Der Morgenthau-Plan wurde von US-Finanzminister Henry Morgenthau im August 1944 in dessen US-Finanzministerium erarbeitet. Durch eine Indiskretion wurde das Memorandum wenige später veröffentlicht, was innerhalb der USA und weltweit für Aufsehen sorgte. US-Präsident Franklin D. Roosevelt verwarf deshalb den Entwurf nach einigen Wochen, dennoch verschwand er nicht aus den Köpfen.
Zudem kam dieser versehentlich an die Öffentlichkeit gelangte Plan der nationalsozialistischen Propaganda genau recht. Die Nationalsozialisten verkauften den Plan als Rache des Weltjudentums zur „Versklavung“ der Deutschen und konnte damit seine Durchhalteparolen begründen.
Jedoch stieß der Plan, Deutschland zum Agrarland umzuwandeln, auch bei zahlreichen Franzosen und Briten auf Zustimmung. Damit wäre ihre Angst vor einem erneuten Erstarken Deutschlands endgültig vom Tisch.
Doch nach dem Ende des Krieges merkten insbesondere die Franzosen und Briten schnell, welchen Aufwand es ihnen bereitete, ihre deutschen Besatzungszonen zu verwalten. Auch in Westeuropa und auf der Insel herrschte große Not. Zudem wurde schnell klar, dass die deutsche Industrie bei weitem nicht so zerstört und geschädigt war wie man angenommen und wohl auch gehofft hatte.
Des Weiteren wurde auch der von der Sowjetunion in Osteuropa sowie in der sowjetischen Besatzungszone importierte Sozialismus und Kommunismus bei den Alliierten zum Thema. Angst keimte auf, dass sich der sowjetische Einfluss weiter nach Westen ausbreiten könnte.
Während des 2. Weltkrieges hatte sich ein Zweckbündnis zwischen den alliierten Westmächten mit ihrer marktwirtschaftlichen Ausrichtung und der Sowjetunion mit ihrem Planwirtschaftssystem ergeben. Doch bereits während der Kriegskonferenzen kristallisierten sich die unüberbrückbaren Gegensätze klar heraus. Der Kalte Krieg keimte auf und die Alliierten mussten Problemlösungen liefern.
In dieser schwierigen und zudem desillusionierten Situation schwang sich der US-Außenminister George C. Marshall zum Ideengeber und Retter des Westens auf. Federführend wurde unter seiner Leitung im US-Außenministerium ein neuer Plan erarbeitet.
Vor allem die Staatssekretäre William L. Clayton und George F. Kennan waren an diesem Konzept für die deutschen Besatzungszonen und Westeuropa maßgeblich beteiligt. Für das Programm gab es drei Gründe:
• Hilfe für die notleidende und teilweise hungernde Bevölkerung Europas
• Eindämmung der Sowjetunion und des Sozialismus
• Schaffung eines Absatzmarktes für die Überproduktion der USA
Der Plan, offiziell European Recovery Programm (kurz ERP) genannt, wurde ab Mai 1947 entwickelt und wurde unter dem Namen Marshall-Plan bekannt. Er war mit der Intention entwickelt worden, im April 1948 eine internationale Konferenz zur Gründung einer „Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa“ einzuberufen. Auch die Sowjetunion sowie die osteuropäischen Staaten wurden zu dieser Konferenz eingeladen um ihnen den amerikanischen Plan vorzustellen. Die Sowjetunion zog sich jedoch bald daraus zurück und verbot auch den unter ihrem Einfluss stehenden osteuropäischen Staaten jede Teilnahme.
Zu diesem Zeitpunkt waren kommunistische Parteien in einigen Staaten Westeuropas enorm populär. In Frankreich und Italien brachte die Armut der Nachkriegsära den kommunistischen Parteien, die auch eine wichtige Rolle in den Widerstandsbewegungen während des Krieges gespielt hatten, ständig neuen Zulauf. Zudem brachte der Versuch, durch den Marshallplan einige osteuropäische Staaten dem kommunistischen Einfluss zu entziehen, keinen Erfolg.
Des Weiteren hatte der äußerst harte Winter 1946/47 und der dadurch herrschende Nahrungsmangel zu einem grundlegenden Umdenken, insbesondere der US-Amerikaner, geführt. Aber auch den Briten und den Franzosen waren durch die Besatzungskosten enorm belastet, da ihre eigenen Länder gleichfalls an den Folgen und Zerstörungen des Krieges litten.
Dennoch wurden von den verschiedenen politischen Gruppen der Alliierten unterschiedliche Modelle für das Nachkriegsdeutschland diskutiert und favorisiert. So war von Umerziehung (Reeducation) sowie Isolationismus die Rede.
Den politischen Interessen standen jedoch handfeste wirtschaftliche Interessen gegenüber. So waren die USA von einer gewaltigen Überproduktion geplagt. Auch wurde erkannt, dass man den ideologischen Kampf gehen die Sowjetunion, die osteuropäischen Länder und besonders die sowjetische Besatzungszone, nur wirtschaftlich gewinnen konnte.
Besonders der demokratische US-Präsident Truman war der Ansicht, die USA müssten ihre weltpolitische Verantwortung wahrnehmen und zudem die amerikanischen Wirtschaftsinteressen berücksichtigen und dafür war ein Wiederaufbau der drei westlichen deutschen Besatzungszonen von großer Bedeutung.
Doch zunächst gab US-Präsident Harry S. Truman am 12. März 1947 vor dem US-Kongress eine Erklärung ab, die als Truman-Doktrin in die Geschichtsbücher einging. Es sollte demnach zukünftiger außenpolitischer Grundsatz der USA werden, „freien Völkern beizustehen, die sich der angestrebten Unterwerfung durch bewaffnete Minderheiten oder durch äußeren Druck widersetzen“.
Speziell erklärte Truman, dass die USA bereit seien, dem dringenden Appell der griechischen Regierung um wirtschaftliche und militärische Unterstützung im Griechischen Bürgerkrieg nachzukommen. Auch die Türkei, die sich in einer ähnlichen Situation wie Griechenland befand, solle amerikanische Hilfe erhalten.
Diese Erklärung des US-Präsidenten markierte endgültig das Aus der US-amerikanischen Kriegskoalition mit der Sowjetunion und markiert damit den Ausbruch des Kalten Krieges, der sich bereits zuvor schleichend angekündigt hatte.
Die Entstehung des Marshall-Plans wurde von einem Prozess von Konferenzen, Diskussionen und diplomatischen Gesprächen begleitet. Am 3. April 1948 war es dann soweit, das Marshallplan-Gesetz („Foreign Assistance Act of 1948“) wurde von Präsident Truman unterzeichnet. Zuvor hatte der Kongress der Vereinigten Staaten das 12,4-Milliarden-Programm verabschiedet (entspricht heute etwa 124 Milliarden US-Dollar), das auf 4 Jahre angelegt war (1948-1952).
Doch der Marshall-Plan war nicht das großzügige amerikanische Hilfsprogramm für Westeuropa und Deutschland, wie es jahrzehntelang – und zum Teil bis heute – propagiert wird. Die Lobeshymne für den Marshall-Plan trifft so nicht zu – sie war in wesentlichen Teilen eine ausgeklügelte PR-Strategie und ein wirtschaftliches Hilfsprogramm für die US-Wirtschaft-, der jedoch dennoch ungeahnte Wirkung zeigte.
Dazu aber demnächst mehr: