Archiv der Kategorie: Wissenschaft

In der Wissenschaft wird fleißig gearbeitet und geforscht, jedoch braucht es ab und an auch einen klugen Gedanken. Denn wenn alle Berechnungen versagen ist dies nicht Zufall, sondern Unwissen.

Bernd Sternal

Florale Immigranten – wie unsere Flora sich verändert

Wir leben in einer Zeit des Klimawandels. Diese Aussage ist unstrittig, auch wenn ich die Meinung von Umwelt-, Natur- und Klimaschützern nur bedingt teile, dass wir Menschen dafür der maßgebliche Faktor sind.

Klimawandel – auch ganz gravierende – gab es zu allen Zeiten der Erdgeschichte und zudem lange bevor der Mensch dem Planeten seinen Stempel aufdrückte. Eigentlich kann man sagen, dass ein ständiger Klimawandel auf der Erde von statten geht, Mal in die eine, Mal in die andere Richtung.

Nun haben wir eine Erwärmungsphase: Als globale Erwärmung bezeichnet man den Anstieg der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere seit der Industrialisierung in den letzten 150 Jahren.

Dieser Klimawandel schafft nun auch in unseren Breiten für exotische und mediterrane Pflanzen optimale Bedingungen und lässt so manches hübsche Gartenpflänzchen invasiv werden.

Neobiota ist der Sammelbegriff für Arten und untergeordneten Taxa von Pflanzen und Tieren, die sich in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Diese Ausbreitung kann mit oder ohne menschliche Einflussnahme geschehen. Neobiotische Pflanzen nennt man Neophyten.

Für Deutschland gilt in der Regel, das Pflanzen als Neophyten bezeichnet werden, die hier nach dem Jahr 1492 eingeschleppt wurden. Dieses Jahr bezieht sich auf Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus.

Vielen Menschen ist heute schon gar nicht mehr bewusst, wie viele Pflanzen hier nicht heimisch, also Neophyten sind: Kartoffel, Tomate, Paprika, Gurke, Melone, um nur einige zu nennen. Wie würde unsere Speisekarte ohne diese Gemüse aussehen? Es würde sich wohl auch kaum einer beschweren, wenn sich diese Gemüsesorten unkontrolliert ausbreiten würden. Tun sie jedoch kaum, da sie alle nicht winterhart sind.

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Eine ganz andere Situation besteht diesbezüglich bei zahlreichen mehrjährigen Pflanzenstauden, die in ihrer Ausbreitung kaum noch zu stoppen sind: so die Kanadische Goldrute. Sie wurde von den Europäern bereits im 17. Jahrhundert in unsere Gärten eingeführt. Heute hat sie sich über die Gartenzäune hinaus ausgebreitet und wächst überall wo sie Luft und Sonne findet. Das derzeitige heimische Klima tut der Kanadischen Goldrute gut. Sie hat kaum Fraßfeinde, die sind auf der anderen Seite des Atlantik verblieben, und auch die Insekten scheinen sich kaum für die Goldrute begeistern zu können. So können sich ihre unterirdischen Triebe ungestört weiter ausbreiten.

Für den normalen Gartenfreund ist es kaum nachvollziehbar, woher unsere „Gartenschätzchen“ kommen, die wir in Gärtnereien, Baumärkten und sogar im Supermarkt erwerben. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Zierblumenarten bei uns Exoten. Rund 22.000 Zierpflanzenarten werden in Europa gehandelt, davon sind 15.000 aus der Ferne. Diesen stehen etwa 14.000 heimische Wildpflanzenarten gegenüber. Schnell können diese von invasiven Neophyten in kleinen Biotopen

verdrängt werden. In aller Mund ist der aus dem Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau. Dieser Doldenblütler bildet das für seine Familie typische Furocumarine, jedoch in hoher Dosis. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und anderen Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen Photodermatitis. Jedoch ist dieser sekundäre Pflanzenabwehrstoff auch in zahlreichen anderen Pflanzenfamilien – z.B. bei Zitrusgewächsen – anzutreffen.

Der Wissenschaft sowie Naturschützern bereiten die Neophyten zunehmend Sorge. Daher wurde ein europäisches Forschungsprojekt initiiert: „Biodiversa“.

Wie schon dargestellt sind eingeschleppte oder eingeführte Pflanzen nichts Neues. Jedoch hat sich die Zahl der weltweiten Warenexporte/Importe in den letzten 60 Jahren etwa verzwanzigfacht. In rasender Geschwindigkeit reisen Waren aller Art um die Welt und mit ihnen auch Pflanzen oder deren Samen. Und wenn alle Rahmenbedingungen stimmen dann sind diese Neophyten nicht aufzuhalten.

Das internationale Forschungsprojekt mit dem Titel „WhoIsNext“, will diesen potentiellen Immigranten auf den Zahn fühlen, bevor es zu spät ist. Ein internationales Team von Fachleuten hat dazu im Jahr 2015 im Fachmagazin Natur eine GLONAF-Datenbank (Global Naturalized Alien Floras) veröffentlicht. In dieser Datensammlung sind alle Informationen zusammengetragen, die über Pflanzenarten verfügbar sind, die sich irgendwo in der Welt in einem fremden Habitat etabliert haben. Das sind bisher zwar nur etwa drei Prozent der gesamten globalen Flora, aber immerhin. Wir wissen aus Erfahrung, das eine einzige eingewanderte Tier- oder Pflanzenart ein ganzes Biosystem stark beeinflussen kann.

So geschehen mit den Fichten, insbesondere im Harz. Nachdem, bedingt durch den frühneuzeitlichen Bergbau, der heimische Wald mit seinen Buchen und Eichen sowie anderen Laubbäumen zum großen Teil abgeholzt war, wurden massenhaft schnellwachsende Fichten angepflanzt. Auf Grund des Klimawandels kämpfen die Fichten nun um ihr Überleben. Die Frage Neophyt oder nicht spaltet selbst die Fachwelt. Für mich sind das ideologische Grabenkämpfe: Die Fichte war im Harz nicht zuhause und wurde eingeführt: Somit ist sie ein Neophyt.

Andere Immigranten sehen wir schon nicht mehr als solche an: Studentenblume, Sonnenblume, Mädchenauge, Winterling, Topinambur, Horn-Sauerklee, Essigbaum und viele andere sind kaum noch wegzudenken.

Weitere eingeführte Zierpflanzen breiten sich in anderen europäischen Ländern bereits stark aus: Die aus Südamerika stammende Bougainville schmückt bereits Hausfassaden und Mauern im ganzen Mittelmeerraum. Die Hanfpalme, zuhause in Südostasien, breitet sich im Tessin wild aus. Diese Reihe ließe sich lange fortführen. Da auch in Deutschland die Winter immer milder werden, haben exotische Pflanzen auch hier gute Überlebens- und Vermehrungsaussichten.

Dennoch besteht kein Grund zur Panik, wie sie viele Ökologen, Biologen, Umwelt- und Naturschützer gern schüren – wohl ein typisches deutsches Problem, diese Panikmache. Nur jede zehnte exotische Pflanze hat die Chance hier zu überleben und nur jede hundertste von diesen Immigranten hat das Zeug dazu, Einfluss auf unsere heimische Flora zu erlangen.

Ich persönlich sehe keine große Gefahr für die heimische Pflanzenwelt. Zudem: Wir können die Zuwanderung nicht verhindern – wie auch bei den menschlichen Immigranten – etwas regeln können wir sie jedoch. Und deshalb ist es gut, dass sich die Wissenschaft mit den Neophyten beschäftigt, uns Handlungsempfehlungen gibt und die ganze florale Einwanderung im Auge behält. Aber Angst brauchen wir wohl keine zu haben, denn letztlich regelt die Natur alles in Eigenregie und wir selbst sollten uns wohl nicht ganz so wichtig nehmen.




ABS (Antiblockiersystem) – auch für Fahrräder!

ABS ist wohl eine der segenreichsten Erfindungen in der Fahrzeug- und Flugzeugtechnik. Blockieren die Fahrzeugräder bei einer notwendigen Vollbremsung, so verliert der Fahrer/Pilot schnell die Kontrolle über sein Fahrzeug/Flugzeug, das dann häufig nicht mehr zu steuern ist. Mit zunehmender Leistung der Fahrzeuge/Flugzeuge und damit einhergehender hoher Geschwindigkeit, wurde dieses physikalische Problem zu einer immer größeren Gefahr im Verkehr.

Antiblockiersysteme sind keine neue Erfindung, bereits 1903 beantragte der Franzose Paul Hallot ein Patent für einen Bremskraftregler für Eisenbahnen. 1928 erhielt Karl Wessel ein Patent für einen Bremskraftregler für Kraftfahrzeuge und 1940 fanden durch Fritz Oswald erste Versuche mit einem elektromagnetischen Bremskraftregler statt. Jedoch war eine Überführung der Erfindung in die Serienreife damals noch nicht möglich.

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Zuerst wurde dann jedoch ein Blockierverhinderungssystem nicht bei Landfahrzeugen sondern in der Luftfahrt eingesetzt. Die Flugzeuge waren immer größer und schneller geworden, was 1952 den US-Amerikaner Vincent Hugo Bendix veranlasste ein System zu entwickeln, das ein Flugzeug beim Bremsen nach der Landung in der Spur hielt. Ab 1952 wurden dann verschiedene Flugzeugtypen mit dem von Dunlop Rubber entwickelten Maxaret-Anti-Skid ausgerüstet.

Es dauert jedoch noch fast zwanzig Jahre, bis ein derartiges System auch in Serie in einem PKW verbaut wurde. Ab 1971 bot der Chrysler-Konzern sein Luxusmodell Imperial mit einem Sure Brake genannten elektronischen Antiblockiersystem von Bendix an, das Vorder- und Hinterräder regelte.

1978 brachte Bosch sein elektronisches Antiblockiersystem auf den Markt; gleichzeitig wurde der Begriff ABS von Bosch rechtlich geschützt. Verfügbar war das System allerdings zuerst nur bei der Mercedes-Benz S-Klasse, dann bei der BMW 7er Baureihe. Erst ab 1985 gab es dann den ersten Großserien-PKW mit ABS: den Ford Scorpio. Zwei Jahre später zog der VW-Konzern mit zahlreichen Modellen gegen hohe Aufpreise nach. Heute ist fast jeder neuausgelieferte PKW mit ABS ausgestattet was auch für LKW gilt.

1985 begann zudem die Ära des ABS auch im Segment der Motorräder. Leider sind bis heute nur schnelle, leistungsstarke und teure Motorräder mit ABS ausgestattet, obwohl das System für Zweiräder von besonders großer Relevanz für deren Sicherheit ist. Zudem sind die Motorrad-Systeme von Hersteller zu Hersteller unterschiedlich und ein System, welches auch uneingeschränkt kurventauglich ist, gibt es bisher nicht.

Einige physikalische Erläuterungen zum Bremsverhalten können wohl zu diesem Thema etwas mehr Übersicht schaffen: Die max. negative Beschleunigung (umgangssprachlich Bremsverzögerung) hängt immer auch vom Fahrbahnzustand sowie den Reifen ab. Sie wird dementsprechend zwischen 10-25 % Schlupf erreicht. Bei 100 Prozent Schlupf, also der höchsten negativen Verzögerung, blockiert das Rad oder die Räder schließlich. In diesem Zustand findet nur noch Gleitreibung statt, was ein Lenken des Fahrzeuges unmöglich macht. Hingegen ist eine max. Bremswirkung nur bei Roll- bzw. Haftreibung zu erzielen, die zudem das Fahrzeug lenkfähig hält. Moderne Antiblockiersysteme steuern daher die Bremskraft an jedem Rad, so dass kein Rad blockiert und an jedem ein möglichst optimaler Schlupf erzielt wird. Dennoch ist ein ABS-System kein Freifahrschein um die Gesetze der Physik außer Kraft zu setzen. Zu viel Komponenten spielen im Gesamtkontext eine wichtige Rolle: der Fahrer, die Reifen, der Fahrbahnbelag, der Fahrbahnzustand und nicht zuletzt die spezifische Situation.

Diesen Beitrag habe ich jedoch verfasst, weil nun auch ABS für E-Bikes, und demnächst auch für ganz normale Fahrräder, zur Verfügung steht.

Der Weltmarktführer für ABS-Systeme, die Firma Bosch, hat nun eine „Abflugsicherung“ für Pedelecs auf den Markt gebracht, denn bei Zweiradfahrern bremst die Angst immer mit. Besonders bei den immer populäreren E-Bikes ist ein hohes Gefahrenpotential vorhanden, wie ich aus eigener Erfahrung sagen kann: Bei unbefestigtem Untergrund rutscht beim Bremsen gern das blockierend, Vorderrad weg, auf griffigem Straßenbelag hingegen bewirkt das Bremsen – insbesondere mit leistungsstarken Hydraulikbremsen – gern einen Überschlag, also das Anheben des Hinterrades.




Bosch-E-Bike-ABS: Das rund 500 Euro teure und 800 g schwere System wird in der Regel zusammen mit den hydraulischen Scheibenbremsen installiert. Bei den üblichen Hydraulikbremssystemen wird zunächst durch betätigen des Bremshebels Druck erzeugt, der die Bremsbeläge an die Bremsscheibe presst. Das von Bosch konzipierte ABS-System regelt nur die Vorderradbremse, hat jedoch an beiden Rädern Sensoren. Das Steuersystem am Lenker erkennt an Hand eines Drehzahlvergleichs, ob das Vorderrad blockiert oder das Hinterrad abhebt und leitet entsprechend der vorliegenden Messwerte eine Regelung ein. Dazu wird über ein gesteuertes Magnetventil Hydraulikflüssigkeit in einen Vorratsbehälter geleitet, so dass sich die Bremskraft an Vorderrad so reduziert, dass ein Blockieren verhindert wird. Federsysteme sorgen dafür, dass sich der Bremszylinder schnell löst. Ist dadurch eine optimale Bremsleistung erreicht worden, schaltet das Magnetventil um und der Normalbetrieb der Bremsanlage wird wiederhergestellt.

Ein tolles ABS-System hat Bosch da für E-Bikes entwickelt. Es ist zwar noch arg teuer, wird wohl aber bald als serienmäßiges System preiswerter und stellt für Pedelec-Fahrer, besonders wenn diese flott unterwegs sind, ein wirklich relevantes Fahrsicherheitssystem dar, auf das viele Radler sicherlich bald nicht mehr verzichten möchten.

Das mysteriöse Männermassensterben in der Jungsteinzeit – 17 Frauen auf einen Mann

Massensterben sind in der Geschichte des Menschen eher die Regel als die Ausnahme. Jedoch waren sie immer verbunden mit Naturkatastrophen, Seuchen oder Krankheiten und trafen daher stets die gesamte betroffene menschliche Population.

Diese Ereignisse lassen sich zumeist wissenschaftlich nachweisen und zum Teil auch begründen. Hingegen gab es vor etwa 7.000 – 5.000 Jahren einen angeblichen unerklärlichen Männerschwund von gewaltigem Ausmaß, welcher der Wissenschaft Rätsel aufgibt. Frauen blieben von diesem Bevölkerungsrückgang wohl weitgehend verschont.

Forschungen ergaben, dass ein Teil der damaligen Bevölkerung verschwand: die Männer. Dieses Phänomen wird als Y-Chromosom-Flaschenhals bezeichnet. Es wurde nachgewiesen, dass in jener Zeit, bei den ausschließlich bei Männern vorhandenen Y-Chromosomen, eine starke Verarmung der genetischen Vielfalt auftrat. Ein Phänomen, welches bisher Rätsel aufgibt.

Forscher unter der Führung des Soziologen Tian Cheng Zeng von der US-Universität Stanford meinen, nun eine Lösung gefunden zu haben. In ihrem Aufsatz im Magazin „Nature“ nehmen sie sich des abrupten Männerrückgangs an, der sich „über verschiedene Populationen Afrikas, Europas und Asiens“ erstreckt haben soll. Die männliche Bevölkerung sei damals auf ein Zwanzigstel ihres ursprünglichen Wertes zusammengeschrumpft – schließlich kam nur noch ein Mann auf 17 Frauen.

Wie die Forscher zu dieser Erkenntnis kamen und ob diese überprüfbar ist, lässt sich von mir nicht beurteilen.

Für Zeng und seine Kollegen, den Mathematiker Alan Aw und den Biologen Marcus Feldmann gibt es nur eine plausible Erklärung: Es fand eine lang anhaltende Periode von Kämpfen zwischen rivalisierenden Sippen statt, die patrilinear (in Vaterfolge) organisiert waren. Somit müssten alle Mitglieder dieser Sippen miteinander verwandt gewesen sein. Frauen hingegen wechselten zwecks Heirat in andere Sippen oder wurden bei kriegerischen Auseinandersetzungen erbeutet und in die eigene Sippe integriert. Die Wissenschaftler schließen aus diesem Rückgang der genetischen Vielfalt, ausschließlich bei den männlichen Y-Chromosomen, dass viele Männer bereits starben, bevor sie sich fortpflanzen konnten.

Das Wissenschaftler-Team findet dafür die Begründung einer Periode von langanhaltenden Kriegen, die zu einem massenhaften Männersterben führten. Die überlebenden Männer der unterlegenen Sippen und Stämme wurden getötet und die Frauen mussten zu den Siegern übersiedeln.

