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In der ganzen Welt ist jeder Politiker sehr für Revolution, für Vernunft und Niederlegung der Waffen – nur beim Feind, ja nicht bei sich selbst.

Hermann Hesse

Vom Islam und von Sunniten und Schiiten – Teil 5

Es gibt verschiedene Verbote, Regeln und Traditionen, die nicht ohne weiteres aus dem Koran herauszulesen sind und die für uns Europäer, die wesentlich vom christlichen Glauben geprägt wurden, schwer verständlich sind.
Dazu zählt auch das Schweinefleischverbot des Islam. Zunächst muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass auch im Judentum sowie weiteren Religionen dieses Verbot herrscht. Dass der Islam auf religiösen Grundlagen des Judentums wie auch des Christentums fußt, hatte ich bereits erläutert.
Im Islam wird nach Halāl-Fleisch unterschieden. Halāl ist ein arabisches Wort, dass mit „erlaubt“ oder „zulässig“ übersetzt wird. Es benennt alle Dinge und Handlungen, die nach islamischem Recht erlaubt oder zulässig sind. Im Koran heißt es dazu sinngemäß: Verboten ist euch Fleisch zu essen von verendeten Tieren, Blut, Schweinefleisch und Fleisch, worüber ein anderes Wesen als Allah angerufen worden ist und was erstickt, erschlagen, zu Tode gestützt und was durch ein wildes Tier angefressen wurde – es sei denn, ihr schächtet es (rituelles Schlachten mit ausbluten von koscheren Tieren). Auch was auf heidnischen Opfersteinen geschlachtet wurde, ist für den Genuss verboten.
Reiseführer kostenlos anfordernIm Islam wird daher das betäubungslose Schlachten (mit ausbluten) traditionell praktiziert. Es gibt dazu in den verschiedenen Strömungen des Islam unterschiedliche Auslegungsformen. So sehen islamische Gelehrte das Betäuben vor dem Schlachten durchaus mit islamischem Recht als vereinbar an. Bei vielen Muslimen besteht jedoch die Angst, dass die Betäubung tödlich sein könnte und damit das Fleisch verboten sei.
Allgemein kann jedoch festgestellt werden, dass es keine einheitlichen Speisevorschriften im Islam gibt, was zu unterschiedlichen Interpretationen führt – auch die unterschiedliche Auslegung muslimischer Gelehrter zu diesem Sachverhalt vereinfacht die Sachlage nicht. Weitaus differenzierter als in den Staaten mit islamischer Leitkultur ist die Auslegung der Speisevorschriften bei Muslimen die in Europa ihre Heimat gefunden haben. Nach der Studie Muslimisches Leben in Deutschland, „halten sich 91 Prozent der Befragten Sunniten an islamische Speisevorschriften. Für Schiiten (60 Prozent) und Aleviten (49 Prozent) ist die Befolgung dieser Vorschriften weitaus weniger wichtig.
Jedoch wirft das traditionelle, betäubungslose Schächten in Deutschland zahlreiche Fragen auf. Gemäß § 17 TierSchG ist dieses in Deutschland verboten! Dennoch stellt ein Verstoß gegen dieses Gesetz in der Regel nur eine Ordnungswidrigkeit dar. Auch kann aus religiösen Gründen eine Ausnahmeregelung beantragt werden. Religion kann also Tierschutz aushebeln. Ein unakzeptabler Zustand, denn Recht kann nicht von der Religion anhängig sein – gleiches Recht für alle ist oberster Verfassungsgrundsatz.
Die Regel des traditionellen Schächtens sowie die Speiseregeln aus dem Koran, Sure 5, Vers 3, erklärt jedoch noch nicht das Verzehrverbot für Schweinefleisch.
Im 3. Buch Mose, dass sowohl Bestandteil des Jüdischen Tanach, wie auch des christlichen Alten Testaments ist, steht: „Alle Tiere, die gespaltene Klauen haben, Paarzeher sind und wiederkäuen, dürft ihr essen. […] Ihr sollt für unrein halten das Wildschwein, weil es zwar gespaltene Klauen hat und Paarzeher ist, aber nicht wiederkäut. Ihr dürft von ihrem Fleisch nicht essen und ihr Aas nicht berühren; ihr sollt sie für unrein halten.“
Über die Jahrhunderte hinweg wurde in allen Religionen, in die die Bücher Mose Eingang gefunden haben – so auch im Islam – versucht die Unreinheit von Schweinen zu begründen. Für mein logisches und naturwissenschaftliches Verständnis jedoch recht unglaubwürdig. Dennoch muss es dafür eine Erklärung geben, die außerhalb religiöser Vorstellungen liegt.
Der moderne Erklärungsversuch des amerikanischen Anthropologen Marvin Harris ist hingegen wohl sehr realitätsnah. Er geht von ökologischen und ökonomischen Faktoren aus, denen ich zudem noch Klimaveränderungen hinzufügen möchte. Schweine haben ihren Lebensraum in Wäldern mit viel Schatten sowie Feuchtgebieten. Diese Bedingungen gingen in den Ländern Nordafrikas und Vorderasiens – die ab etwa 630 Länder des Islam wurden – ab etwa 3000 v. Chr. zunehmend zurück. Zum einen wurde durch die veränderten ökologisch/klimatischen Bedingungen der Schweinehaltung zunehmend die ökonomische Grundlage entzogen, zum anderen mussten sich die Schweine den veränderten Bedingungen anpassen. Die Menschen begannen auf anspruchslose Wiederkäuer zu setzen, denen pflanzliche Nahrung genügte, die für die menschliche Ernährung ungeeignet war. So könnte es gewesen sein!
Jedoch leben wir heute in einer modernen, technisierten Informationsgesellschaft – auch in den muslimischen Staaten sind Smartphones Artikel des täglichen Lebens geworden. Jüdische Gelehrte erkannten schon vor Jahrhunderten, dass andere Völker und Religionen Schweinefleisch aßen, ohne Schaden zu erleiden. Der Umgang der Juden mit ihren Speisegesetzen gestaltet sich heute weitaus lockerer als der von Muslimen. Diese halten nach wie vor an den alten religiösen Traditionen fest. Auch wenn sie, wie derzeit, als Flüchtlinge in Europa eine neue Heimat suchen – dem Kontinent der Schweinefleisch-Liebhaber. Das ist wohl ein eines von vielen Integrationshemmnissen. Oder wir ändern unsere Gesetzeslage, aber wollen wir das?

Demnächst: Teil 6 – Die Rolle der Frau im Islam




Vom Islam und von Sunniten und Schiiten Teil 4

Wen wir uns den Islam betrachten, mit allen seinen verschiedenen Strömungen, so müssen wir zunächst die Fünf Säulen des Islam anschauen, die diese monotheistische Religion ausmachen. Dabei ist zu beachten, dass diese Religion den Islam und den Glauben auseinanderhält. Das ist für uns Menschen aus dem christlichen Abendland schwer verständlich.
Man kann es so betrachten, dass der Islam eine gesellschaftliche Ordnung darstellt, die politisch geprägt ist, also alle Angelegenheiten eines Gemeinwesens durch verbindliche Entscheidungen regelt. Hingegen ist der Glaube an Gott als einzigen Gott und Mohamed als Gesandten Gottes die Religion.
Der Koran ist die Heilige Schrift des Islam, er besteht aus 114 Suren (Abschnitte), diese bestehen wiederum aus einer unterschiedlichen Anzahl an Versen. Bereits im Koran selbst wird eine wichtige Unterscheidung getroffen, nämlich zwischen der Annahme des Islams (islām) und der Annahme des Glaubens (īmān). Dennoch definiert der Koran nicht den Islam sondern nur den Glauben. Über diesen hingegen geben die Berichte über den Propheten, das sogenannte Gabriel-Hadith, Auskunft.
Der Glaube besteht gemäß diesem Hadith aus folgendem Bekenntnis: „Dass Du bekennst, dass es keinen Gott gibt außer Gott und dass Mohammed der Gesandte Gottes ist; dass Du das Pflichtgebet verrichtest und die Armengabe leistest, dass Du im Ramadan fastest und zum Haus (Gottes) pilgerst, wenn du in der Lage bist, dies zu tun. Aus diesem Hadith leitet sich auch die islamische Lehre ab, die aus fünf Hauptpflichten besteht – die Fünf Säulen. Diese werden üblicherweise mit den folgenden arabischen Namen bezeichnet:

1. Schahāda (islamisches Glaubensbekenntnis), das sinngemäß lautet: Erster Teil „Es gibt keinen Gott außer Gott“, zweiter Teil „“Mohammed ist der Gesandte Gottes“. Die Schiiten fügen meist noch einen dritten Satz hinzu: Ali „ist der Freund Gottes“.

2. Salāt (Pflichtgebet): Nach der islamischen Lehre ist es die oberste Pflicht eines jeden volljährigen Muslime fünf Mal täglich Richtung Mekka zu beten. Die Einsetzung der fünf Pflichtgebete erfolgte nach der islamischen Überlieferung bei der Himmelfahrt Mohammeds. Die Gebetszeiten für die Pflichtgebete werden folgendermaßen definiert: Fadschr (Morgendämmerung), Zuhr (Mittag), ʿAsr (Nachmittag), Maghrib (Sonnenuntergang) und ʿIschā‘ (Abend). Dabei sind diese Pflichtgebete nicht an eine festgelegte Uhrzeit gebunden, sondern müssen innerhalb eines festgelegten Zeitraums stattfinden.

3. Zakāt (Almosengabe): Jeder Muslime ist verpflichtet zur Abgabe eines bestimmten Anteils seines Besitzes an Bedürftige und andere festgelegte Personengruppen. Dazu kommt noch eine freiwillige Spende, die als Sadaqa bezeichnet wird.

4. Saume (das religiöse Fasten): Es findet im islamischen Monat Ramadan statt. Dieser ist der neunte Monat im islamischen Mondkalender. In einer ganzen Anzahl islamischer Staaten ist das Fasten im Ramadan für alle volljährigen und gesunden Muslime gesetzliche Pflicht – ein Verstoß führt oftmals zu stattlichen Zwangsmaßnahmen. Während des Ramadans nehmen die Fastenden täglich zwischen Morgendämmerung und Sonnenuntergang keinerlei Nahrungs- oder Genussmittel zu sich und sind zudem auch sexuell enthaltsam. Das Mahl zum Fastenbrechen am Abend wird Iftar‎ und die letzte Mahlzeit am Morgen Sahūr genannt.

5. Haddsch (Pilgerfahrt nach Mekka): Jeder freie, volljährige und gesunde Muslim – ob Mann oder Frau –, der es sich leisten kann, ist verpflichtet, einmal im Leben nach Mekka zu pilgern. Die Pilgerfahrt ist im Koran als religiöse Pflicht mit einer gewissen Einschränkung[1] verankert. Jede Person, die den Haddsch vollzogen hat, trägt den Ehrentitel «Hāddsch. Die Pilgerfahrt findet jährlich während des Monats Dhu l-Hiddscha statt, dem zwölften und letzten Monat des islamischen Kalenders.
Das waren die fünf Pflichten, die der Islam nach der Definition des Gabriel-Hadith seinen Muslimen auferlegt. Seit langer Zeit ist es jedoch Realität, dass alle im Koran genannten Pflichten und Verbote als Teil des Islam betrachtet werden, der sich selbst als ganzheitliche Lebensweise sieht.

Demnächst: Warum es Muslimen untersagt ist Schweinefleisch zu essen.




Vom Islam und von Sunniten und Schiiten Teil 3

Im Laufe seiner Geschichte haben sich innerhalb des Islams zahlreiche Richtungen herausgebildet, die sich hinsichtlich ihrer religiösen und politischen Lehren unterscheiden und die sich heute leider zum Teil recht unversöhnlich gegenüberstehen.
Ich möchte mich, um den gesteckten Rahmen nicht zu sprengen, nur den zwei Hauptrichtungen des Sunnitentums und des Schiitentums zuwenden.
Dazu müssen wir uns nochmals zurückbegeben in die Entstehungszeit des Islams im 7. Jahrhundert. Bereits unter dem dritten Kalifen Umar ibn al-Chattab (644–656) taten sich unter den Gläubigen des Islam erste Gräben auf, was sich mit dem vierten Kalifen Alī ibn Abī Tālib verfestigte. Es begann sich die älteste religiöse Strömung des Islams, die Charidschiten, die „Auszügler“, herauszubilden.
Kalif Umar war der erste (oder zweite) männliche Anhänger Mohammeds und heiratete dessen Tochter Fatima. Über die Frage, ob er berechtigt gewesen wäre, unmittelbar nach dem Tode Mohammeds dessen Nachfolge anzutreten, begannen sich die Muslime zu entzweien.
Für die Schiiten, die zweite religiös-politische Strömung des Islam, deren Name sich von schīʿat ʿAlī / „Partei ʿAlīs“) ableitet, war Kalif ʿAlī der rechtmäßige Nachfolger Mohammeds. Die Sunniten dagegen meinen, dass Mohammeds Schwiegervater Abū Bakr, der auch tatsächlich die Nachfolge antrat, größeren Anspruch darauf hatte. Auch Kalif ʿAlīs Söhne Hasan und Husain sind zentrale Figuren im schiitischen und alevitischen Islam. Bis heute genießen die Aliden, die Nachkommen ʿAlīs, hohes Ansehen in den muslimischen Gesellschaften. Bis heute ist jedoch auch dieser Streit nicht beigelegt.
Mit der Expansion des Islam und der damit verbundenen Eroberung ehemalige römischer Gebiete, stieg zum Ende des 7. Jahrhunderts der soziale und religiöse Druck auf die christliche und jüdische Bevölkerung in diesen Gebieten. Zunächst wurde diesen Religionen – den Buchreligionen des Koran – ein Schutzverhältnis zugestanden. Sie konnten dementsprechend weiterhin ihrer Religion anhängig bleiben und auch ihr Leben und ihr Eigentum wurde durch dieses Schutzverhältnis gesichert. Dennoch durften die Christen, Juden und Zoroastrier, die in den islamisch beherrschten Regionen lebten, ihren Glauben nicht mehr öffentlich verrichten. Die Diskriminierung der Nichtmuslime nahm jedoch ständig zu: zuerst wurde es ihnen untersagt Waffen zu tragen. Es folgte ein Verbot neue Kirchen sowie Gebäude mit religiösem Hintergrund zu errichten, dann wurde begonnen Nichtmuslime aus Ämtern und Verwaltungen zu entfernen und letztlich mischten sich die Muslime in die Religionsangelegenheiten ein, sowie begannen kirchliche Güter zu konfiszieren. Durch diese gesamtheitliche Diskriminierung sollten alle Andersgläubigen zum Islam gedrängt werden.
Die Konversion der einheimischen Bevölkerung zum Islam war dennoch ein Prozess, der sich über Jahrhunderte hinzog. Das gilt auch für die anderen Gebiete, die bis zum Anfang des 8. Jahrhunderts unter islamische Herrschaft kamen, wie Nordafrika, Andalusien und Transoxanien.

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In den folgenden Jahrhunderten versuchten die arabisch-muslimischen Staaten zunehmend in christliche Gebiete zu expandieren: Naher Osten, Nordafrika, Italien, Sardinien, Spanien, Portugal usw. Besonders der Einfall islamischer Völker – die wir als Sarazenen bezeichen – im Jahr 846 in Rom und die damit verbundene Zerstörung und Plünderung der St. Peter Basilika trafen das Christentum bis ins Mark. Schon seit 638 stand Jerusalem – das Heilige Land – unter muslimischer Herrschaft. Jedoch waren die christlich geprägten Staaten des „Abendlandes“ im Frühmittelalter außerstande politisch koordiniert zu handeln. Erst mit der Entstehung des Heiligen Römischen Reiches, unter den Ottonen im Hochmittelalter, begann eine politische Stabilisierung einzusetzen, die auch den islamischen Expansionsbestrebungen militärisch Einhalt gebieten konnte.
Kaiser Otto II. hatte 972 durch die Heirat mit Theophanu, der Nichte des oströmischen/byzantinischen Kaisers Johannes I. Tzimiskes , eine familiäre Verbindung mit dem byzantinischen Kaiserhaus begründet. Um 1095 wurde der Byzantinische Kaiser Alexios von den sunnitischen Muslimen der Fürstendynastie der Petschenegen bedrängt und soll dem deutschen Kaiser Heinrich IV., weitere abendländische Fürsten und Könige sowie den Papst um Unterstützung gebeten haben.
Papst Urban II. rief daraufhin am 27. November 1095 in Clermont-Ferrand zum Kreuzzug auf. Er öffnete mit diesem Kriegszug gegen die Muslime, dessen Ziel neben der Hilfe für Byzanz die Rückeroberung des Heiligen Landes war, die Büchse der Pandora, deren Deckel bis heute nicht wieder geschlossen werden konnte.
Demnächst geht es weiter!