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Willkommenskultur

Dieses Wort hat sicherlich gute Aussichten das Wort des Jahres zu werden. Das wäre sehr positiv zu bewerten, nachdem in den letzten Jahren solche Stuss-Worte wie Grexit, Groko, Wutbürger oder auch Sarrazin-Gen das Rennen gemacht haben. Endlich mal wieder kein Wordkonstrukt, kein Kunstwort oder Unwort – was wollen wir mehr?! Ein deutsches Wort, dass positive Emotionen auslöst. Oder auch nicht!?

Bekommen wir Besuch von Freunden oder Verwandten, so ist die Freude meist groß. Wollen diese jedoch ihren Besuch über Wochen ausdehnen so wird aus Freude schnell Frust. Wird das mit den Flüchtlingen auch so sein? Bleibt der Besuch längere Zeit, so sollte er sich den Gewohnheiten der Gastgeber schon etwas anpassen, um Unstimmigkeiten zu vermeiden. Bedenken wir: Noch vor nicht allzu langer Zeit lebten Familien mit mehreren Generationen unter einem Dach zusammen. Das Familienoberhaupt bestimmte die Geschicke der Großfamilie. Heute dagegen sind wohl mehr als 50 Prozent aller Haushalte Singlehaushalte – die Mehrgenerationenhaushalte sind fast ade. Unsere modere Gesellschaft lässt uns jedoch leider oftmals keine Alternative – Job und Familie zu vereinbaren wird zunehmend schwerer. Natürlich hat an dieser Situation nicht nur die Gesellschaft Schuld, sondern auch jeder einzelne. Es fällt uns zunehmend schwerer Eigenverantwortung zu übernehmen: allzu gern delegieren wir diese an andere oder am besten an den Staat. Schuld wird immer bei anderen gesucht, nie bei sich selbst.

Nun hat uns eine Flüchtlingsbewegung überrollt, die durchaus die Dimension einer Völkerwanderung einnimmt. Um es vorwegzunehmen, ich finde es richtig und notwendig, den hier gestrandeten Flüchtlingen ohne Einschränkung Hilfe zukommen zu lassen. Dazu hat auch unser Bundespräsident in seiner Weihnachtsansprache einen Meinungsstreit angeregt, jedoch in Form eines Lösungsstreites und nicht einer Grundsatzdebatte. Da bin ich mal mit ihm einer Meinung, was nicht immer so ist.

Festzuhalten ist zunächst ein totales Politikversagen: Seit vielen Jahren wird vor Massenwanderungen von Völkern oder Volksgruppen gewarnt und als Hauptgründe wurden Hunger und Wassermangel prognostiziert. Nicht viel hat jedoch die „Westliche Welt“ gegen diese prognostizierte Gefahr getan. Der Krieg in Syrien hat seine Anfänge im März 2011. Die Politik hat weggeschaut: 2011, 2012, 2013 und auch 2014. Auch die Flüchtlingsströme über das Mittelmeer nach Italien und Griechenland haben wir geflissentlich in Deutschland ignoriert. Besser gesagt, hat unsere deutsche Politik das Problem ignoriert: Das Dublin-Abkommen sicherte ja das Asylverfahren, dort wo die Flüchtlinge in Europa ankamen mussten sie sich registrieren lassen und auch ihren Asylantrag stellen. Kein Grund zum Handeln für Deutschland, denn hier konnten Flüchtlinge nicht erstmals EU-Gebiet betreten. Die Politik hat das Flüchtlingsproblem jahrelang ausgesessen und auch keinerlei Vorsorgemaßnahmen getroffen, obwohl das Dilemma klar absehbar war.

Plötzlich und unerwartet setzte dann im Sommer 2015 der Flüchtlingsstrom aus der arabischen Welt und aus den riesigen Flüchtlingslagern in der Türkei und im Libanon über Osteuropa ein. Mir fallen dazu nur die Worte Verantwortungslosigkeit, Ignoranz und Unfähigkeit ein. Im Informationszeitalter, in dem auch die Menschen in Afrika und Asien über Smartphone das Weltgeschehen verfolgen können, war das absehbar, war das unvermeidbar!

Sie kamen und sie kommen aus aller Herren Länder: Kriegsflüchtlinge aus Syrien und anderen Ländern, und Menschen, die einfach nur ein besseres Leben führen wollen. Wer kann es ihnen verdenken? Unsere Politik bezeichnet letztere als Wirtschaftsflüchtlinge.

