Archiv der Kategorie: Wissenschaft

In der Wissenschaft wird fleißig gearbeitet und geforscht, jedoch braucht es ab und an auch einen klugen Gedanken. Denn wenn alle Berechnungen versagen ist dies nicht Zufall, sondern Unwissen.

Bernd Sternal

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 2

Adam und Eva von Lucas Cranach d. Ä. 1526
Adam und Eva von Lucas Cranach d. Ä. 1526

Die Geschichte vom Garten Eden sowie die Schöpfungsgeschichte sind erwiesenermaßen nicht christlichen und wohl auch nicht jüdischen Ursprungs. Bereits in der babylonischen Mythologie wird von der Erschaffung des Menschen berichtet. Jedoch wurde dort als Hauptgrund des menschlichen Daseins der Anbau von Nahrung für die Götter angegeben. Die Bibel kehrte alles um: Gott schuf die Pflanzen als Nahrung für Menschen und Tiere, die Tiere sollten Gefährten des Menschen sein.

Das Christentum hat die Schöpfungsgeschichte vom Judentum übernommen und kreativ, zum eigenen Vorteil, bearbeitet.

Das Judentum kennt keine Sünden, die vererbt werden können. Deshalb gehen die Sünden von Adam und Eva, die mit ihren Handlungen gegen die Gebote Gottes verstoßen haben, nicht auf die nachfolgenden Menschen über. Im jüdischen Glauben ist der Mensch nur für seine eigenen Sünden verantwortlich.

In den Formulierungen im Buch Mose hingegen wird aus den verbotenen Handlungen von Adam und Eva eine Erbsünde konstruiert. Der ApostelPaulus schrieb in Römer 5,12+18: „Durch einen einzigen Menschen kam die Sünde in die Welt…“ und „…durch die Übertretung eines Einzelnen kam es für alle Menschen zur Verurteilung.“ Daraus entwickelte man die Lehre von der Erbsünde, die es in allen westlichen christlichen Traditionen gibt.

In der Spätantike (zu Beginn des 5. Jahrhunderts) entwickelte der einflussreiche Augustinus von Hippo die Lehre der Erbsünde, die im Wesentlichen auf der Interpretation des Apostels Paulus fußte.

Als Bischof und einer der einflussreichsten Kirchenmänner seiner Zeit, lehrte er, dass von der Minderheit, die der Hölle entgehen, nur wenige einer schmerzlichen Läuterung nach dem Tod entrinnen würden. Die Lehre von der Erbsünde wurde in der Folge Bestandteil aller westlichen christlichen Kirchen.

Nachdem sich in der Spätantike sowie im frühen Mittelalter die christliche Kirche über große Teile Europas ausgebreitet hatte, wurde sie zunehmend auch politisch instrumentalisiert. In den folgenden Jahrhunderten vertiefte sich in der Reichskirche die Entfremdung zwischen der östlichen und westlichen Tradition bis zum Bruch.

Die westliche Tradition entwickelte sich in der Spätantike und im frühen Mittelalter im weströmischen Reich, während die östliche Tradition in Konstantinopel, Kleinasien, Syrien und Ägypten entstand (Byzantinisches Reich). Die eigentlich dogmatischen Unterschiede bleiben zwar gering, aber die lateinische Kirche hatte in dieser Zeit Lehren entwickelt, die nicht von ökumenischen Konzilien abgesegnet worden waren (z. B. Erbsündenlehre, Fegefeuer, Filioque, päpstlicher Primat des Papstes). Weitere Unterschiede bestanden seit langem bezüglich politischer Umgebung, Sprache und Fragen des Ritus und der Liturgie. Die Situation spitzte sich im 11. Jahrhundert zu, so dass es 1054 zu einer gegenseitigen Exkommunikation zwischen dem Papst und dem Patriarchen von Konstantinopel kam. Dieses Datum gilt üblicherweise als Beginn des morgenländischen Schismas.

Diese christliche Spaltung setzte mit dem Untergang des römischen Reiches ein. Das neu entstandene weströmische Reich bekannte sich zum Christentum als Staatsreligion. Das daraus hervorgehende Fränkische Reich setzte auf Erbe und Tradition des römischen Reiches.

