Unser Plant Erde ist alt, sehr alt, ca. 4,6 Milliarden Jahre. Das ist ein Zeitraum, der für unser Gehirn kaum fassbar scheint. Gleiches gilt auch für die Entstehung des Lebens auf unserem Heimatplaneten. Es gibt unterschiedliche Theorien, in denen davon ausgegangen wird, das vor etwa 3,8 Milliarden Jahren erste Lebensformen entstanden sein könnten. Das Leben entwickelte sich stetig auf der Erde, mal rasanter, mal weniger rasant. Gegen Ende des Präkambriums entstanden auch mehrzellige Organismen, die zum Teil unter die Vorläufer noch bestehender Organismengruppen gerechnet werden wie Schwämme (Porifera) und Nesseltiere (Cnidaria).
Immer wieder wurde diese evolutionäre Entwicklung jedoch gestoppt oder erhielt zum Teil mächtige Rückschläge. Ursachen dafür waren gravierende Naturereignisse, die zu Massensterben von Arten führten. Dass es diese Ereignisse, die zum Massensterben führte, auf der Erde immer wieder gegeben hat, erkannte als erster der französische Naturforscher Baron Georges Cuvier (1769-1832). Der Paläontologe am Pariser Naturkundemuseum ersann die Theorie, dass es im Laufe der Evolution mehrfach große Naturkatastrophen gegeben hat, in der Lebewesen in großer Zahl vernichtet wurden – teilweise ganze Arten – es jedoch danach immer wieder zu neuen evolutionären Prozessen kam.
Heute, etwa 200 Jahre später, wissen wir, dass die Thesen und Vermutungen von Baron Cuvier zutreffen. Die Geologie, die Paläontologie und andere Wissenschaften haben den Beweis erbracht, dass es zahlreiche Aussterbeereignisse in der Erdgeschichte gegeben hat. Die fünf größten dieser Ereignisse nennt die Wissenschaft „The Big Five“.
Der Erkenntnisgewinn, der mit Baron Cuvier begann, setzte sich zwar über das gesamte 19. und 20. Jahrhundert fort, jedoch hatte die Wissenschaft noch nicht die Möglichkeiten, die gewonnen Erkenntnisse zu evaluieren. Erst als der amerikanische Paläontologe Jack Sepkoski Anfang der 1980er Jahre begann, alle vorhandenen Daten zusammen zu tragen, zu analysieren und in Grafiken darzustellen, wurde das Puzzle zu einem Bild. Inzwischen konnten Forscher auf der ganzen Welt aus versteinerten Fossilien das Werden und Vergehen von Arten nachweisen:
Demnach setzte das erste große Massenaussterben, das sich derzeit nachweisen lässt, vor etwa 444 Mio. Jahren ein. Zwar hatte es wohl bereits etwa 40 Mio. Jahre zuvor ein großes Aussterbeereignis gegeben, bei diesem ordovizischen Ereignis gingen jedoch etwa 50 Prozent aller Arten unter. Da es zu jener Zeit noch keine Landlebewesen gab, beschränkte sich das Artensterben auf die Trilobiten, Conodonten und Armfüßler in den Weltmeeren. Die Thesen zu den Ursachen gehen bisher recht weit auseinander. Zwei Vermutungen bestimmen dennoch die Diskussion: Das erstmalige Auftreten von Landpflanzen, die dem Boden massenhaft wichtige Spurenelemente entzogen und somit zu einer chemischen Bodenverwitterung führten, was wiederum der Atmosphäre CO2 entzog. Die andere These setzt auf eine erdnahe Supernova, die eine radikale Klimaabkühlung bewirkte.
Das zweite Ereignis der „Big Five“ wird in die Zeit des oberen Devon, also vor etwa 360 Mio. Jahren, datiert. Benannt wurde dieses Aussterbeereignis nach einem deutschen Flusstal. Bereits um 1850 entdeckte der Geologe und Botaniker, Bergrat Friedrich Adolf Roemer (1809-1869), im Kellwassertal, einem Nebenflusstal der Oker bei Goslar, einen geologischen Aufschluss, der ihn zu genaueren Untersuchungen veranlasste. Er erkannte in dem geologischen Aufschluss dieser Lokalität die dunklen, meist mergeligen Gesteine als organische Ablagerungen, die nach dem Ort des Auffindens Kellwasser-Kalk genannt wurden. Römer legte mit seinen diesbezüglichen Forschungen und Beschreibungen – insgesamt von mehr als 800 Fossilien identifizierte er – einen bedeutenden Beitrag zur geologischen und paläontologischen Forschung. Dieses Aussterbeereignis wird in der Wissenschaft als Kellwasser-Event bezeichnet. Erneut starben 50 Prozent aller Arten aus, darunter Fische, Korallen und Trilobiten. Es starben auch etliche „Riffbauer“ unter den Korallen, was zur Folge hatte, dass die Zahl der Korallenriffe erheblich abnahm. Das Kellwasser-Event war kein lokales, sondern ein globales Ereignis, wie wir heute wissen. Auch hierfür gibt es über die Ursachen nur Vermutungen: Es wird angenommen das der Sauerstoffgehalt im Wasser sank, was vielen Tieren den Tod brachte. Demnach überlebten nur Tiere, die sich anpassen oder auch Sauerstoff außerhalb des Wassers aufnehmen konnten. Die Zeit der Amphibien war gekommen.
