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Beutekunst der Nationalsozialisten Teil 1

Genter Altarbild
Genter Altarbild

Alle Einzelheiten über den Kunstraub der Nationalsozialisten weiß man bis heute nicht. Es gibt nur Schätzungen. Die Anzahl der beschlagnahmten und geraubten Kunstwerke auf wird auf etwa 600.000 Kunstwerke geschätzt: 200.000 innerhalb Deutschlands, 100.000 in Westeuropa und 300.000 in Osteuropa. Für Kunstwerke aus jüdischem Besitz galt vor Kriegsbeginn die Regelung, dass sie nur noch bis zu einem Preis von 1 000 Mark frei verkauft werden durften.
Für die erbeuteten Kunstgegenstände hatte Adolf Hitler die Vision in Linz ein Führermuseum zu errichten, in dem die bedeutendsten von ihnen ausgestellt werden sollten. Die übrigen Kunstgegenstände sollten in Deutschland auf exponierte Museen und Ausstellungen verteilt werden und die „entartet Kunst“ sollte einfach aus dem öffentlichen Bereich verschwinden. Hitler erließ dazu einen „Sonderauftrag Linz“ dessen Leiter zunächst der langjährige Direktor der Dresdner Gemäldegalerie, Hans Posse, wurde. Nach dessen Tod 1942 übernahm der Kunstexperte Hermann Voss diese Sonderaufgabe.
Ursprünglich sollte der Führerbau in München als Depot für die Kunstwerke dienen. Dahinter stand die Absicht, Hitler eine bequeme Besichtigung, Auswahl und Kontrolle zu ermöglichen. Angesichts der schnell wachsenden Bestandszahlen mussten jedoch ab 1940 zusätzliche Depots eingerichtet werden, und zwar vornehmlich im Gau Oberdonau, der als der „Luftschutzkeller des Deutschen Reiches“ galt. Man fand sie in den von den Nationalsozialisten enteigneten Stiften Kremsmünster und Hohenfurth/Vyšší Brod.
Jedoch kam das Führermuseum in Linz nie über den Planungsstatus hinaus. Lange Zeit rankten sich zahlreiche Sagen und Mythen um dieses Hitler-Projekt. Es hieß unter anderem, es sollte das größte Museum der Welt in Linz entstehen. Größer als der Louvre, die Uffizien und die Nationalgalerie in Washington zusammen, so stellte man sich das Führermuseum vor.
Dann fand die Wiener Kunsthistorikerin Birgit Schwarz um das Jahr 2000 herum in der Berliner Oberfinanzdirektion Fotoalben und Unterlagen zum Projekt Linz. Durch diesen Fund konnte Schwarz belegen: Hitlers Gemäldegalerie sollte eine große Abteilung zur europäischen Altmeisterkunst bis zum 18. Jahrhundert beherbergen und eine Abteilung deutscher und österreichischer Malerei des 19. Jahrhunderts. Neuzeitliche und moderne Kunst sollten nie in Linz präsentiert werden. Der Mythos von der Riesengalerie in Linz resultierte wohl ausschließlich auf der Masse der Funde an Kunstgegenständen nach dem Krieg.

