Stickstoff – Pflanzen könnten sich selbst versorgen

Das chemische Element Stickstoff trägt die Ordnungszahl 7 im Periodensystem der Elemente, ist ein farbloses Gas und ist mit einem Prozentsatz von 78 in unserer Atemluft enthalten.
Die deutsche Bezeichnung Stickstoff ist darauf zurückzuführen, das molekularer, gasförmiger Stickstoff Sauerstoff verdrängt, wodurch Feuer erstickt wird, und dass zudem Lebewesen in dem reinen Gas ersticken, weil Sauerstoff fehlt.
Im Laufe der Evolution hat sich ein Stickstoffkreislauf der Ökosysteme ausgebildet: Als Bestandteil von Proteinen und vielen anderen Naturstoffen ist Stickstoff essentiell für Lebewesen, die ihn in einem energieintensiven Prozess (Stickstofffixierung) organisch binden und bioverfügbar machen. Dies geschieht zum Beispiel enzymatisch an einem Eisen-Schwefel-Cluster, welcher ein Kofaktor des Enzyms Nitrogenase ist.

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Stickstoff und seine Verbindungen, insbesondere Ammoniak und Ammoniumnitrat, sind somit auch für den Pflanzenwachstum elementar. In gebundener Form kommt Stickstoff in unseren Böden vor und bei geschlossen Ökosystemen wie Urwäldern funktioniert dessen Kreislauf problemlos. Wenn Pflanzen sterben, bilden sich aus ihren Resten neue Stickstoffverbindungen im Boden.
Nicht so auf unseren Kulturböden, wo die Masse der Pflanzenbestandteile abgeerntet wird. Der Kreislauf wird dadurch unterbrochen und führt zu einem Stickstoffmangel in den Feldern. Die Landwirte wirken dem entgegen, indem sie Stickstoff-Dünger auf die Böden geben. Jedoch ist eine genaue Dosierung, die dem natürlichen Kreislauf entsprechen würde, sehr schwer. So kommt es, dass laut Umweltbundesamt jährlich 97 kg überschüssiges Stickstoff-Nitrat pro Hektar auf deutsche Felder aufgebracht wird. Eine Menge, die in unser Grundwasser und in unsere Flüsse und Seen gelangt, diese überdüngt und damit stark schädigt. Die ökologischen Kreisläufe kommen aus dem Gleichgewicht und ein Ende ist nicht abzusehen. Zumal sich das Problem nicht auf Deutschland beschränkt, sondern weltweit zu erheblichen Umweltproblemen – auch in den Meeren und Ozeanen sowie beim Trinkwasser – führt.
Wenn also in Zukunft bei stark wachsender Weltbevölkerung die Ernährung aller Menschen gesichert sein soll und wir unsere Gewässer sowie das Grundwasser nicht weiter schädigen wollen, so müssen neue Lösungen gefunden werden.
Dazu forschen Biologen, Chemiker und Ingenieure aus aller Welt. Bekannt sind seit über hundert Jahren Bakterien, die in Symbiose mit Pflanzen leben und sogenannte Stickstoff-Fixierer sind. Zu ihnen gehören „Frankia alni“ sowie „Rhizobien“. Frankia alni lebt bei uns zum Beispiel in Symbiose mit der Schwarzerle und Rhizobien mit Hülsenfrüchten. Diese Bakterien besitzen die Fähigkeit, elementaren, molekularen Stickstoff (N2) zu binden, indem sie ihn zu Ammoniak (NH3) bzw. Ammonium (NH4+) reduzieren und damit biologisch verfügbar machen.
Die Forscher nehmen sich besonders die Hülsenfrüchte – auch Leguminosen genannt – zum Vorbild. Lange Zeit wurde vermutet, dass im Zusammenwirken mit den Bakterien besondere Pflanzen-Gene für die Stickstoff-Fixierung erforderlich sind. Dann erkannte man jedoch, dass dies nicht der Fall ist: Die meisten anderen Nutzpflanzen verfügen über die Grundlagen zu diesem Prozess, nutzen ihn nur nicht.
Die Wissenschaft ist nun in einem Wettlauf diesen Stickstoff-Speicherprozess auch in Pflanzen zu aktivieren, die botanisch nicht zu den Hülsenfrüchten gehören. Insbesondere wird hierbei das Augenmerk auf Getreidearten und Reis gelegt, aber auch sogenannte Zwischenfrüchte sind dabei von Interesse, die dann untergepflügt werden, um den Stickstoffgehalt im Boden zu erhöhen.

Nitrogen Cycle Author: Johann Dréo (User:Nojhan) Date: march, 30, 2006
Nitrogen Cycle Author: Johann Dréo (User:Nojhan) Date: march, 30, 2006 (Wikipedia)

In der Forschung greift man dabei auf zwei verschiedene Methoden zurück: die klassische Pflanzenzüchtung und auch die Gentechnik.
Andere Forschergruppen gehen wieder andere Wege, so das Bostoner Unternehmen Ginkgo Bioworks zusammen mit der deutschen Bayer AG. Dort wird versucht die stickstoffspeichernden Knöllchenbakterien zur Zusammenarbeit mit anderen Nutzpflanzen als den Hülsenfrüchten zu bewegen. So soll der benötigte Stickstoff im Boden direkt von den Pflanzen selbst produziert werden.
Derzeit ist das von den beiden Firmen gegründete Unternehmen Joyn Bio mit Sitz in Boston und Sacramento, das auf das gesamte Knowhow der Bayer AG zurückgreifen kann, dabei, entsprechende Bakterien auf ihre Einsatzfähigkeit hin zu testen und die Mikroben gentechnisch zu behandeln.
Doch schon regt sich zu diesem Projekt Widerspruch: Es bestehen Bedenken, dass gentechnisch modifizierte Bakterien, die in der Umwelt verbreitet werden, nicht mehr kontrollierbar sein könnten.
Dennoch könnten Bakterien eine Möglichkeit darstellen, umweltfreundlicher als bisher Düngemittel herzustellen. Um den derzeitigen Stickstoffdünger zu produzieren, wird viel Energie und eine gewaltige Mange fossiler Rohstoffe benötigt: 0,6 kg Erdgas zur Herstellung von 1 kg Stickstoffdünger.
Erfolgversprechend für dieses Projekt erscheint insbesondere das stickstofffixierende Bakterium Xanthobacter autotrophicus. Harvard-Forschern gelang mit ihm die Herstellung von Stickstoff und Phosphor. Für die Synthese nutzen die Forscher künstliche Blätter, die aus Sonnenlicht Wasserstoff produzierte. Das Bakterium konsumierte den Wasserstoff und nutzte zudem den in der Luft enthaltenen Stickstoff.




Auf diese Art könnte durch natürliche Synthese Düngemittel hergestellt werden. Die gelbe, bakteriensatte Flüssigkeit, die dabei entstand, wurde bereits an Nutzpflanzen getestet. In diesem Wachstumsexperiment mit Radieschen bildeten die so gedüngten Pflanzen doppelt so große Knollen wie die ungedüngten.
Sollte diese Natursynthese großtechnisch anwendbar werden, so ist das zwar keine Lösung für die Überdüngung unserer Böden, jedoch würden damit große Mengen an Energie und fossiler Rohstoffe eingespart. Zudem sieht man darin einen Lösungsansatz für die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern.