Archiv der Kategorie: Geschichte

Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Von Zunderlade und Steinschloss-Feuerzeug

Tunderlah - Zunderlade, zeitgenössische Darstellung
Tunderlah – Zunderlade, zeitgenössische Darstellung

Für die jungen Leute ist heute Feuermachen kein Thema mehr. Wenn überhaupt, dann gibt es dafür Feuerzeuge, notfalls Streichhölzer. Jedoch benötigten die Menschen auch vor dieser bedeutenden Erfindung Mittel, um Feuer zu entfachen. Die dazu genutzten Geräte gehören zu den ältesten und notwendigsten in der Kulturgeschichte des Menschen. Über tausende von Jahren entwickelten sich die Gerätschaften zum Entfachen von Feuer nur sehr langsam. Durch Ötzi wissen wir heute, dass bereits im Neolithikum Zundermaterial verwendet wurde. In Mitteleuropa kam dazu vorrangig der sogenannte Zunderschwamm zum Einsatz. Das ist eine Baumpilz-Art aus der Familie der Stielporlings-Verwandten. Hinzu kamen Feuerstahl und Feuerstein um die Funken zur Entzündung des Zunders zu erzeugen. Seit Beginn der Neuzeit wurde in einem aufwändigen Verfahren die Hyphenschicht des Pilzes eingeweicht, gekocht, geklopft, in Salpeterlösung oder Urin eingelegt und getrocknet. Dabei erhielt man eine rehbraune filzartige Masse, die durch auftreffende Funken sofort zu glimmen anfing. Die erforderlichen Funken wurden durch „pinken“ erzeugt, indem mit einem Feuerstahl auf einen Feuerstein geschlagen wurde. Dieser spezialbehandelte Zunder musste achtsam und trocken gehalten werden. Auch war es ratsam die drei Komponenten zur Feuerentfachung zusammen zu halten. In Nord- und Mitteldeutschland kam zu diesem Zweck die Zunderlade zum Einsatz. Das war in der Regel eine Holzlade mit zwei Fächern – die sogenannte „ Tunnerlah“. Der größere Teil der Lade war offen, er enthielt die Feuersteinstücke sowie ein etwa handgroßes Stück Stahl. Der kleinere Teil war mit einem Deckel verschlossen, um den darin enthaltenen Zunder trocken zu halten.

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Mit dem Stahlstück „pinkte“ man aus dem Feuerstein Funken. Der Funkenflug war so gerichtet, dass er den Zunder traf, der auf einem Holzstück lag, und diesen zum Glimmen brachte. Durch fleißiges Pusten sowie der Zugabe von Holzspänen (Kienspäne) sowie kleinen Holzstücken, die an einem Ende mit Schwefel überzogen waren, wurde ein Feuer entfacht. Das wurde dann zur Herdstelle oder zum Ofen gebracht und durch vorsichtige Zugabe von weiterem Holz weiter entfacht.

Dies war die kostengünstigste Art Feuer zu machen, dennoch auch keine ganz unkomplizierte. Bei zügigem oder feuchtem Wetter benötigte es trotz entsprechender Erfahrungen sicherlich mehrerer Versuche – jedoch, wenn man damals eines hatte, dann war es Zeit.

Daher setzten Leute, die es sich leisten konnten, etwa ab Ende des Dreißigjährigen Krieges zum Feuermachen Steinschlossfeuerzeuge ein. Dafür gab es wohl sehr verschiedene Konstruktionen, die sich in der Regel jedoch an der Mechanik einer Steinschlosspistole orientierten. Daher wurden auch unbrauchbare Pistolen wohl zu Feuerzeugen umgebaut. Bei dieser mechanisierten Art Feuer zu entfachen, wurden die Feuersteinfunken statt auf das Schießpulver auf den Zunder geleitet.