Bruegger Madonna Altaussee
Bruegger Madonna Altaussee

Als die Bombardierungen in Deutschland zunahmen und von Westen und Osten sich die Kriegsgegner näherten, wurden zahlreich Depots aufgelöst um die Kunstwerke in Sicherheit zu bringen. Man suchte nach neuen Depots, die gut versteckt und zudem Bombensicher waren. Als neues Zentraldepot, wurde Ende 1943 das Salzbergwerk Altaussee in Österreich hergerichtet. Jedoch konnte dieses gewaltige Raubkunst-Depot nur mit Glück und sehr viel Mut und Engagement einiger Männer gerettete werden. Im April 1945 hatte der damalige Gauleiter Im Reichsgau Oberdonau, August Eigruber, eigenmächtig den Entschluss gefasst, die Kulturgüter im Salzbergwerk zu vernichten: Sie sollten keinesfalls in die Hände der Kriegsgegner fallen. Zu diesem Zweck ließ Eigruber acht 500 kg-Fliegerbomben in das Salzbergwerk transportieren, um mit diesen das Stollensystem zu sprengen. Die Bergwerksleitung unter Generaldirektor Emmerich Pöchmüller konnte jedoch, unter tatkräftiger Mitwirkung der Bergmänner, die Bomben am 3./4. Mai wieder aus dem Bergwerk entfernen und so die Zerstörung verhindern. Um erneute Zerstörungsversuche zu verhindern wurden zudem die maßgeblichen Stolleneingänge zu gesprengt. Nur 4. Tage später wurde Altaussee von den Amerikanern besetzt und die Kunstschätze konnten gesichert und geborgen werden.
Ein großer Teil dieses Bestandes gilt als NS-Raubkunst. Nachweislich stammen 567 Werke aus beschlagnahmtem jüdischen Eigentum aus Deutschland, Österreich, Frankreich, Tschechien, Polen und Russland. Weitere etwa 1.000 Gemälde stammen aus Zwangsverkäufen oder wurden von NS-Dienststellen eingeliefert. Etwa 3.200 Objekte wurden über den Kunsthandel oder über Privatkäufe erworben, auch diese stammen zu einem unbekannten Teil aus Sammlungen, die unrechtmäßig entzogen oder als sogenanntes „Fluchtgut“ unter Zwang verkauft werden mussten. Die Forschungen über die Herkunft der einzelnen Werke dauert bis heute an, sie wird seit August 2008 über eine online gestellte Datenbank des Deutschen Historischen Museums unterstützt.
Doch es gab noch zahlreiche andere Kunstdepots und viele Kunstschätze gelten bis heute als verschollen. Ob diese vermissten Kunstgegenstände vor Kriegsende in Privatsammlungen verkauft wurden, ob sie noch heute in versteckten Lagern deponiert sind oder durch die Kriegseinwirkungen zerstört wurden ist häufig unklar.
Wie undurchsichtig, unklar und rechtlich strittig sich die Situation im Bereich Beutekunst darstellt, lässt sich gut am Bespiel des sogenannten „Schwabinger Kunstfundes“ von 2013 erläutern. Damals wurde eine umfangreiche Sammlung des Kunsthistorikers Cornelius Gurlitt (1932-2014) in München-Schwabing durch die Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Die Augsburger Staatsanwaltschaft begründete ihre Beschlagnahme sowie das Ermittlungsverfahren mit dem Verdacht, dass es sich bei der Sammlung um NS-Raubkunst handelt. Insgesamt wurden bei Gurlitt in München sowie in Österreich über 1.500 Kunstwerke sichergestellt und beschlagnahmt. Die Sammlung, die Gurlitt von seinem Vater, dem Kunsthändler Hildebrand Gurlitt geerbt hatte, bestand aus Werken verschiedener Epochen, jedoch schwerpunktmäßig aus Gemälden, Gouachen, Zeichnungen und Druckgrafiken der Klassischen Moderne und des 20. Jahrhunderts, unter anderen von Max Beckmann, Marc Chagall, Otto Dix, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Max Liebermann, August Macke, Franz Marc, Henri Matisse, Emil Nolde, Pablo Picasso und Karl Schmidt-Rottluff. Doch auch Werke aus dem 19. Jahrhundert bis hin zu Arbeiten aus dem 16. Jahrhundert wurden gefunden, so zum Beispiel von Canaletto, Gustave Courbet, Pierre-Auguste Renoir, Carl Spitzweg und Henri de Toulouse-Lautrec.
Die Sammlung wurde von Hildebrand Gurlitt in der Zeit des Nationalsozialismus zusammengetragen. Als einer von wenigen ausgewählten Kunsthändlern war er von den Nationalsozialisten damit beauftragt entartete Kunst ins Ausland zu verkaufen. Doch, wie es den Anschein hat, wurden von Gurlitt viele Werke nicht weiterverkauft – wie vorgeschrieben – sondern verblieben in seinem persönlichen Besitz. Zudem war Gurlitt nach Beginn des Zweiten Weltkriegs als einer der Haupteinkäufer für das Hitlermuseum in Linz am nationalsozialistischen Kunstraub vorwiegend in Frankreich beteiligt.
1945 wurde Gurlitt von US-Soldaten beim Transport von Kunstwerken aufgegriffen und unter Hausarrest gestellt. Nach Gurlitts beeidigter Aussage hatte er auf dem Lastwagen Kisten mit Kunstwerken aus seinem Besitz transportiert, die er zuvor an verschiedenen Orten in Sachsen deponiert hatte.Die Kisten wurden von der Spezialeinheit Monuments, Fine Arts, and Archives Section beschlagnahmt, zunächst nach Bamberg gebracht und dann im Wiesbaden Central Collecting Point verwahrt. Gurlitt kämpfte um die Herausgabe und hatte 1950 Erfolg. Im Entnazifizierungsverfahren sowie bei entsprechenden Befragungen konnte Gurlitt keine Beteiligung am Kunstraub nachgewiesen werden. Da Gurlitt weder einer NS-Organisation angehörte und zudem jüdischer Herkunft war, wurde sein Verfahren schnell zu seinen Gunsten abgeschlossen.
Die Beschlagnahme der Sammlung Gurlitt wird von zahlreichen Juristen stark kritisiert, da das gesamte Vorgehen der Augsburger Staatsanwaltschaft als rechtswidrig eingestuft wird.
Der Rechtshistoriker Uwe Wesel erklärte am 1. Dezember 2013 im Deutschlandfunk, Gurlitt sei der rechtmäßige Besitzer aller bei ihm beschlagnahmten Werke. Es gebe heute keine Möglichkeit mehr, den ursprünglichen Eigentümern Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg hätten die Alliierten gesetzlich geregelt, dass Rückerstattungsansprüche an die ursprünglichen Eigentümer ausgeschlossen seien (MilRegG Nr. 59). Es sei leider so, dass Juristen von heute diese alliierten Gesetze oft nicht mehr kennen würden. Die Staatsanwaltschaft Augsburg habe deshalb wahrscheinlich aus Unkenntnis schwere rechtliche Fehler begangen und sich der Amtspflichtverletzung schuldig gemacht. Die Beschlagnahme und die Veröffentlichung der Bilder in der Lost-Art-Datenbank seien nicht rechtmäßig.