Das Reich der Franken ging auf mehrere westgermanische Kriegerverbände der Völkerwanderungszeit zurück. Nach dem Untergang Westroms stieg es unter den Dynastien der Merowinger und der Karolinger in drei Jahrhunderten zu einer Großmacht auf, die weite Teile West-, Mittel- und Südeuropas beherrschte. Den Höhepunkt seiner Macht und Ausdehnung erreichte das Frankenreich unter der Herrschaft Karls des Großen (768–814). Nachdem es im 9. Jahrhundert geteilt worden war, entwickelten sich aus der östlichen Reichshälfte das mittelalterliche deutsche Reich, aus der westlichen das spätere Königreich Frankreich.

Mit dem Machtantritt Karls des Großen bekam die Christianisierung eine neue Qualität. Schon zuvor spielte die Kirche bei der Ordnung und Festigung des Reiches eine herausragende Rolle, denn sie verfügte über eine Infrastruktur, die sich über das gesamte Reich erstreckte. Karl gab dem Zusammenspiel zwischen Königtum und Kirche eine neue Qualität. Er forcierte den Prozess der Einbeziehung der Kirche in sein Herrschaftskonzept durch einen massiven Ausbau der klerikalen Infrastruktur im ganzen Reich. Er gründete Klöster, richtete Bistümer ein und verfügte christlichen Religionszwang. Dabei behielt er sich das Rechte vor, alle Bischöfe selbst zu ernennen. Zudem ließ Karl der Kirche die bis dahin umfangreichsten Schenkungen und Vergünstigungen zukommen, die den Reichtum der Kirche wesentlich mitbegründeten.

Unter den Karolingern war aller Grund und Boden im Besitz des Königs. Dieser verlieh ihn in Form von Lehen an Grafen, Fürsten und Herzöge. Diese Lehen waren ursprünglich an die Lebenszeit des Lehensmannes gebunden und endeten mit dessen Tod. Nur das Eigentum der Kirche hatte Bestand.




Es war eine Form der Versorgung adliger Familien, Stifte und Klöster gründeten. Sie sicherten sich die Macht und den Einfluss über diese kirchlichen Güter und konnten damit Familienangehörige versorgen. Es ist also nicht verwunderlich, dass besonders im 9., 10. und 11. Jahrhundert Stifte und Klöster wie Pilze aus dem Boden schossen.

Nachdem sich das Erblehen im 11. Jahrhundert durchzusetzen begann, ließen die Stiftungen und Schenkungen erheblich nach.

Doch zuvor gab es ein Ereignis, dass bis heute von Mythen umwoben und in der Wissenschaft stark umstritten ist: Das Ende des ersten Jahrtausends unserer Zeitrechnung. Weil sich zu dieser Zeit die Geburt von Jesus Christus zum tausendsten Mal jährte, gab es die Prophezeiung des Weltunterganges zum Jahreswechsel 999/1000. Der burgundische Mönch Rodulfus Glaber wusste vom Jahr 999 Schreckliches zu berichten: „Die Angst der Menschen war so groß wie nie zuvor. Blutrote Kometen drohten am Himmel … Manch einer glaubte, Heere von Teufeln in den Wolken zu erspähen. Alle außergewöhnlichen Erscheinungen wurden als Zeichen für den nahen Untergang der Welt wahrgenommen. Überall füllten verstörte Christen die Kirchen, verkauften ihr Hab und Gut, bereuten ihre Sünden.“ Und sie spendeten und schenkten angeblich massenhaft der Kirche.

Ob all das wahr ist, lässt sich bis heute schwer beurteilen. Zu spärlich sind die Überlieferungen aus dieser Zeit. Dem Christentum nahestehende Wissenschaftler argumentieren damit, dass damals verschiede Zeitrechnungen verwendet wurden und zudem, dass die einfache Bevölkerung nicht von diesem Jahrtausendwechsel wußten. Andere Wissenschaftler vertreten die These, dass es für die Kirche ein Einfaches war, den angeblichen Weltuntergang zu propagieren und die Menschen für ihre angeblichen Sünden zahlen zu lassen.