Sie kamen und kommen und sie sind durch nichts aufzuhalten: Millionen. Unserer Bundeskanzlerin, blieb wohl keine Wahl: „Wir schaffen das!“ war ihre Antwort. Und eine große Anzahl Deutscher begann sich für die Flüchtlinge zu engagieren – ehrenamtlich. Die „Willkommenskultur“ kam auf – eine tolle Sache! Es wird jedoch in der Zukunft nicht reichen getragene Sachen abzugeben, einige Euro auf ein Spendenkonto zu überweisen und geflissentlich an Willkommens-Demos teilzunehmen. Viele Bürger – sehr viele – engagieren sich auch in direktem Kontakt mit den Flüchtlingen; sie helfen ihnen bei den alltäglichen Dingen, die so neu und anders für sie sind. Diese Hilfe ist toll und notwendig! Doch wie soll es weitergehen, bei über einer Million Flüchtlinge in diesem Jahr in unserem Land und ein Ende ist nicht abzusehen. Die vielen Ehrenamtlichen haben zumeist nur einen begrenzten zeitlichen Hilfshorizont. Sie müssen sich wieder ihren Familien und/oder ihrer Arbeit zuwenden. Was wird dann aus den Hilfsbedürftigen? Und können immer noch mehr kommen? Ich denke wir haben die Obergrenze des machbaren so langsam erreicht.

Ein Mensch, der aus einer ganz anderen Kultur zu uns kommt, ist wohl am ehesten mit einem Kind zu vergleichen. Man freut sich das es kommt, wenn es da ist, jedoch wohlwissend, dass man sich nun mindestens 20 Jahre darum kümmern müssen wird; oftmals sogar ein Leben lang. Daher haben Familien bei uns auch nur noch eine begrenzte Anzahl von Kindern – ein bis drei sind wohl die Regel. Ein Kind muss die Sprache lernen, die Kultur und das Sozialverhalten, sowie das weitere notwendige Rüstzeug für das Leben, wozu auch umfangreiche Bildung gehört. Dabei geht es den Kindern wie den Flüchtlingen, kümmert man sich nicht genug um sie, gibt man ihnen nicht das notwendige Rüstzeug fürs Leben, so werden es beide schwerhaben in ihrer Entwicklung.

Doch wer soll sich entsprechend intensiv um die gewaltige Anzahl von Flüchtlingen kümmern und das über sehr lange Zeit? Die Politik bleibt dazu bisher jede Antwort schuldig: Alles nach dem Motto „Wir schaffen das!“ Böse Zungen könnten auch sagen: Las mal die anderen machen, also die Freiwilligen, also das Volk. Verantwortlich und zuständig dafür ist jedoch die Politik, das Volk muss bereits die Zeche zahlen.

Aus dieser Situation, die sich im Moment als erbärmlich hilflos darstellt, ist eine gewisse gesellschaftliche Spaltung entstanden. Die einen predigen die Willkommenskultur und sehen alles durch eine rosarote Brille. Die anderen haben Ängste entwickelt, die real und nachvollziehbar sind, und sehen alles schwarz. Dazwischen ist Leere! Wo ist die Mitte unserer Gesellschaft geblieben? Wo sind die fürsorglichen Eltern, die versuchen ihr Bestes zu geben bei der Erziehung ihrer Kinder und trotzdem Ängste und Sorgen, aber auch Hoffnung und Zuversicht haben?

Stattdessen politisches Halligalli! Doch die Probleme sind zu groß und zu nachhaltig, um sie schnödem Parteiengeplänkel oder sogar Wahlkampf- Fantasien zu opfern. Ich habe mich vor Jahren aus der aktiven Lokalpolitik zurückgezogen, weil dieses Verhalten selbst auf dieser Ebene für mich unerträglich wurde. Gute Ideen vom politischen Gegner, das geht gar nicht. Die müssen verrissen werden oder aber, wenn es nicht anders geht, mit etwas Zeitabstand und ganz leicht abgewandelt, als die eigenen verkauft werden. Jedoch ist derzeit keine der sogenannten etablierten Parteien bereit, dieses parteipolitische Geplänkel, diesen Parteienpopulismus zu unterlassen.

Flüchtlinge sind Menschen! Sie sind so gut und so schlecht, wie wir Deutschen auch. Jedoch haben sie, sofern sie aus einem nichtchristlichen Kulturkreis stammen, eine vollständig andere Erziehung genossen und auch ihre Bildung ist weitgehend nicht mit unserer zu vergleichen. Sie verstehen uns also nicht nur sprachlich nicht! Wenn wir ihnen wirklich helfen wollen, hier in Deutschland, in Europa, eine Zukunft zu haben, so müssen wir ihnen unsere Kultur, unsere Werte, aber auch unsere Gesetze vermitteln. Wir müssen dabei akzeptieren, dass dies nicht nur auf freiwilliger Basis geht. Wieder bietet sich der Vergleich zu unseren Kindern an!

Auch müssen wir aufhören unsere Gesellschaft zu spalten. Nicht jeder der an der Flüchtlingspolitik Kritik äußert ist ein Rechter und nicht jeder der Flüchtlinge willkommen heißt ein Linker. Ein altbekannter Slogan muss wieder Gewicht bekommen: Fördern und Fordern.

Auch müssen wir wohl akzeptiere, dass nicht alle die kommen auch hierbleiben können. Asyl muss nicht zwangsweise ein Dauerzustand sein.