Füertüg - Feuerzeug - zeitgenössische Darstellung
Füertüg – Feuerzeug – zeitgenössische Darstellung

Die zum Feuermachen mit Schwefel getränkten Holzstücke „Swebelsticke“, konnte man käuflich erwerben, zumeist aber wurden sie selbst hergestellt. Den Zunder hingegen kaufte man grundsätzlich bei den „Tunderkeerls“ ein. Die deutschen Wälder waren für diese Erwerbstätigkeit sehr ergiebig. Der Zunderschwamm Formes fomentarius, bzw. dessen Fruchtkörper, ist ein Schwächeparasit der Laubbäume und in unseren heimischen Wäldern nichts Seltenes. Für die Zundersammler war es ein Teilerwerb für die Sommer- und Herbstzeit – dann war der Zunder „reif“. Vorrangig mit einem Esel zogen die Männer dann in den Wald. Mit langen Holzstangen, an deren oberen Ende scharfe eiserne Schabeeisen angebracht waren, lösten die Zundersammler den Pilzfruchtkörper von den Bäumen. War eine Ladung zusammengetragen, so ging es nachhause damit. Dort wurden die Zunderschwämme gereinigt und für etwa 14 Tage in Pottaschenlauge (Kalisalzlauge) eingelegt. War der Zunder genügend ausgelaugt wurde er getrocknet. Während dieses Vorgangs wurde er regelmäßig mit Holzknüppeln bearbeitet, damit er schön weich wurde. Zum Schluss wurden die Zunderschwämme in schmale Streifen oder Scheiben geschnitten und man behandelte diese mit Salpeter, damit sie leichter entzündbar wurden.

Wir sehen also, auch um zum benötigten Feuer in Haus und Hof zu kommen, waren erhebliche Mühen erforderlich. Auch wird deutlich, wie wichtig die Natur für unsere Vorfahren war. Um den Zunder, besonders in kalten und nassen Zeiten des Jahres trocken zu halten, wurde er in der Regel in kleinen Säckchen direkt am Körper aufbewahrt. Heute wachsen die Zunderschwämme unbeachtet in unseren Wäldern, keiner braucht sie mehr. Mit der Erfindung des Streichholzes kam er aus der Mode; ihn wird’s freuen und auch die Menschen werden ihm nicht nachgetrauert haben.




Der Tod der Glühlampe

Die Glühlampe, im Volksmund Glühbirne genannt, ist am Sterben – so will es die EU. Und wie bei so vielen Entscheidungen der EU, wurde auch in diesem Fall gegen den Willen der Bevölkerung eine rein technokratische Entscheidung getroffen. Natürlich nur zu unserem Besten!

Die Glühlampe war die erste bedeutende Erfindung zur Anwendung von elektrischem Strom. Die ersten Glühlampen stammen aus den 1840er Jahren und hatten Glühfäden aus Platin; aus ihnen wurde kein marktfähiges Produkt, da die Lichtausbeute einfach zu gering war. Der US-amerikanische Erfinder und Unternehmer Thomas Alva Edison erfand dann im Jahr 1879 die Glühlampe heutiger Prägung. Es war wohl eine der bahnbrechendsten Erfindungen überhaupt, die Glühlampe. Brachte sie den Menschen doch nicht nur Licht in jeden Raum, sondern war auch Triebfeder der Elektrifizierung und damit der Industriellen Revolution. Besonders Werner von Siemens dürfte diese Erfindung sehr gefreut haben, verhalf sie seiner Erfindung eines isolierten Kabels doch endgültig zum Durchbruch.

Die physikalisch-technischen Eigenschaften und das Funktionsprinzip von Glühlampen möchte ich hier nur anreißen. Auf jeden Fall produzierte sie ein Licht, das wir als sehr angenehm empfinden. Dabei nimmt jedoch das für uns wahrnehmbare Licht bei der Energieumwandlung nur einen geringen Prozentsatz ein. Der Hauptanteil des produzierten Lichtes liegt im für uns unsichtbaren Infrarotbereich und wird als Wärme abgestrahlt. Wie auch immer die Lampe konstruktiv aufgebaut war, sie lieferte ein Licht, das den Menschen gefiel, und das fast 150 Jahre lang. Bis es Weltverbessern, Lobbyisten und Technokraten in den Sinn kam, diese allgegenwärtige Leuchtmittel zu verbieten.