Nach Auffassung der Wissenschaftler verstärkte der in der Jungsteinzeit einsetzende Wechsel vom Nomadentum zur sesshaften Lebensweise diese Entwicklung erheblich. Die dadurch auftretenden Konflikte um ressourcenreiches Siedlungsland verstärkten die Konflikte zwischen rivalisierenden Stämmen. Diese kriegerischen Auseinandersetzungen hatten laut den Forschern zur Folge, dass die speziellen genetischen Merkmale auf den Y-Chromosomen einer Sippe einfach ausgelöscht wurden, sobald deren Männer Opfer der Kämpfe geworden waren.

Die Forscher erstellten mathematische Computer-Modelle um ihre Hypothese zu überprüfen. Dazu ließen sie die Sippen virtuell gegeneinander antreten. Das Ergebnis: Kriege zwischen patrilinear organisierten Sippen und Stämmen führen mit der Zeit zu einer Abnahme der genetischen Vielfalt auf allen männlichen Y-Chromosomen. Bei nicht patrilinear organisierten Gruppen hingegen ist dies nicht zu beobachten. Am Ende setzten sich in der Jungsteinzeit also wenige der Sippen und Stämme gegen viele andere durch und sicherten damit die Überlieferung ihres Erbguts in die heutige Zeit. Die genetischen Besonderheiten der unterlegenen männlichen Linien hingegen gingen für immer verloren. Soweit das Ergebnis dieses Forscherteams zum Y-Chromosomen-Flaschenhals.

Dies ist jedoch eine These, die ich so nicht teilen kann: In früh- und vorgeschichtlicher Zeit und selbst noch im Mittelalter gab es zwischen den Geschlechtern eine strenge Arbeitsteilung. Die Frauen waren für den Haushalt, die Kinder, Wasser und das Sammeln von Früchten, Beeren, Pilzen und Gemüse verantwortlich. Die Männer beschützten die Sippe und ernährten sie.

Frauen mit Kindern, die ihren Mann verloren hatten, kamen in existentielle Schwierigkeiten und waren häufig dem Tod geweiht. Dass ein Mann bis zu 17 Frauen mit ihren Kindern versorgen konnte, ist schwer vorstellbar. Zudem gibt es auch keine Hinweise darauf, dass die Sieger eines Krieges oder Kampfes auch alle Kinder der unterlegenen Sippe getötet haben. Wenn diese zusammen mit den Frauen in die siegreiche Sippe aufgenommen worden wären, so wären auch deren genetischen Merkmale erhalten geblieben.




Das der Y-Chromosomen-Flaschenhals zu jener Zeit bestanden hat, ist in der Wissenschaft wohl unstrittig. Jedoch kann er durchaus auch andere Ursachen haben: z.B. durch eine übertragbare Männerkrankheit. Auch wären bei solchen langandauernden Kriegen sehr viele Männer der Sieger ums Leben gekommen oder zum Krüppel geworden. Die Sieger hätten daher wohl sicherlich die gesunden überlebenden Männer der unterlegenen Sippe versklavt bzw. in ihre Sippe integriert. Mich wundert immer aufs Neue, wie Wissenschaftler logische Zusammenhänge negieren, um ihre eigenen Thesen zu platzieren. Zudem werden die früh- und vorgeschichtlichen Menschen gern als Barbaren ohne Kultur und Wissen angesehen, die sie ganz sicher nicht waren.

Die Zahlen des Teams der Stanford Universität sind daher wenig logisch und durchaus anzuzweifeln. Das sich diese Y-Chromosomen-Theorie zudem während der Jungsteinzeit gleichzeitig auf allen damals besiedelten Kontinenten – Afrika, Asien und Europa – derart vollzogen haben soll, ist zudem kaum glaubhaft. Bis heute gibt es für die Ausbreitung der Menschen verschiedene Theorien. Die ersten Hochkulturen entstanden jedoch in Vorderasien und waren mit einem Kulturwandel zur Sesshaftigkeit verbunden. Dieser Kulturwandel fand in Mittel-, Süd- und Westeuropa erst einige Jahrtausende später statt. Zudem waren große europäische Teile damals noch derart dünn besiedelt, dass die beschriebenen Ausrottungskriege zur Land- und Ressourcengewinnung wohl nicht anzunehmen sind.

Somit glaube ich nicht daran, dass das Rätsel des Y-Chromosomen-Flaschenhalses mit dieser These aufgeklärt wurde. Eben so wenig wie die Evolutionsgeschichte der menschlichen Art. Zudem: Wie hat sich der Frauenüberschuss wieder ausgeglichen, wenn sich die Geburtenrate je Geschlecht immer etwa die Waage hält?