Keiner kennt die genauen Zahlen, wieviel Flüchtlinge in Afrika und Asien unterwegs sind. Die Meinungen gehen da weit auseinander, weshalb ich keine Zahl angeben möchte. Aber es sind sicherlich Zahlen, die weit in die zweistellige Millionenhöhe hineingehen. Und es werden nicht weniger werden, in den kommenden Jahren und Jahrzehnten. Auch nicht wenn der Krieg in Syrien ein Ende finden würde. Wohl selbst dann nicht wenn es kaum noch Kriege geben würde auf dieser Welt, was recht utopisch klingt. Im Informationszeitalter sehen nun auch die Menschen in den Entwicklungs- und Schwellenländern, dass Menschen in anderen Ländern (z.B. in Europa) ein freies und besseres Leben führen. Sie werden sich weiterhin aufmachen um daran teilzuhaben. Zudem ist eine moralische Frage nicht auszublenden: Können und sollten wir die Stärksten, Begabtesten, Mutigsten und Bestausgebildeten für immer ihren Heimatländern entziehen? Wie sollen diese Länder dann jemals wieder auf die Beine kommen, sich entwickeln?

Wir müssen darüber reden – diskutieren – ohne dass gleich die Moralkeule geschwungen wird und unsere historische Verantwortung als Totschlagsargument herangezogen wird. Wenn wir diese Diskussion nur den Extremen aus beiden Lagern überlassen, werden wir scheitern! Wir müssen zu akzeptieren lernen, dass linkes und rechtes Gedankengut zu einer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft dazugehört. Wir müssen damit umzugehen lernen und uns friedlich damit auseinander- setzen, so wie es uns die anderen europäischen Länder, die USA, Kanada und Japan schon lange vorleben. Auch müssen wir die anderen europäischen Länder mit ins Boot holen – jedoch ohne zu missionieren, denn das mögen diese nicht – sonst scheitert unser Plan von Europa. Und wir sollten zudem darüber nachdenken, warum die anderen Länder eine andere Einstellung zur Flüchtlings- und Asylpolitik haben als wir. Wir sollten uns nicht weiter anmaßen und die Auffassung vertreten, als Einzige die richtigen Lösungen zu haben. Erkenntnisgewinn von anderen, die besseren Lösungen haben, ist in Wirtschaft und Wissenschaft übliche Praxis: Mann nennt das Benchmarking. Die Politik muss beginnen zu Differenzieren und Abzuwägen: Politik, das ist das Abwägen von Vor- und Nachteilen, um dann die richtige Entscheidung treffen zu können. Und wir alle müssen integrativ sein!

Integration, das ist so ein Wort, dass in aller Munde ist. Wenn wir nun einmal Wikipedia heranziehen so versteht man darunter: „Der Begriff Integration ist vom lateinischen integratio (Erneuerung) abgeleitet und bedeutet in der Soziologie die Ausbildung

  • einer Wertgemeinsamkeit mit einem Einbezug von Gruppierungen, die zunächst oder neuerdings andere Werthaltungen vertreten, oder
  • einer Lebens- und Arbeitsgemeinschaft mit einem Einbezug von Menschen, die aus den verschiedensten Gründen von dieser ausgeschlossen (exkludiert) und teilweise in Sondergemeinschaften zusammengefasst waren.

Integration hebt den Zustand der Exklusion und der Separation auf und beschreibt einen dynamischen, lange andauernden und sehr differenzierten Prozess des Zusammenfügens und Zusammenwachsens. Der Gegenbegriff hierzu ist Desintegration.

Das heißt allgemeinverständlich: Wir müssen mit den Flüchtlingen eine Wertegemeinschaft eingehen. Diese definiert sich bei uns in erster Linie über unsere Gesetze. Beide Seiten sind daher für eine Integration gleichermaßen verantwortlich, keine kann bei diesem Prozess jedoch die Gesetze außer Acht lassen. Wer dies trotzdem tut, den muss unsere Staatsmacht zur Rechenschaft ziehen – ohne Wenn und Aber. Und auch klipp und klar: Wer nicht die deutsche Staatsbürgerschaft hat und sich der Integration nachweislich verweigert, der muss Deutschland wieder verlassen.

Packen wir es also an, denn es bleibt uns wohl derzeit keine Alternative. Und die Politik fordere ich auf, Lösungen zu präsentieren! Sicherlich wird nicht jede Entscheidung den gewünschten Erfolg bringen, dann müssen Korrekturen vorgenommen werden. Wir Bürger akzeptiere durchaus, dass auch Politiker Fehler machen. Doch nichts Tun und alles laufen lassen, kann keine Lösung sein. Ich glaube fest daran: Bildung heißt das Zauberwort. Für unsere Kinder haben wir die Schulpflicht gesetzlich geregelt. Für die Flüchtlinge benötigen wir einen ausgeklügelten Bildungskanon. Um ihn umzusetzen ist viel Geld, Engagement und Zeit erforderliche. Ich wünsche uns allen viel Erfolg und ein gutes Jahr 2016!