Im Verlauf der Erdgeschichte kam es mehrfach zu Ereignissen, die einen Faunenschnitt oder Faunenwechsel mit sich brachten. Diese Ereignisse gingen mit Massensterben einher, die sich über geologisch kurze Zeitabschnitte von einigen zehntausend bis mehreren hunderttausend Jahren hinzogen. Geologie und Paläontologie gehen heute davon aus, dass es neben mehreren kleinen, fünf große Ereignisse dieser Art gab. Die fünf größten Massenaussterben werden auch als Big Five bezeichnet.
Die in den vergangenen Jahrzehnten erzielten Fortschritte bei den radiometrischen Datierungs- und Nachweisverfahren führten zu einer erheblichen Zunahme der Messgenauigkeit. Dadurch wurde es möglich, verschiedene Massenaussterben zeitlich genauer einzugrenzen, relativ umfassend zu beschreiben und vorher unbekannte biologische und ökologische Krisen im Laufe der Erdgeschichte zu dokumentieren.
Dennoch muss konstatiert werden, dass es diesbezüglich in der Wissenschaft keinen eindeutigen Konsens gibt. Der Streit über Begrifflichkeiten – wir kennen dies aus der Politik – ist dabei ein ausschließlich geisteswissenschaftlicher Diskurs. Jedoch fehlen zur wissenschaftlichen Beweisführung bisher auch die eindeutigen Beweise, denn auch die Ursachen der Massenaussterben sind umstritten.
Der Harzer Gebirgsfluss Oker ist weitgehend unbekannt.
Die Oker wird durch einen künstlichen Damm gestaut. Am obersten Zipfel dieses Okerstausees mündet ein Nebenfluss ein, das Kellwasser. Nichts Außergewöhnliches also, auch wenn der Wanderweg, der durch das Kellwassertal führt zahlreichen Wanderfreunden bekannt sein dürfte. Beliebt ist der Rundweg vom Torfhaus, durch das Kellwassertal zum Okerstausee, nach Altenau und zurück zum Torfhaus.
Das dieses Tal in den Wissenschaften der Geologie und der Paläontologie weltweit einen Namen hat, wird außer einigen Experten kaum jemand bisher zur Kenntnis genommen haben. Bereits um 1850 erkannte der Geologe und Botaniker Friedrich Adolf Roemer im Kellwassertal einen geologischen Aufschluss, der ihn zu genaueren Untersuchungen veranlasste. Roemer legte mit seinen diesbezüglichen Forschungen und Beschreibungen einen bedeutenden Beitrag zur geologischen und paläontologischen Forschung.
Heute, etwa 160 Jahre später haben wir folgenden Erkenntnisstand:
Im Erdaltertum – wissenschaftlich Paläozoikum – begann sich vorrangig das Leben der Mehrzeller zu entwickeln. In der Zeitspanne von 542 – 251 Mio. Jahren vor heute, entwickelte sich zuerst das Leben in den Ozeanen. Später begann sich die Landfauna und -flora zu entwickeln. Aber diese Entwicklung lief nicht reibungslos ab. In diesem Zeitalter fanden die fünf größten, bekannten Massenaussterben statt. Die Gründe für diese sogenannten Massenaussterbe-Events sind bisher nicht durchgehend bekannt, an erster und zweiter Stelle der Ursachen stehen aber Impakte von Himmelskörpern, sowie gewaltige vulkanische Aktivitäten. Am bekanntesten von diesen Aussterbe-Events ist das KT-Event in der Kreidezeit, das zum spektakulären Aussterben der Dinosaurier geführt hat und auf einen gewaltigen Asteroidenaufprall oder Vulkanausbruch zurückgeführt wird.
Für Deutschland von einer gewissen Bedeutung ist das „Kellwasser-Event“. Denn dieses, im Oberdevon (395 – 385 Mio. Jahre vor heute) stattgefundene Aussterbe-Ereignis, hat nicht nur Deutschland betroffen, nein es betraf, wie alle fünf Ereignisse, den gesamten Planeten. Nach dieser Lokalität im Okertal werden die dunklen, meist mergeligen Gesteine als Kellwasser-Kalk bezeichnet und das Ereignis als Kellwasser-Event. Unter den fünf großen Massenaussterben war dieses Event nach der Anzahl der ausgestorbenen Arten das Drittschwerste. Dabei starben wahrscheinlich 50 bis 75 Prozent der Arten aus, vor allem die Faunengruppen flacher tropischer Meere, wie Fische, Korallen, Trilobiten sowie etliche „Riffbauer“.
Die Ursachen für das Kellwasser-Event sind bisher nicht bekannt. Vermutet wird Megavulkanismus, der extreme Klimaveränderungen mit sich brachte, was wiederum zu einer biologischen Katastrophe führte.
Das Kellwassertal hat für die Wissenschaften, die sich mit der geologischen und paläontologischen Entstehung der Erde beschäftigen, einen weltweiten Rang. Damit diese Schichten gut sichtbar bleiben, wurde der Aufschluss vor einiger Zeit großflächig frei gelegt und mit einer Informationstafel ausgestattet; er stellt nun innerhalb das Geoparks Harz einen bedeutenden Geopunkt dar.
Zwar wurde dieser sogenannte geologische Aufschluss bereits um 1850 entdeckt, jedoch bestanden zu jener Zeit noch keine wissenschaftlichen Möglichkeiten und Erkenntnisse diese Entdeckung weiter zu verfolgen. Auch an diesem Beispiel zeigt sich erneut, eine Entdeckung ist weder eine Erfindung, noch muss sie umgehend zu neuen Erkenntnissen führen. Oftmals bedarf es von einer Entdeckung bis zu einer wissenschaftlichen Expertise eine recht lange Zeit.
Doch auch wenn die Ursachen dieses gravierenden Aussterbeereignisses bis heute strittig sind, so sind deren Existenz und Auswirkungen nicht strittig. Was will ich damit sagen: Die Flora und Fauna hat sich von diesem gravierenden Ereignis erholt und sich neu „sortiert“. Frei nach unserem bekanntesten deutschen Förster Peter Wohlleben: Jeder unserer Eingriffe in die Natur ist einer zu viel, die Natur regelt seine Probleme auch ohne unser Zutun. Sie hat dies zu allen Zeiten getan und wird es auch in Zukunft nicht unterlassen.