Archiv der Kategorie: Geschichte

Was die Erfahrung und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Die Suche nach dem Garten Eden, dem Paradies: Teil 1

Menschen mit christlicher Glaubenstradition kennen den Garten Eden aus dem 1. Buch Mose (Genesis) des Alten Testaments. Das Buch Mose ist der erste und damit wichtigste Teil des Bibelkanons, denn es beinhaltet die Schöpfer-Erzählung und begründet damit zugleich das 1. Gebot der Christenheit: Du sollst keine anderen Götter haben neben mir.

Im Buch Genesis wird im 2. Kapitel der Garten Eden beschrieben, in der Folge wird von der Schöpfung, dem Sündenfall und der Vertreibung aus dem Garten erzählt.

Jedoch ist das Buch Genesis – wie auch alle anderen Bücher des Alten Testaments – keine Überlieferung aus dem Christentum, sondern alle Bücher wurden vom jüdischen Tanach und der Tora übernommen, schriftstellerisch bearbeitet und in einer etwas anderen Anordnung kanonisiert.

Der Tanach als Sammlung jüdischer Schriften entstand vor etwa 1200 Jahren. Dabei gehen die ältesten erhaltenen Texte des Tanach auf die Silberrollen von Ketef Hinnom zurück, die aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. stammen. Mit der griechischen Übersetzung des Tanach kam der Begriff „Paradies“ auf (griech. paradeisos = Garten).

Garten Eden von Hieronimus Bosch
Garten Eden von Hieronimus Bosch

Die Verschriftlichung der Tora, dem ersten Teil der Tanach, erfolgte in einem langen Überlieferungsprozess, in dem unterschiedliche Quellen und verschiedene redaktionelle Bearbeitungen Eingang gefunden haben. Der Pentateuch wurde spätestens etwa 440 v. Chr. zur Zeit Esras fertiggestellt und ab etwa 250 v. Chr. aus dem Althebräischen in die griechische Septuaginta und in aramäische Targume übersetzt.

Betrachten wir uns die christliche Schöpfungsgeschichte einmal genauer. Im Buch Genesis steht geschrieben:

1,1 Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde;

1,2 Die Erde aber war wüst und leer, Finsternis lag über der Urflut und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.

1,3 Da sprach Gott: Es werde Licht. Und es wurde Licht.

1,4 Gott sah, dass das Licht gut war. Da trennte Gott Licht von Finsternis.

1,5 Gott nannte das Licht Tag, die Finsternis aber Nacht. Es ward Abend und es ward Morgen: ein Tag.

Die gesamte Schöpfung Gottes erfolgte in 6 Tagen und ist in Genesis 1,6 – 1,25 beschrieben:

Am 1. Tag schuf er Urflut und das Licht.
Am 2. Tag schied er das Wassers in oberhalb und unterhalb des Himmelsgewölbes.
Am 3. Tag schuf er Land, Meer und Pflanzen.
Am 4. Tag schuf er Sonne, Mond und Sterne.
Am 5. Tag: schuf er die Tiere des Wassers und Vögel
Am 6. Tag: schuf er Landtiere.

Noch am 6. Tag sprach Gott – Genesis 1,26: „Lasset uns Menschen machen, nach unserem Abbild, uns ähnlich; sie sollen herrschen über des Meeres Fische, über die Vögel des Himmels, über das Vieh, über alle Landtiere und über alle Kriechtiere am Boden!“

1,27 So schuf Gott den Menschen nach seinem Abbild, nach Gottes Bild schuf er ihn, als Mann und Frau erschuf er sie.

1,28 Gott segnete sie und sprach zu ihnen: „Seid fruchtbar und mehret euch, füllet die Erde und machet sie untertan und herrschet über des Meeres Fische, die Vögel des Himmels und über alles Getier, das sich auf Erden regt!“

Im Kapitel 2 Genesis 2,4 – 2,9 wird beschrieben, wie und warum Gott den Garten Eden schuf. Und in 2,8 wird explizit ausgeführt: Darauf pflanzte Gott, der Herr, einen Garten in Eden gegen Osten und er versetzte dorthin den Menschen den er gebildet hatte.

