III montiert. Beim Raketenabschuss entzündeten die heißen Brenngase der Rakete die Tragflächen. Nebel musste eine Bruchlandung hinlegen und hatte Glück, dass er nur leichte Verletzungen davontrug. Nach diesem Vorfall wurden weitere Versuche und Experimente in der Staffel verboten; Piloten waren äußerst wertvoll und das Risiko durch Eigenverschulden Pilot und Maschine zu verlieren war den Vorgesetzten dann wohl doch zu hoch.

Der junge Kampfpilot Hermann Göring, der später Oberbefehlshaber der deutschen Luftwaffe wurde, schuf in einem Bericht an das Oberkommando einen prägenden Begriff für den Raketenpionier: Nebelwerfer. Von diesem Begriff wurde im 2. Weltkrieg der Name der deutschen Granatwerfer abgeleitet, die man als Nebelwerfer bezeichnete.

Nach dem Krieg beendete Nebel sein Ingenieurstudium und wurde zu einem der bedeutendsten Raketen- und Raumfahrtpioniere der 1920er und 30er Jahre. 1934 im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch verhaftet und von jeglicher Raketenentwicklung auf Lebenszeit ausgeschlossen, gründete Nebel ein Ingenieurbüro. Erst nach Kriegsende konnte er sich erneut der Raketen- und Raumfahrtforschung zuwenden.