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Auf dem Sündenfall, der inhaltlich auf der Erbsünde beruhte gründete sich im Mittelalter die Lehre vom Ablass. Es war ein Konzept der katholischen Theologie, das eng mit den Konzepten von Sünde, Buße, Reue und Vergebung verknüpft und bestens geeignet war, die Kassen der Kirche immer aufs Neue zu füllen. Durch die Praxis der Ablassbriefe sollten den Gläubigen, durch die Zahlung eines Geldbetrag oder von Naturalien, Sündenstrafen im Fegefeuer für sie oder für bereits verstorbene Angehörige erlassen werden.

Dieser immer reger werdenden Ablasshandel, der das einfache Volk ausblutete, war ein Hauptärgernis für Martin Luther und ein wesentlicher Grund für dessen reformatisches Wirken.

 

Mehr demnächst!

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 1

Menschen mit christlicher Glaubenstradition kennen den Garten Eden aus dem 1. Buch Mose (Genesis) des Alten Testaments. Das Buch Mose ist der erste und damit wichtigste Teil des Bibelkanons, denn es beinhaltet die Schöpfer-Erzählung und begründet damit zugleich das 1. Gebot der Christenheit: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Im Buch Genesis wird im 2. Kapitel der Garten Eden beschrieben, in der Folge wird von der Schöpfung, dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Garten erzählt.

Jedoch ist das Buch Genesis – wie auch alle anderen Bücher des Alten Testaments – keine Überlieferung aus dem Christentum, sondern alle Bücher wurden vom jüdischen Tanach und der Tora übernommen, schriftstellerisch bearbeitet und in einer etwas anderen Anordnung kanonisiert.

Der Tanach als Sammlung jüdischer Schriften entstand vor etwa 1200 Jahren. Dabei gehen die ältesten erhaltenen Texte des Tanach auf die Silberrollen von Ketef Hinnom zurück, die aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. stammen. Mit der griechischen Übersetzung des Tanach kam der Begriff „Paradies“ auf (griech. paradeisos = Garten).

Garten Eden von Hieronimus Bosch
Garten Eden von Hieronimus Bosch

Die Verschriftlichung der Tora, dem ersten Teil der Tanach, erfolgte in einem langen Überlieferungsprozess, in dem unterschiedliche Quellen und verschiedene redaktionelle Bearbeitungen Eingang gefunden haben. Der Pentateuch wurde spätestens etwa 440 v. Chr. zur Zeit Esras fertiggestellt und ab etwa 250 v. Chr. aus dem Althebräischen in die griechische Septuaginta und in aramäische Targume übersetzt.

Betrachten wir uns die christliche Schöpfungsgeschichte einmal genauer. Im Buch Genesis steht geschrieben:

1,1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde;

1,2 Die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.

1,3 Da sprach Gott: Es werde Licht. Und es wurde Licht.

1,4 Gott sah, dass das Licht gut war. Da trennte Gott Licht von Finsternis.

1,5 Gott nannte das Licht Tag, die Finsternis aber Nacht. Es ward Abend und es ward Morgen: ein Tag.

Die gesamte Schöpfung Gottes erfolgte in 6 Tagen und ist in Genesis 1,6 – 1,25 beschrieben:

Am 1. Tag schuf er Urflut und das Licht.
Am 2. Tag schied er das Wassers in oberhalb und unterhalb des Himmelsgewölbes.
Am 3. Tag schuf er Land, Meer und Pflanzen.
Am 4. Tag schuf er Sonne, Mond und Sterne.
Am 5. Tag: schuf er die Tiere des Wassers und Vögel
Am 6. Tag: schuf er Landtiere.

Noch am 6. Tag sprach Gott – Genesis 1,26: „Lasset uns Menschen machen, nach unserem Abbild, uns ähnlich; sie sollen herrschen über des Meeres Fische, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über alle Landtiere und über alle Kriechtiere am Boden!“

1,27 So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, nach Gottes Bild schuf er ihn, als Mann und Frau erschuf er sie.

