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Große Entdecker und Erfinder – Kokainentdecker Albert Niemann

In loser Folge möchte ich in nächster Zeit einige bedeutende deutsche Entdecker, Erfinder und Ingenieure vorstellen, deren Leistungen wir zwar alle kennen, die uns jedoch als Persönlichkeiten weitgehend unbekannt geblieben sind.
Wir jubeln Künstlern zu, Dichtern und Schriftstellern, mitunter auch religiösen Führern oder Politikern. Doch wer bejubelt schon Entdecker, Erfinder oder Ingenieure? Bereits seit Beginn der Industriellen Revolution weisen Technikphilosophen auf die Bedeutung von Entdeckertum und Ingenieurkunst hin, geändert hat sich jedoch bis heute nicht viel.

Albert Niemann – der Kokainentdecker
Schon bei den frühen Entdeckungsreisen, über den Altlantik, nach Südamerika wurden Entdecker auf den Cocastrauch aufmerksam. Die Einheimischen kauten die Blätter des Strauches. Für sie waren die Blätter Genussmittel und Nahrungsergänzungsmittel zugleich, zudem wurden sie für kultische und medizinische Zwecke genutzt.
Die ersten Cocasträucher kamen 1750 aus Südamerika nach Europa. Die Wirkung der Blätter faszinierte, jedoch war die Chemie noch nicht in der Lage die Wirkstoffe zu analysieren. Das tat als erster Albert Niemann im Jahr 1859/60.
Albert Friedrich Emil Niemann wurde am 20.Mai 1834 als Sohn eines Lehrers in Goslar geboren. 1849 wurde er Lehrling in der Göttinger Ratsapotheke. Nach Abschluss seiner Lehre begann Niemann 1852 an der Universität Göttingen Pharmazie und Botanik zu studieren. Zudem besuchte er Vorlesungen zur Chemie bei Prof. Dr. Friedrich Wöhler. Um seine Studien zu finanzieren arbeitete er bis 1858 in der Krankenhausapotheke in Linden bei Hannover. In jenem Jahr begann Albert Niemann auch sein pharmazeutisches Staatsexamen an der Universität Göttingen abzulegen. Dazu besuchte er auch Vorlesungen in Physik und Mineralogie. Zudem erhielt er die Möglichkeit als Assistent im Labor von Prof. Wöhler tätig zu sein.
Der österreichische Abenteurer Karl von Scherzer brachte 1859 von der Novara-Expedition auf Bitten Wöhlers einen Ballen Kokablätter nach Göttingen mit. Die Novara-Expedition (1857–59) war die erste und einzige groß angelegte Weltumsegelungsmission der Kaiserlich Österreichischen Kriegsmarine. Weltweit bekannt wurde sie durch die später als Bestseller in mehreren Sprachen veröffentlichten Berichte über die wissenschaftliche Ausbeute der Reise.

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Bedingt durch sein Studium der Pharmazie und Botanik begann sich Niemann für die Cokablätter zu interessieren. Er isolierte 1860 als erster das Kokain in kristalliner Form aus diesen Kokablättern und gab ihm seinen Namen. Bei genaueren Untersuchungen stellte er unter anderem fest, dass es bei 98 °C schmilzt und beim weiteren Erhitzen in Salz- und Benzoesäure sowie Methanol und Ekgonin zerfällt.

Albert Niemann konnte seine Untersuchungen nicht vollenden und musste schwerkrank zu seiner Familie nach Goslar zurückkehren, wo er kurze Zeit später mit nur 26 Jahren am 19.01.1861 verstarb. Wahrscheinliche Todesursache war eine Vergiftung mit Senfgas, mit dessen Erforschung sich Niemann vor seinen Kokain-Studien intensiv beschäftigt hatte. In seiner Arbeit „Ueber die Einwirkung des braunen Chlorschwefels auf Elaylgas“ beschreibt er ein „dem Meerettichöl gleichendes und mit einem ähnlichen, wenn nicht so heftigen penetranten Geruch begabtes Öl“. Wahrscheinlich handelt es sich um Dichlordiäthysulfid, eine hochgiftige Substanz. Niemann erforschte und beschrieb diese Substanz und wurde auch ihr erstes Opfer, bevor sie als Senfgas (chemisches Kampfmittel) im 1. Weltkrieg eingesetzt wurde und tausenden Soldaten das Leben kostete.