Zuvor hatte man bereits seit 1924 alle Glühlampennutzer, also im Grunde allen Menschen die elektrischen Strom nutzen, vorsätzlich „hinters Licht geführt“. Das neugegründete Phoebuskartell – auch Glühlampenkartell genannt – sollte nur einen Zweck erfüllen: Für höhere Verkaufszahlen sorgen und somit die Gewinne zu maximieren. Dieses in Genf von den international führenden Glühlampenherstellern geschlossene Kartell, trat nach außen als Normen- und Typenkartell auf und propagierte nur die besten Absichten für den Verbraucher. In Wahrheit war den Produzenten jedoch die fast unbegrenzte Lebensdauer der Glühlampen ein Dorn im Auge. Also konstruierte man die Glühlampe so um, dass ihre maximale Lebensdauer bei 1 000 Stunden Brenndauer lag. Wer Lampen mit längerer Lebensdauer fertigte, musste mit drastischen finanziellen Sanktionen rechnen. Zudem wurde der Markt aufgeteilt, was eine freie Preisgestaltung der Hersteller ermöglichte. Die Glühlampe mit Wolframdraht, wie sie Jahr 1911 von General Elektric entwickelt worden war, wurde zwar prinzipiell beibehalten, jedoch mit einer Art Sollbruchstelle versehen. Zudem wurden Wissenstransfer und uneingeschränkter Patentaustausch zwischen den Mitgliedsfirmen vereinbart. Etwas Positives von diesem Kartell gab es dennoch zu vermelden: Eine Vereinheitlichung von Lampenfassungen und Lampensockeln. Nach dem Eintritt der USA in den Zweiten Weltkrieg im Jahr 1941, verschwand diese Kartell offiziell. Für die häufiger verbreitete Ansicht, es habe bis in die 1990er Jahre weiterbestanden, oder bestehe sogar heute noch, gibt es weder Beweise noch Gegenbeweise.

Inoffiziell hat sich bei der Lebensdauer jedoch bis heute nichts geändert – zumindest in der westlichen Welt. Es gibt dazu zahlreiche Verschwörungstheorien; Argumente und Gegenargumente halten sich dabei die Waage. Fakten hingegen sind: In der ehemaligen Sowjetunion und in Ungarn gab es immer Glühlampen mit langer Lebensdauer und die chinesischen Lampen brennen heute noch über 5 000 Stunden. Dieses Kartell, egal wie lange es auch bestanden haben mag, kostete die Verbraucher gewaltige Geldsummen.

Zu jedem Argument findet man auch ein Gegenargument, man muss nur lange genug suchen. Dem schlechten Wirkungsgrad der Glühlampe bei der Lichterzeugung können durchaus die geringen Herstellungskosten, der niedrige Preis, der geringe Material- und Energieaufwand bei der Produktion sowie ihre mögliche lange Lebensdauer entgegengestellt werden – hinzu kommt ihre vergleichsweise umweltfreundliche Entsorgung. Auch reduziert ihre Wärmestrahlung die nötige Zufuhr von Heizwärme in Räumen und Gebäuden. Das waren dennoch keine Argumente für Umweltschützer und EU-Technokraten die fruchteten.