1,28 Gott segnete sie und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch, füllet die Erde und machet sie untertan und herrschet über des Meeres Fische, die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf Erden regt!“

Im Kapitel 2 Genesis 2,4 – 2,9 wird beschrieben, wie und warum Gott den Garten Eden schuf. Und in 2,8 wird explizit ausgeführt: Darauf pflanzte Gott, der Herr, einen Garten in Eden gegen Osten und er versetzte dorthin den Menschen den er gebildet hatte.

In 2,10 – 2,14 wird folgend die Lage des Garten Edens beschrieben: Ein Strom entsprang in Eden zur Bewässerung des Gartens. Von da an teilt er sich in vier Arme. Der eine heißt Pischon: Er umfließt ganz Schawila, das Goldland. Das Gold jenes Landes ist kostbar; auch Balsamharz und Karneolsteine sind dort vorhanden. Der zweite Strom heißt Gichon; er umfließt ganz Kusch. Der dritte Strom, der Tigris fließt östlich von Assur, und der vierte Strom trägt den Namen Euphrat.

Man könnte nun denken, die geographische Lage des Gartens Eden ist klar beschrieben und kann zweifellos lokalisiert werden. Das ist jedoch eine Fehleinschätzung! Generationen von Forschern haben sich der Lokalisierung des Paradieses angenommen und kommen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen, denn die Identifikation der Flüsse ist stark umstritten. Die Ursachen sind im Wesentlichen damit zu begründen, dass die jüdischen Überlieferungen älter sind als die christlichen und dort andere Namen Verwendung fanden, die bisher nicht in Einklang zu bringen waren. So kann auf der christlichen Seite auch vermutet werden, dass sich die Flussnamen erst abhängig von der Schöpfungsgeschichte entwickelt haben.




Auf die Lokalisierung des Paradieses komme ich später nochmals zurück!

Nun erfolgt eine Einlassung auf den „Sündenfall“: Nachdem Gott Mann und „Männin“ geschaffen hatte, verpflanzte er sie nackt in den Garten Eden. Genesis 2,25 sagt dazu: Beide aber, der Mann und seine Frau, waren nackt; aber sie schämten sich nicht voreinander.

Dann folgten Versuchung und Fall, die in Genesis Kapitel 3 wie folgt erzählt werden: 3,1 Die Schlange aber war listiger als alle anderen Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gebildet hatte. Sie sprach zur Frau: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ 3,2 Da sprach die Frau zur Schlange: „Von den Früchten der Gartenbäume dürfen wir essen.“ 3,3 Nur von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: „Esset nicht davon, ja rührt sie nicht an, sonst müsst ihr sterben!“ 3,4 Die Schlange sprach zur Frau: „O nein, auf keinen Fall werdet ihr sterben!“ 3,5 Vielmehr weiß Gott, dass euch, sobald ihr davon essed, die Augen aufgehen, und ihr wie Gott sein werdet, indem ihr Gutes und Böses erkennt.“

3,6 Da sah die Frau, dass der Baum gut sei zum Essen und eine Lust zum Anschauen und begehrenswert, um weise zu werden. Sie nahm von seinen Früchten, aß und gab auch ihrem Mann neben ihr, und auch er aß. 3,7 Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenlaub zusammen und machten sich eine Schürze daraus.

Das war der Sündenfall der Menschen, der Sündenfall des Christentums. Er wurde umgehend von Gott entdeckt und er leitete Maßnahmen und Bestrafungen ein, die in Genesis 3,8 – 3,20 geschildert werden.

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Als Strafe für die Frau versprach Gott der Frau viele Beschwerden bei der Schwangerschaft und Schmerzen bei der Geburt und dennoch ein Verlangen nach dem Manne. Zudem unterstellte er die Frau der Herrschaft des Mannes. Dem Mann erlegte er auf, sich und die seinen im Schweiße seines Angesichts zu ernähren. Mühsam soll er sein Brot auf dem Ackerboden verdienen, der verflucht sein sollte.

In 3,20 nannte Adam seine Frau Eva, denn sie ward zur Mutter aller Lebendigen. Dann vertrieb Gott Adam und Eva aus dem Garten Eden, was in 3,21 – 3, 24 Genesis beschrieben wird. Sie lebten fortan auf kargem Ackerboden östlich vom Garten Eden.