Cornelius Gurlitt verstarb 2014 und hat testamentarisch seine gesamte Sammlung dem Kunstmuseum Bern vermacht. Über den Wert der Sammlung gegen die Schätzungen weit auseinander: Sie bewegen sich etwa zwischen 50 Millionen und 1 Milliarde Euro. Die Sammlung Gurlitt steht jedoch bis heute unter Verwaltung der Staatsanwaltschaft da sich immer neue rechtliche Probleme auftun und auch die Familie Gurlitt gegen das Testament klagt.
Die Amerikaner und auch die Sowjets hatten bereits vor Kriegsende 1945 Spezialeinheiten gegründet, deren Aufgabe es war, diese versteckten Kunstgüter aufzuspüren, zu sichern und an ihre ursprünglichen Eigentümer zurückzugeben. Die US-Armee gründete dazu eine Abteilung aus Spezialisten, die sich Monuments, Fine Arts und Archives Section (MFA & A) nannte. Die dort tätigen Kunstschutzoffiziere wurden als Monuments Men bezeichnet. Zu dieser Thematik hat George Clooney 2014 den Film Monuments-Men produziert.
Die sowjetischen, wie auch die US-amerikanischen Spezialabteilungen wussten genau was von den Nationalsozialisten geraubt worden war, sie mussten es nur finden.
So wurde auch nach dem legendären Bernsteinzimmer gesucht, das Preußenkönig Friedrich I. anfertigen und ins Berliner Stadtschloss einbauen ließ. 1716 schenkte er dieses einmalige Kunstobjekt dem russischen Zaren, der es in den Katharinenpalast bei St. Petersburg einbauen ließ. Nachdem das Bernsteinzimmer 1941 als Kriegsbeute durch die deutschen Besatzer geraubt und ab 1942 im Königsberger Schloss ausgestellt wurde, ist es seit der ebenfalls kriegsbedingten Evakuierung des Schlosses von 1945 verschollen. Bis heute wird das Bernsteinzimmer gesucht. Alle paar Jahre kommen dazu neue Vermutungen und Theorien auf, die bisher jedoch alle im Sande verlaufen sind. Allein in der ehemaligen DDR gab es zur Suche nach dem Bernsteinzimmer eine Operation „Puschkin“, die direkt Stasi- Chef Milke unterstellt war: 130 mögliche Verbringungsorte wurden recherchiert, an 30 Orten wurden Grabungen ausgeführt. Der Entdeckung des Bernsteinzimmers kam man dennoch keinen Schritt näher.
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