Als Bionik bezeichnet man eine multidisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Erforschung und Entschlüsselung von Konstruktionen und Prozessen der belebten Natur beschäftigt und versucht, aus den gewonnenen Erkenntnissen innovative Techniken zu entwickeln. Bionik ist ein Kunstwort, gebildet aus Biologie und Technik. Es ist eine recht junge Wissenschaft, der erst durch den Einsatz leistungsfähiger Rechnersysteme der Durchbruch gelang.
Wir werden von der Bionik in Zukunft noch einiges zu erwarten haben, sie wird diese mitgestalten, wenn nicht sogar prägen. Energiegewinnung mit Hilfe dieser Wissenschaft, ist jedoch vorerst nicht in nennenswerten Größenordnungen zu erwarten – aber auch dies wird kommen, da bin ich mir ganz sicher. Obwohl – israelische Forscher haben im schwarz-gelben Panzer der orientalischen Hornisse Pigmente gefunden, die aus Sonnenlicht Strom erzeugen können. Das sind praktisch tierische Solarzellen, die eine echte Spannung produzieren. Allerdings ist den Forschern wohl bisher noch nicht klar, wofür die Hornissen diesen Strom benötigen.
Von der Natur abgeschaute Techniken und Technologien können allerdings eine Menge zur Energieeinsparung beitragen. Beispielsweise können Fahrzeuge aller Art durch verbesserte aerodynamische Eigenschaften sowie durch Reduzierung des Reibungswiderstandes Kraftstoff sparen. Durch die Natur inspirierte Dämmungssysteme können Wärme- und Kälteverluste mindern helfen. Termitenbauten werden erforscht, um Lüftungssysteme zu optimieren. Durch Erforschung und Analyse von Konstruktionen der Natur kann der Leichtbau vorangetrieben werden.
Dabei ist die Bionik nicht neues, als ihr großer Vordenker gilt Leonardo da Vinci. Auch haben sich die Menschen in vor- und frühgeschichtlicher Zeit schon an der Natur orientiert und sich Inspirationen von ihr geben lassen. Besonders bei der Entwicklung von Fluggeräten haben sich später dann die Pioniere der Luftfahrt am Vogelflug orientiert.
Heute, als anerkannte Wissenschaft, ist die Bionik an vielen Entwicklungsprozessen beteiligt: Bei der Entwicklung neuartiger Profile für Autoreifen, bei spinnfüßigen Robotern, bei der Selbstreinigung von Oberflächen durch den Lotuseffekt, bei der Konstruktion und Strukturoptimierung von Bauteilen aller Art durch Anlehnung an Knochen- und Pflanzenstrukturen. Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortführen.
Ebenso ist der allseits bekannte und beliebte Klettverschluss den Klettfrüchten abgeschaut. Saugnäpfe haben Kraken, Käfer und Geckos zum Vorbild, Nebelfänger sind inspiriert von Nebeltrinker-Käfern, Sonar und Echolot sind Navigationstechniken von Fledermäusen, Delfinen und Fischen und vom Propeller sagt man, er sei eine Anleihe an die Flügelfrucht des Ahorns.
Auch gibt es eine Vielzahl phänomenaler Leistungen aus dem Tier- und Pflanzenreich, die wir bisher kaum zu erklären wissen: Den Gleichgewichtssinn von Katzen; die Segelechse, die über das wasser laufen kann; eine Glasschwammart, die bis zu 10 000 Jahre alt werden kann; der Seidenspinner, dem nachgesagt wird Gerüche bis zu 10 km wahrnehmen zu können; der Barrakuda, der in 3 Sekunden auf 80 km/h beschleunigen kann; der Riesenmammutbaum, der einen Stammdurchmesser bis zu 13 Meter erreicht und eine Höhe bis zu 120 Meter, über 2 400 Tonnen wiegen und über 3000 Jahre alt werden kann; ein Pilz aus der Gattung Hallimasch, der als größtes Lebewesen gilt und eine Fläche von 900 ha einnehmen kann. Es gibt eine ganze Anzahl von Tieren, die zwar stark giftig sind, ihr Gift jedoch nicht selbst produzieren, sondern es mit der Nahrung aufnehmen: so der Zweifarbenpitohui, ein Vögel aus Neuguinea. Auch die Pfeilgiftfrösche aus Südamerika kommen so zu ihrem gefürchteten Gift. Der Pottwal taucht 3 000 m tief und kann bis zu 1 Stunde unter Wasser bleiben. Kein Tier, das Luft zum Atmen braucht, taucht tiefer als der Pottwal. Das mit Abstand lauteste Tier ist der Pistolenkrebs mit 250 Dezibel: zum Vergleich, ein Jagdflugzeug erreicht etwa 120-130 Dezibel.
Diese Aufzählung ließe sich noch lange fortsetzen. Abschließend zu den Rekordhaltern der Natur, von denen wir noch sehr viel lernen können möchte ich die Wasserhyazinthe anführen. Innerhalb kürzester Zeit kann sie sich explosionsartig vermehren und ausgedehnte Wasserflächen komplett mit einem undurchdringlichen, derart dicht verwobenen grünen Teppich abdecken, dass man darauf sogar über das Wasser laufen kann. Unter der Matte jedoch stirbt alles Leben im Gewässer und in ihr finden Malariamücken ideale Brutplätze. Der Fischfang wird unmöglich, Reisfelder werden erstickt, Bewässerungsanlagen verstopft, Kraftwerke werden lahmgelegt, die Schifffahrt blockiert. Die aggressiven Pflanzen verursachen weltweit in tropischen Ländern immense Probleme. Der Einsatz von Giften half ebenso wenig wie das Abfischen, selbst Spezialerntemaschinen oder der Großeinsatz von Militär konnten die Wasserhyazinthenbestände höchstens kurzzeitig etwas lichten.
In diesem Zusammenhang fällt mir der Ausspruch eines alten Freundes aus Wien ein – Ingenieur und Erfinder – der folgenden Satz formulierte: „Wir schwimmen in einer Suppe aus Energie – wir müssen nur den Zugang zum Klemmbrett finden.“ Dem kann ich nur zustimmen. Viele Probleme mit denen wir uns beschäftigen und die Gegenstand von Forschung und Entwicklung sind, löst die Natur ganz unkompliziert, wir müssen ihr nur genau auf die Finger schauen und bereit sein von ihr zu lernen. Das fällt uns jedoch oftmals schwer, denn nicht jede dieser Lösungen würde auch monetären Erfolg mit sich bringen.