Soweit in Auszügen die entsprechenden Passagen des Alten Testaments zur Schöpfungsgeschichte und zum Sündenfall. Beides sollte die christliche Kultur über zwei Jahrtausende grundlegend prägen.

Dazu aber demnächst mehr!

Laktoseintoleranz

Was ist das eigentlich, diese „neumodische“ Krankheit, die mit dem schwer einprägsamen Begriff „Laktoseintoleranz“ bezeichnet wird? Wieder eine der Zivilisationskrankheiten, die es früher nicht gab?

Man könnte auch auf Deutsch Milchzuckerunverträglichkeit dazu sagen: Laktose ist ein in der Milch von Säugetieren enthaltener Zucker, abgeleitet vom lateinischen lac, Genitiv lactis Milch. Im menschlichen Körper wird der Milchzucker vom Enzym Laktase verdaut.

Alle (gesunden) neugeborenen Säugetiere bilden während ihrer Stillzeit das Enzym Laktase, dass diesen Zweifachzucker (Disaccharid) in die vom Körper verwertbaren Zuckerarten D-Galaktose und D-Glukose spaltet. Im Laufe der natürlichen Entwöhnung von der Muttermilch sinkt die Aktivität der Laktase-Bildung auf etwa 5–10 % der Aktivität bei der Geburt. Das gilt für den Menschen und alle anderen Säugetiere.





Betrachten wir nun speziell den Menschen, so ist festzustellen, dass sich die erzeugte Enzymmenge Laktase außerhalb des Säugling-Alters je nach Population unterschiedlich entwickelt. Während z. B. ein Großteil der erwachsenen mittel- und südasiatischen Bevölkerung keine Milchprodukte mehr verträgt, bereitet in nördlichen Bereichen (bei den meisten Bewohnern Europas und des Nahen Ostens oder Menschen europäischer und nahöstlicher Abstammung sowie den sibirischen und mongolischen Ethnien) die Milchzuckeraufnahme meistens bis ins hohe Alter keine Probleme.

Hydrolyse von Lactose (Milchzucker) zu Galaktose/Galactose (1) und Glukose/Glucose (2), z. B. durch eine Lactase katalysiert (Wikipedia)
Hydrolyse von Lactose (Milchzucker) zu Galaktose/Galactose (1) und Glukose/Glucose (2), z. B. durch eine Lactase katalysiert (Wikipedia)

Grund für das Versiegen der Enzymproduktion im Erwachsenenalter ist ein Gen. Doch warum ist das bei verschiedenen menschlichen Populationen so? Es ist eine evolutionäre Entwicklung von Populationen mit unterschiedlichen Ernährungsweisen. Diese Entwicklungen stehen also in direktem Zusammenhang mit der Ausbreitung der menschlichen Art sowie deren kulturellen Entwicklung.

Wenn wir nun diese Entwicklung auf dem eurasischen Kontinent betrachten, so ist es ein Ergebnis von Völkerwanderungen und folgenden spezifischen kulturellen Entwicklungen. Es ist in den mittel- und südasiatischen nach der Entwöhnung von der Muttermilch weiterhin nicht üblich, Milchprodukte in größeren Mengen als Nahrungsmittel zu verzehren.

Hingegen haben sich die Stämme, die ihren Weg in nördliche Bereiche vornahmen, ab etwa Ende der Steinzeit mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt. Die Fähigkeit Erwachsener Milch zu verdauen, hat sich demnach in Europa erst vor etwa 8 000 Jahren zu entwickeln begonnen. Mit der Viehzucht, speziell von sogenanntem Milchvieh, worunter man vorrangig Kühe sowie Ziegen und beschränkt auch Schafe versteht, begann sich auch eine neue kulturelle Besonderheit zu entwickeln: Der Einsatz von Milch und Milchprodukten als Nahrungsmittel.