In 2,10 – 2,14 wird folgend die Lage des Garten Edens beschrieben: Ein Strom entsprang in Eden zur Bewässerung des Gartens. Von da an teilt er sich in vier Arme. Der eine heißt Pischon: Er umfließt ganz Schawila, das Goldland. Das Gold jenes Landes ist kostbar; auch Balsamharz und Karneolsteine sind dort vorhanden. Der zweite Strom heißt Gichon; er umfließt ganz Kusch. Der dritte Strom, der Tigris fließt östlich von Assur, und der vierte Strom trägt den Namen Euphrat.

Man könnte nun denken, die geographische Lage des Gartens Eden ist klar beschrieben und kann zweifellos lokalisiert werden. Das ist jedoch eine Fehleinschätzung! Generationen von Forschern haben sich der Lokalisierung des Paradieses angenommen und kommen alle zu unterschiedlichen Ergebnissen, denn die Identifikation der Flüsse ist stark umstritten. Die Ursachen sind im Wesentlichen damit zu begründen, dass die jüdischen Überlieferungen älter sind als die christlichen und dort andere Namen Verwendung fanden, die bisher nicht in Einklang zu bringen waren. So kann auf der christlichen Seite auch vermutet werden, dass sich die Flussnamen erst abhängig von der Schöpfungsgeschichte entwickelt haben.




Auf die Lokalisierung des Paradieses komme ich später nochmals zurück!

Nun erfolgt eine Einlassung auf den „Sündenfall“: Nachdem Gott Mann und „Männin“ geschaffen hatte, verpflanzte er sie nackt in den Garten Eden. Genesis 2,25 sagt dazu: Beide aber, der Mann und seine Frau, waren nackt; aber sie schämten sich nicht voreinander.

Dann folgten Versuchung und Fall, die in Genesis Kapitel 3 wie folgt erzählt werden: 3,1 Die Schlange aber war listiger als alle anderen Tiere des Feldes, die Gott, der Herr, gebildet hatte. Sie sprach zur Frau: „Hat Gott wirklich gesagt, ihr dürft von keinem Baum des Gartens essen?“ 3,2 Da sprach die Frau zur Schlange: „Von den Früchten der Gartenbäume dürfen wir essen.“ 3,3 Nur von den Früchten des Baumes in der Mitte des Gartens hat Gott gesagt: „Esset nicht davon, ja rührt sie nicht an, sonst müsst ihr sterben!“ 3,4 Die Schlange sprach zur Frau: „O nein, auf keinen Fall werdet ihr sterben!“ 3,5 Vielmehr weiß Gott, dass euch, sobald ihr davon essed, die Augen aufgehen, und ihr wie Gott sein werdet, indem ihr Gutes und Böses erkennt.“

3,6 Da sah die Frau, dass der Baum gut sei zum Essen und eine Lust zum Anschauen und begehrenswert, um weise zu werden. Sie nahm von seinen Früchten, aß und gab auch ihrem Mann neben ihr, und auch er aß. 3,7 Da gingen beiden die Augen auf, und sie erkannten, dass sie nackt waren. Sie hefteten Feigenlaub zusammen und machten sich eine Schürze daraus.

Das war der Sündenfall der Menschen, der Sündenfall des Christentums. Er wurde umgehend von Gott entdeckt und er leitete Maßnahmen und Bestrafungen ein, die in Genesis 3,8 – 3,20 geschildert werden.

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Als Strafe für die Frau versprach Gott der Frau viele Beschwerden bei der Schwangerschaft und Schmerzen bei der Geburt und dennoch ein Verlangen nach dem Manne. Zudem unterstellte er die Frau der Herrschaft des Mannes. Dem Mann erlegte er auf, sich und die seinen im Schweiße seines Angesichts zu ernähren. Mühsam soll er sein Brot auf dem Ackerboden verdienen, der verflucht sein sollte.

In 3,20 nannte Adam seine Frau Eva, denn sie ward zur Mutter aller Lebendigen. Dann vertrieb Gott Adam und Eva aus dem Garten Eden, was in 3,21 – 3, 24 Genesis beschrieben wird. Sie lebten fortan auf kargem Ackerboden östlich vom Garten Eden.

Soweit in Auszügen die entsprechenden Passagen des Alten Testaments zur Schöpfungsgeschichte und zum Sündenfall. Beides sollte die christliche Kultur über zwei Jahrtausende grundlegend prägen.

Dazu aber demnächst mehr!

Laktoseintoleranz

Was ist das eigentlich, diese „neumodische“ Krankheit, die mit dem schwer einprägsamen Begriff „Laktoseintoleranz“ bezeichnet wird? Wieder eine der Zivilisationskrankheiten, die es früher nicht gab?