Auch die Erfindung des Berliner Elektroingenieurs Dieter Binninger fand bei diesen Entscheidungsprozessen keine Beachtung. Der Ingenieur war kein Spinner sondern ein geschätzter Entwickler und Konstrukteur und er forschte an der sogenannten „Ewigkeitsglühbirne“. Im Jahr 1975 hatte er zuvor die „Berliner-Uhr“ entwickelt. Das war eine Uhr ohne Zeige, die mittels Glühlampen im Mengenlehreprinzip die Zeit darstellte – sie war demnach ein Vorläufer der digitalen Uhr. Diese Uhr funktioniert übrigens bis heute ohne Probleme. Binninger selbst hatte mit dieser Uhr nur ein Problem: Die Glühlampen waren laufend durchgebrannt. So stellte er sich die Aufgabe der Entwicklung einer neuartigen Glühlampe mit langer Lebensdauer und es hat den Anschein, als ob er sehr erfolgreich war. Nach eigenen Angaben soll die Lebensdauer 150 000 Stunden betragen haben. Seine wesentlichen Verbesserungen lauten: Eine neue Form des Glühfadens, ein edelgasgefüllter Glaskolben sowie eine Diode als Dimmer. Die Leuchtmittelindustrie lehnte jedoch dankend ab: Kein Interesse an „unkaputtbaren“ Lampen. Aus Sicht der Hersteller ist diese Reaktion wohl nachvollziehbar, wer sägt sich schon den Ast ab, auf dem er sitzt. Viele Jahre führte Binninger seinen Kampf, einen aussichtlosen Kampf – ich kenne das aus eigener Erfahrung. Erst mit der Wiedervereinigung sollte er seine Chance bekommen. Der ungarische Lampenhersteller Tungsram, der schon immer Glühlampen mit längerer Lebensdauer produziert hatte, bot sich als potentieller Partner an. Tungsram war zu jener Zeit gerade von General Elektric übernommen worden. Um die Marktpräsenz zu erhöhen wollte man 1991 den DDR-Glühlampenhersteller Narva von der Treuhand erwerben. Kurz vor der Übernahme des Betriebes kam Dieter Binninger, zusammen mit seinem Sohn und dem Piloten, bei einem Flugzeugabsturz mit der eigenen Propellermaschine ums Leben. Die Absturzursachen waren mysteriös und konnten nie geklärt werden.

Inzwischen sind Binningers Patentrechte erloschen. In einigen Publikationen ist davon die Rede, dass die von Binninger gepriesenen Vorteile seiner „Ewigkeitslampe“ nicht belegt werden konnten. Es seien fachliche Fehler in den Patenttexten bei der Effizienz- und Lebensdauerberechnung vorhanden gewesen. Wer auch immer diese Gerüchte gestreut hat, der hat bewusste Falschinformation betrieben und zudem von gewerblichem Rechtsschutz (Patentrecht) keine Ahnung, denn Berechnungen sind grundsätzlich keine Bestandteile von Patenttexten. Auch ist es kaum möglich solche Lebensdauerberechnungen verlässlich anzustellen. 150 000 Stunden sind 6 250 Tage, das sind über sieben Jahre – solche Zeiträume sind außerdem verschleißtechnisch schwer zu simulieren. Auch wäre dies die einhundertfünfzigfache Lebensdauer der herkömmlichen Glühlampe; selbst das Zehnfache wäre bereits ein erheblicher Fortschritt gewesen.


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Die neuen Energiesparlampen, insbesondere Kompaktleuchtstofflampen, sollten nun eine erheblich längere Lebensdauer haben als die Glühlampen und sie sollen umweltfreundlicher sein. Ich konnte davon bisher nichts feststellen – meine Leben auch nicht länger als die Glühlampe, dafür sind sie jedoch wesentlich teurer. Aber irgendwas ist ja immer! Dann ist da jedoch auch noch eine schlechte Energiebilanz bei der Prodiktion, nicht das Licht, das wir uns wünschen, erhebliche Probleme bei der Entsorgung und zu guter Letzt: ein Bringer ist das Design auch nicht. Dennoch war die EU-Kommission der Meinung, uns vom Technik- und Kulturerbe der Glühlampe erlösen zu müssen.

Die EU ist eisern mit ihrer Ökodesign-Richtlinie 2005/32/EG von 2006 und will die normale Glühlampe endgültig aus unserem Leben tilgen. Für 2014 war geplant die Richtlinie auf den Prüfstand zu stellen, jedoch still ruht der See. Von den vielen handwerklichen Fehlern bei der Formulierung des Gesetzes wollen wir nur ansatzweise reden. Gesetzeslücken lassen es zu, dass stoßfeste Baulampen, hitzebeständige Lampen für Wärmeöfen, sowie Designlampen für Dekorationszwecke weiter als Glühlampen gefertigte werden dürfen. Das Ergebnis konnte vorhergesehen werden: Anbieter modifizieren diese legalen Lampen für andere Anwendungen. Zudem wird versucht leistungsstarke Glühlampen als Heizelemente auf dem Markt zu platzieren. Wohl eine unendliche Geschichte, die nur ein Ende finden kann, wenn dem Verbraucher Lichtquellen angeboten werden die seine uneingeschränkte Zustimmung finden.