Die Laktoseverträglichkeit ist somit beim erwachsenen Menschen eine stammesgeschichtlich relativ junge genetische Neuerung, wie der Mainzer Anthropologe Joachim Burger nachweisen konnte. Er hatte, gemeinsam mit britischen Kollegen, neun europäische Skelette aus der Jung- und Mittelsteinzeit (7800 bis 7200 Jahre alt) untersucht und bei der Analyse ihrer Gene entdeckt, dass keines dieser Individuen in der Lage war, Milch zu verdauen. Ein zur Kontrolle analysiertes, rund 1500 Jahre altes Skelett aus der Merowingerzeit besitzt hingegen die genetische Veränderung, so dass dieses Individuum Laktose verdauen konnte. Weitere gentechnische Analysen von Skeletten aus verschiedenen geschichtlichen Epochen stützen diese Erkenntnisse eindeutig. Der Anpassungsprozess zur Verdauung von Milch im Erwachsenenalter ist demnach ein vieltausendjähriger Prozess der Evolution, der noch lange nicht abgeschlossen ist.

Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass in der Regel Menschen, die einen langen europäischen Stammbaum haben, eine bessere Laktoseverträglichkeit aufweisen, als solche die erst vor wenigen Generationen aus milchzuckerunverträglichen Populationen zugewandert sind.

Laktoseintoleranz ist somit als Erbkrankheit anzusehen. Jedoch kann Laktoseintoleranz verschiedene Ursachen haben:

Angeborener Laktasemangel (absolute Laktoseintoleranz): Aufgrund eines Gendefektes ist die Laktasebildung stark eingeschränkt oder es kann überhaupt kein Enzym gebildet werden. Es handelt sich um eine seltene Erbkrankheit, die bereits in den ersten Tagen nach der Geburt an Durchfall erkennbar ist.

Auch gibt es den bereits geschilderte natürlichen Laktasemangel, bei Menschen die dem Säuglingsalter entwachsen sind. Zudem gibt es eine sogenannte sekundäre Laktoseintoleranz, die vorübergehend oder anhaltend sein kann und deren Ursachen sehr vielschichtig sein können.

Die Symptome bei Laktoseintoleranz können so vielschichtig sein, wie deren Ursachen, sie können jedoch immer auf den Konsum von Milch oder Milchprodukten zurückgeführt werden. Bei laktoseverträglichen Menschen wird der Milchzucker bereits im Dünndarm verarbeitet, bei laktoseintoleranten Menschen hingegen wird der Milchzucker im Dickdarm von der Darmflora vergoren. Diese biochemischen Prozesse führen zu Darmwinden und Blähungen, Bauchdrücken und -krämpfen, teilweise auch zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen. Es können jedoch auch unspezifische Symptome auftreten wie chronische Müdigkeit, depressive Verstimmungen, Gliederschmerzen, innere Unruhe, Schwindelgefühl (Vertigo), Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Erschöpfungsgefühl, Nervosität, Schlafstörungen, Akne, Konzentrationsstörungen, eine gestörte Aufnahme von Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen usw.

Jedoch sind alle Symptome bei angeborener Unverträglichkeit erheblich schwerer als bei der natürlichen, altersbedingten. Um eine Laktoseintoleranz zu diagnostizieren gibt es eine größere Anzahl von Testmöglichkeiten. Selbsttests sind allerdings in der Regel nicht eindeutig, weshalb immer ein Arzt hinzugezogen werden sollte.

Zudem sind bisher alle Formen von Laktasemangel nicht heilbar. Die Milchzuckerunverträglichkeit ist nur durch eine entsprechende milchzuckerfreie Ernährung oder die Einnahme von Laktase zu behandeln.

Besonders die Lebensmittelindustrie ist hier sehr hilfreich und bietet vielerlei laktosefreier Lebensmittel oder auch alternative Produkte an.

Letztlich kann gesagt werden, dass Laktoseintoleranz in einem gewissen Maße eine moderne Zivilisations-Erbkrankheit ist, die besonders durch die Globalisierung und den damit verbundenen Zuzug von Menschen ohne Laktasebildung Auswirkungen zeigt. Unsere europäische Ernährung ist traditionell auf die Verwendung von Milch und Milchprodukten angelegt, was allen, die unter entsprechendem Enzymmangel leiden, Schwierigkeiten bereitet.