Hundert Millionen Jahre später hatte sich die Land-Fauna und -Flora über die Erde ausgebreitet. Da trat vor etwa 252 Mio. Jahren ein neues Ereignis ein, dem ca. 95 % aller meeresbewohnenden Arten sowie ca. 66 % aller landbewohnenden Arten (Reptilien- und Amphibienarten) zum Opfer fielen. Dieses Artensterben war kein plötzliches, sondern es zog sich über etwa 200 000 Jahre hin. Die Ursachen sind bisher unbekannt – es kann sich jedoch um keine Naturkatastrophe gehandelt haben. Die meisten Wissenschaftler machen heute den sibirischen Trapp verantwortlich. Dabei handelt es sich um eine aus Flutbasalten entstandene Großmagmatische Provinz, bei deren Entstehung große Mengen CO2 freigesetzt wurden, wodurch sich das Klima veränderte. Obwohl bei diesem Ereignis das Leben auf der Erde zu einem Großteil ausgelöscht wurde, ließ sich die Evolution nicht aufhalten. Die damals wohl entstandenen „Treibhausgase“ beeinflussten das Weltklima wohl über mehrere hunderttausend Jahre und stellen die heutigen Debatten weit in den Schatten.
Vor ca. 200 Millionen Jahren, am Ende der Trias, ereignete sich das vierte Event: 50 bis 80 % aller Arten, unter anderen fast alle Landwirbeltiere, starben aus. Wie zuvor, so sind auch hier die Ursachen nicht klar. Die Wissenschaft vermutet einen Zusammenhang mit gewaltigen vulkanischen Aktivitäten und daraus resultierende mächtige Eruptionen. Gewaltige Magmafreisetzungen beim Auseinanderbrechen des globalen Superkontinentes Pangaea könnten die Ursache darstellen, dass riesige Mengen CO2 und Schwefeldioxid in die Atmosphäre gelangten und die großen und flachen Meere durch Schwefelwasserstoffe vergiftet wurden.
Das letzte Big-Five-Event ist wohl das bekannteste. Es führte unter anderen zum Aussterben der Saurier und ereignete sich vor ca. 66 Millionen Jahren an der Kreide-Paläogen-Grenze (früher Kreide-Tertiär-Grenze genannt). Dieses Massenaussterben, bei dem erneut ca. 50 Prozent aller Tierarten, mit Ausnahme von Vögeln, ausstarben, markiert gleichzeitig den Übergang vom Erdmittelalter zur Erdneuzeit. Als Ursache werden zwei Ereignisse erörtert: Der Einschlag eines Meteoriten nahe der Halbinsel Yucatán und der kontinentale Ausbruch einer Mantel-Plume (Aufstrom heißen Gesteinsmaterials aus dem tieferen Erdmantel) in der Dekkan-Trapp-Region in Vorderindien. Dieses Aussterbe-Event ist auch als KT-Impakt (Kreide-Tertiär-Einschlag) bekannt.
Inzwischen sind einige weitere, kleinere Aussterbe-Ereignisse bekannt, jedoch auch von diesen sind die Ursachen noch nicht bekannt. Alle Ereignisse haben dennoch eines gemeinsam: Sie brachten gravierende Klimaveränderungen mit sich – wohl die eigentlichen Ursachen für die Massensterben. Sämtliche haben tiefe Einschnitte hinterlassen, denen unmittelbar mächtige evolutionäre Aufschwünge folgten.
Teile der Wissenschaft gehen davon aus, dass seit dem Ende der Eiszeit vor 50 000 – 10 000 Jahren durch die damit verbundene Klimaänderung, und daran anschließend bis heute, eine durch den Menschen beschleunigte Klimaveränderung, mit einem 6. Massenaussterben eingesetzt hat. Diese These ist jedoch sehr umstritten und wird heiß diskutiert. Ich halte nichts von dieser These, denn Artensterben und Artenaussterben gab es zu allen Zeiten der evolutionären Entwicklung; an keiner war der Mensch beteiligt. Es lässt sich sogar über die These trefflich streiten, ob die Entwicklung des Menschen ohne die Big Five überhaupt eingesetzt hätte. Unstrittig ist, dass der Mensch teilweise Raubbau mit der Natur betreibt. Dem ist Einhalt zu gebieten und der Mensch hat wohl seine diesbezügliche Verantwortung mittlerweile erkannt. Jedoch von einem 6. Massenaussterben zu reden, halte ich für Populismus und Panikmache gewisser gesellschaftlicher Gruppen. Wir stehen sicherlich vor großen Herausforderungen, was Umwelt- und Naturschutz betrifft, aber wir werden diese bewältigen. Gegen globale Naturkatastrophen hingegen, die uns jederzeit treffen können, sind wir völlig machtlos.