Jahr ohne Sommer und ohne Sonne

Vulkan Tambora
Vulkan Tambora

Als ich vor einigen Wochen vor einer Gruppe gestandener Akademiker und Akademikerinnen einen Vortrag über die Geschichte Mitteldeutschlands gehalten habe, war ich erstaunt, als ich auf das „Jahr ohne Sommer“ zu sprechen kam: keine von meinen Zuhörern hatte je davon gehört. Dabei sind seit diesem gravierenden Naturereignis nur zweihundert Jahre vergangen.

Im April des Jahres 1815 kam es auf der indonesischen Insel Sumbawa zu einem gewaltigen Ausbruch des Vulkans Tambora. Mit Stärke 7 auf dem Vulkanexplosionsindex war dieser Ausbruch der stärkste seit etwa 26.500 Jahren, als der neuseeländische Supervulkan Taupo ausgebrochen war; dieser Taupo-Ausbruch gilt mit Stufe 8 als der größte jemals nachgewiesene.

Der Ausbruch des Tambora im Jahr 1815 war ein Naturereignis, dass globale Auswirkungen hatte. Das war den Menschen in anderen Ländern und Kontinenten jedoch nicht bewusst. Erst 1920 fand der amerikanische Klimaforscher William Jackson Humphreys eine Erklärung für das „Jahr ohne Sommer“, das Jahr 1816. Er führte die weltweiten Klimaveränderungen in jener Zeit auf den Ausbruch des Tambora in Indonesien zurück.

In einem Forschungsbericht des Max-Planck-Institutes für Meteorologie aus dem Jahr 2002 wird geschätzt, dass bei diesem Vulkanausbruch etwa 150 qkm Staub und Asche in die Atmosphäre geschleudert wurden; hinzu kamen noch Schwefelverbindungen. Unter Anwendung der Stöchiometrie errechnete man daraus eine Schwefeldioxidmenge von ungefähr 130 Megatonnen, die ebenfalls unsere Atmosphäre belasteten. Staub, Asche und Schwefeldioxid verteilten sich wie ein Schleier um die ganze Erde.

Die daraus resultierenden Klimaveränderungen und Wetterkapriolen betrafen, zum Teil mit erheblichen Zeitverzögerungen, alle Kontinente – besonders jedoch die Nordhalbkugel. Die daraus resultierende Abkühlung des Weltklimas dauerte bis 1819/20 an.

Am gravierendsten waren die Folgen jedoch im Jahr nach dem Vulkanausbruch, also 1816. Von Anfang Juli bis Ende August gab es in Nordamerika einen Wintereinbruch, der im Nordosten der USA zu Nachtfrostperioden mitten im Hochsommer führte. Im Osten Kanadas und in den heutigen Bundesstaaten Connecticut, New Hampshire, Maine, Massachusetts, Rhode Island und Vermont (Neuengland), fiel Schnee, der in Québec eine Höhe von 30 Zentimetern erreichte.

Auch Europa hatte stark unter den Klimaveränderungen und infolge dessen unter den  Wetterunbilden zu leiden. Erwähnt werden muss jedoch, dass bereits ab 1812, also 3 Jahre vor der Vulkankatastrophe, eine erhebliche Abkühlung in Europa eingesetzt hatte. Von 1812 bis 1821 waren die niedrigsten Sommertemperaturen in den letzten 500 Jahren zu verzeichnen. Die Ursachen für den Ausbruch dieser Kältezeit sind bisher ungeklärt. 1816 kamen dann noch die Auswirkungen des Vulkanausbruchs hinzu. In zahlreichen alten Publikationen wird das Jahr 1816 auch als Jahr ohne Sonne bezeichnet, denn diese soll in zahlreichen Gebieten Europas ständig vom Dunstschleier der Atmosphäre verdeckt gewesen sein.