Nach seinem Tod führte sein Kollege Wilhelm Lossen (1838–1906) seine Arbeiten weiter und bestimmte 1862 die Summenformel des Kokains C17H21NO4. Im 1879 Jahr entdeckte Vassili von Anrep (1852–1927) an der Universität Würzburg die schmerzstillende Wirkung des Kokains. Um 1884 kam es als lokales Anästhetikum in Deutschland in klinischen Gebrauch. ungefähr zur selben Zeit, als Sigmund Freud über dessen Wirkungen in seinem Werk über Coca schrieb: „Die psychische Wirkung des Cocainum mur. in Dosen von 0,05 bis 0,10 Gramm besteht in einer Aufheiterung und anhaltenden Euphorie, die sich von der normalen Euphorie des gesunden Menschen in gar nichts unterscheidet. Es fehlt gänzlich das Alterationsgefühl, das die Aufheiterung durch Alkohol begleitet, es fehlt auch der für die Alkoholwirkung charakteristische Drang zur sofortigen Betätigung. Man fühlt eine Zunahme der Selbstbeherrschung, fühlt sich lebenskräftiger und arbeitsfähiger; aber wenn man arbeitet, vermisst man auch die durch Alkohol, Tee oder Kaffee hervorgerufene edle Excitation und Steigerung der geistigen Kräfte. Man ist eben einfach normal und hat bald Mühe, sich zu glauben, dass man unter irgendwelcher Einwirkung steht.“
In den folgenden Jahrzehnten fand Kokain Eingang in zahlreiche medizinische Anwendungen. In der ersten Rezeptur des Erfrischungsgetränks Coca-Cola war bis 1906 einen Extrakt aus Cocablättern (und erhielt so seinen Namen) enthalten, sodass ein Liter Coca-Cola rund 250 Milligramm Kokain enthielt. Auch heute enthält Coca-Cola noch – allerdings nichtalkaloide – Inhaltsstoffe der Cocablätter. Auch sonst war Kokaingebrauch im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Europa weit verbreitet und legal. Die Gefährlichkeit der Substanz wurde nur allmählich erkannt, denn Kokain ist eine Rauschdroge mit hohem psychischen aber keinem physischen Abhängigkeitspotenzial.




Krebszellen erkennen – bevor sie Metastasen ausbilden

Bisher war es schwierig, Krebszellen im Blut nachzuweisen. Auf eine solche Zelle kommen etwa geschätzt eine Milliarde gesunde Zellen – die Nadel im Heuhaufen. Dennoch ist es von sehr großer Bedeutung die Anzahl der Krebszellen festzustellen und diese möglichst zu isolieren. Viele bereits erkannte Tumore streuen auch: Dabei wandern einzelne Krebszellen eine Zeit lang mit dem Blutstrom durch den Körper, bevor sie sich in neuem Gewebe einnisten. So können neue Metastasen entstehen, selbst nachdem der Haupttumor erfolgreich bekämpft wurde.

Forscher des Karlsruher Institutes für Technologie (KIT) und des Münsterschen Zentrums für Nanotechnologie (CeNTech) haben nun in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) ein klinisches Verfahren entwickelt, mit dem sie einzelne Krebszellen in Blutproben sicher nachweisen und isolieren können. Der besondere Nutzen der neuen Nachweis-Technologie liegt darin, das die Anzahl der herausgefilterten Tumorzellen Auskunft darüber gibt, ob eine Therapie erfolgreich war. Zudem lassen sich aus diesem Nachweis Rückschlüsse auf den zukünftigen Krankheitsverlauf ableiten. Zusätzlich gestattet die genetische Analyse der isolierten Krebszellen die Ableitung maßgeschneiderter Therapien für die jeweilige Krebsart.

„Mit unserer Methode erzielen wir eine sehr hohe Trefferquote: Über 85 Prozent der ausgefilterten Zellen sind tatsächlich Krebszellen, zudem können wir die verdächtigen Zellen unbeschadet entnehmen und näher untersuchen“, so Michael Hirtz, dessen Forschungsgruppe am Institut für Nanotechnologie (INT) des KIT entscheidend an der Entwicklung beteiligt war. Die entsprechenden Tests mit Patientenblut führen Forscher um Klaus Pantel am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf durch. Darüber hinaus soll das Verfahren auf alle Anwendungsfälle übertragbar sein, in denen es darum geht, seltene, in Blut oder anderen Körperflüssigkeiten zirkulierende, Zellen zu isolieren.

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Das Herzstück der neuen Methodik bildet ein modernes molekularbiologisches Untersuchungssystem (Mikroarray), das parallele Analyse von mehreren tausend Einzelnachweisen in einer geringen Menge biologischen Probenmaterials erlaubt. Diese Mikroarrays werden umgangssprachlich auch als Gen- oder Biochips bezeichnet. Die Forscher erstellen dazu eine Art Andockstation für die Krebszellen. Dazu setzen sie die „Polymer Pen Lithografie“ ein, indem mit einem Kunststoffstempel mikroskopisch kleine Oberflächenstrukturen in Schlossform geschaffen werden. Die zu untersuchende Blutprobe wird dann durch einen flachen Mikrokanal geleitet, der über die Andockstation hinwegfließt. Damit möglichst viele Zellen mit dem Array-System in Berührung kommen, verwirbelt eine fischgrätenartige Struktur an der Decke des Mikrokanals die vorbeiströmende Flüssigkeit ständig. „Während die Tumorzellen an den präparierten Stellen nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip andocken, werden die übrigen Zellen einfach vorbeigespült“, erklärt Hirtz das Prinzip. Um die Arrays – also die Schlösse – nicht für jede Anwendung austauschen zu müssen, geben die Wissenschaftler allen Zielstellen eine Art Generalschlüssel mit: das Vitamin Biotin. Dieses wird zuvor über spezielle Antikörper an die Oberflächen der Zielzellen gekoppelt.

Wie das KIT informiert, ist das Verfahren noch in der Entwicklung und daher nicht volloptimiert. „Dennoch ist es zum Teil jetzt schon nachweisempfindlicher als die bekannten Standardmethoden. Darüber hinaus erleichtert es die medizinische Feindiagnose der Zellen“, unterstreicht Harald Fuchs, Abteilungsleiter am Institut für Nanotechnologie. Die Forscher arbeiten nun an einem, in der Klinik einsetzbaren, Prototypen des Testgerätes. Dabei erhalten sie Unterstützung vom Europäischen Forschungsrat über das Förderprogramm „Proof of Concept“.