In Mitteleuropa und auch in Deutschland müssen die Auswirkungen dennoch unterschiedlich stark gewesen sein. Am stärksten betroffen war wohl in Mitteleuropa das Gebiet unmittelbar nördlich der Alpen: Elsass, Deutschschweiz, Baden, Württemberg, Bayern und das österreichische Vorarlberg. Jedoch muss auch Mitteldeutschland recht stark betroffen gewesen sein, wie ich aus einigen zeitgenössischen Quellen erfahren konnte. Es kam zu schweren Unwettern mit extremen Regenfällen, teilweise sogar mit Schneefällen mitten im Sommer. Zahlreiche Flüsse, unter anderem der Rhein und die Elbe traten über die Ufer und verursachten schwere Überschwemmungen. Die Folge der niedrigen Temperaturen und anhaltenden Regenfälle in Teilen Europas waren katastrophale Missernten. Diese führten zu drastischen Preissteigerungen für Nahrungsmittel, insbesondere für Getreide. Die Auswirkungen zeigten sich erst 1817 und 1818 wo die Preise um das Doppelte, bis zum Fünffachen, anstiegen.

Besonders extrem müssen die daraus resultierenden Hungersnöte in der Deutschschweiz gewesen sein. Die Neue Luzerner Zeitung vom 17. April 2010 berichtete dazu: “. In Ybrig, in Rothenthurm und in den Berggegenden „haben die Kinder oft im Gras geweidet wie die Schafe“.

Deutschland war zusätzlich zu den klimabedingten Hungersnöten schwer von den gerade beendeten Napoleonischen Kriegen gezeichnet. Es kam deshalb zu einer großen Emigrationsbewegung. In Süddeutschland schifften sich viele Menschen über die Donau nach Osteuropa aus. Auch setzte die erste große Auswanderungswelle nach Amerika ein; es war noch keine Massenauswanderung wie etwa hundert Jahre später, aber immerhin waren es bis 1820 bereits etwa 150 000 Menschen, die den Weg über den Atlantik auf sich nahmen. Die Folgen des Vulkanausbruchs in Indonesien, die sich auf das Weltklima auswirkten, waren auf der nördlichen Erdhalbkugel bis 1819/20 spürbar.

Am stärksten war dennoch Indonesien sowie die asiatischen Regionen rund um Indonesien betroffen: Starke Niederschläge aus vulkanischer Asche reichten bis Borneo, Sulawesi, Java und zu den Molukken. Durch den Ausbruch starben mindestens 71.000 Menschen auf Sumbawa und Lombok, hiervon 11.000 bis 12.000 direkt durch die Eruption.

Die Klimaabkühlung hatte jedoch schon vor dem bekannten Ausbruch des Tamboras im Jahr 1815 einsetzt, weshalb wohl noch andere Ursachen dafür heranzuziehen sind. Aerosolablagerungen in grönländischen und antarktischen Bohrkernen lassen die Vermutung zu, dass es bereits vor dem Tambora-Ausbruch eine mächtige Vorläufereruption gegeben haben kann. Ort und Zeit dieser Katastrophe sind derzeit noch unbekannt.

Die Spätfolgen des Vulkanausbruches waren noch nach Jahren und Jahrzehnten augenscheinlich. Besonders bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang kam es zu merklichen Veränderungen des Lichtspektrums. Die vom Tambora in die Atmosphäre geschleuderten Staub- und Aschepartikel streuten das langwellige Sonnenlicht und erzeugten so neue Farbspiele, wie sie sonst nicht auftreten: Diese seltsame Himmelspracht wussten die biedermeierlichen Landschaftsmaler zu nutzen und auf ihre Leinwand zu bannen. Es waren Farbschattierungen von Rot, Orange, Violett, mitunter Blau- und Grüntöne sowie intensive Erdfarben.

Der Ausbruch des Tambora kann auch als gute Beispiel dafür dienen, wie wenig Einfluss die Menschheit auf Klimaveränderungen hat. Sicherlich sind Ökologie und Umweltschutz in einer modernen Gesellschaft unverzichtbar und auch Rahmenbedingungen zum Klimaschutz eine gute Sache. Die Art und Weise, wie mit dieser Gesinnung jedoch mitunter Politik gemacht wird, und mit Hilfe dieser Politik Profit, nimmt teilweise schon bedenkliche Züge an. Bedenklich ist, wenn in diesem Zusammenhang versucht wird, regelrechte Zukunftsangst zu erzeugen. Aber das ist ein anders Thema, dem ich mich ganz sicher in einem späteren Beitrag zuwenden werde.