Man könnte auch auf Deutsch Milchzuckerunverträglichkeit dazu sagen: Laktose ist ein in der Milch von Säugetieren enthaltener Zucker, abgeleitet vom lateinischen lac, Genitiv lactis Milch. Im menschlichen Körper wird der Milchzucker vom Enzym Laktase verdaut.

Alle (gesunden) neugeborenen Säugetiere bilden während ihrer Stillzeit das Enzym Laktase, dass diesen Zweifachzucker (Disaccharid) in die vom Körper verwertbaren Zuckerarten D-Galaktose und D-Glukose spaltet. Im Laufe der natürlichen Entwöhnung von der Muttermilch sinkt die Aktivität der Laktase-Bildung auf etwa 5–10 % der Aktivität bei der Geburt. Das gilt für den Menschen und alle anderen Säugetiere.





Betrachten wir nun speziell den Menschen, so ist festzustellen, dass sich die erzeugte Enzymmenge Laktase außerhalb des Säugling-Alters je nach Population unterschiedlich entwickelt. Während z. B. ein Großteil der erwachsenen mittel- und südasiatischen Bevölkerung keine Milchprodukte mehr verträgt, bereitet in nördlichen Bereichen (bei den meisten Bewohnern Europas und des Nahen Ostens oder Menschen europäischer und nahöstlicher Abstammung sowie den sibirischen und mongolischen Ethnien) die Milchzuckeraufnahme meistens bis ins hohe Alter keine Probleme.

Hydrolyse von Lactose (Milchzucker) zu Galaktose/Galactose (1) und Glukose/Glucose (2), z. B. durch eine Lactase katalysiert (Wikipedia)
Hydrolyse von Lactose (Milchzucker) zu Galaktose/Galactose (1) und Glukose/Glucose (2), z. B. durch eine Lactase katalysiert (Wikipedia)

Grund für das Versiegen der Enzymproduktion im Erwachsenenalter ist ein Gen. Doch warum ist das bei verschiedenen menschlichen Populationen so? Es ist eine evolutionäre Entwicklung von Populationen mit unterschiedlichen Ernährungsweisen. Diese Entwicklungen stehen also in direktem Zusammenhang mit der Ausbreitung der menschlichen Art sowie deren kulturellen Entwicklung.

Wenn wir nun diese Entwicklung auf dem eurasischen Kontinent betrachten, so ist es ein Ergebnis von Völkerwanderungen und folgenden spezifischen kulturellen Entwicklungen. Es ist in den mittel- und südasiatischen nach der Entwöhnung von der Muttermilch weiterhin nicht üblich, Milchprodukte in größeren Mengen als Nahrungsmittel zu verzehren.

Hingegen haben sich die Stämme, die ihren Weg in nördliche Bereiche vornahmen, ab etwa Ende der Steinzeit mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigt. Die Fähigkeit Erwachsener Milch zu verdauen, hat sich demnach in Europa erst vor etwa 8 000 Jahren zu entwickeln begonnen. Mit der Viehzucht, speziell von sogenanntem Milchvieh, worunter man vorrangig Kühe sowie Ziegen und beschränkt auch Schafe versteht, begann sich auch eine neue kulturelle Besonderheit zu entwickeln: Der Einsatz von Milch und Milchprodukten als Nahrungsmittel.

Die Laktoseverträglichkeit ist somit beim erwachsenen Menschen eine stammesgeschichtlich relativ junge genetische Neuerung, wie der Mainzer Anthropologe Joachim Burger nachweisen konnte. Er hatte, gemeinsam mit britischen Kollegen, neun europäische Skelette aus der Jung- und Mittelsteinzeit (7800 bis 7200 Jahre alt) untersucht und bei der Analyse ihrer Gene entdeckt, dass keines dieser Individuen in der Lage war, Milch zu verdauen. Ein zur Kontrolle analysiertes, rund 1500 Jahre altes Skelett aus der Merowingerzeit besitzt hingegen die genetische Veränderung, so dass dieses Individuum Laktose verdauen konnte. Weitere gentechnische Analysen von Skeletten aus verschiedenen geschichtlichen Epochen stützen diese Erkenntnisse eindeutig. Der Anpassungsprozess zur Verdauung von Milch im Erwachsenenalter ist demnach ein vieltausendjähriger Prozess der Evolution, der noch lange nicht abgeschlossen ist.

Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass in der Regel Menschen, die einen langen europäischen Stammbaum haben, eine bessere Laktoseverträglichkeit aufweisen, als solche die erst vor wenigen Generationen aus milchzuckerunverträglichen Populationen zugewandert sind.

Laktoseintoleranz ist somit als Erbkrankheit anzusehen. Jedoch kann Laktoseintoleranz verschiedene Ursachen haben:

Angeborener Laktasemangel (absolute Laktoseintoleranz): Aufgrund eines Gendefektes ist die Laktasebildung stark eingeschränkt oder es kann überhaupt kein Enzym gebildet werden. Es handelt sich um eine seltene Erbkrankheit, die bereits in den ersten Tagen nach der Geburt an Durchfall erkennbar ist.

Auch gibt es den bereits geschilderte natürlichen Laktasemangel, bei Menschen die dem Säuglingsalter entwachsen sind. Zudem gibt es eine sogenannte sekundäre Laktoseintoleranz, die vorübergehend oder anhaltend sein kann und deren Ursachen sehr vielschichtig sein können.

Die Symptome bei Laktoseintoleranz können so vielschichtig sein, wie deren Ursachen, sie können jedoch immer auf den Konsum von Milch oder Milchprodukten zurückgeführt werden. Bei laktoseverträglichen Menschen wird der Milchzucker bereits im Dünndarm verarbeitet, bei laktoseintoleranten Menschen hingegen wird der Milchzucker im Dickdarm von der Darmflora vergoren. Diese biochemischen Prozesse führen zu Darmwinden und Blähungen, Bauchdrücken und -krämpfen, teilweise auch zu Übelkeit, Erbrechen und Durchfällen. Es können jedoch auch unspezifische Symptome auftreten wie chronische Müdigkeit, depressive Verstimmungen, Gliederschmerzen, innere Unruhe, Schwindelgefühl (Vertigo), Schweißausbrüche, Kopfschmerzen, Erschöpfungsgefühl, Nervosität, Schlafstörungen, Akne, Konzentrationsstörungen, eine gestörte Aufnahme von Mineralien, Spurenelementen und Vitaminen usw.

Jedoch sind alle Symptome bei angeborener Unverträglichkeit erheblich schwerer als bei der natürlichen, altersbedingten. Um eine Laktoseintoleranz zu diagnostizieren gibt es eine größere Anzahl von Testmöglichkeiten. Selbsttests sind allerdings in der Regel nicht eindeutig, weshalb immer ein Arzt hinzugezogen werden sollte.

Zudem sind bisher alle Formen von Laktasemangel nicht heilbar. Die Milchzuckerunverträglichkeit ist nur durch eine entsprechende milchzuckerfreie Ernährung oder die Einnahme von Laktase zu behandeln.

Besonders die Lebensmittelindustrie ist hier sehr hilfreich und bietet vielerlei laktosefreier Lebensmittel oder auch alternative Produkte an.

Letztlich kann gesagt werden, dass Laktoseintoleranz in einem gewissen Maße eine moderne Zivilisations-Erbkrankheit ist, die besonders durch die Globalisierung und den damit verbundenen Zuzug von Menschen ohne Laktasebildung Auswirkungen zeigt. Unsere europäische Ernährung ist traditionell auf die Verwendung von Milch und Milchprodukten angelegt, was allen, die unter entsprechendem Enzymmangel leiden, Schwierigkeiten bereitet.

Das Uran-Projekt der Nationalsozialisten letzter Teil

Die wirkliche Gefahr, die von diesem Reaktor-Brandfall in Leipzig ausgegangen war, hatte man wohl noch nicht auf dem Schirm. Um jedoch zukünftig derartige Vorfälle auszuschließen, beschloss man bei weiteren Versuchen das Uran-Pulver durch festen Uran-Guss zu ersetzen.

Heisenberg errechnete, dass für eine erste kritische Kettenreaktion etwa zehn Tonnen Guss-Uran und fünf Tonnen schweren Wassers benötigen würden. Die verschiedenen Forschungsgruppen arbeiteten jedoch nicht kooperativ zusammen, sondern eher gegeneinander. Natürlich war einer der Gründe für diese Konkurrenz auch die mangelnde Verfügbarkeit von Uran, schwerem Wasser und natürlich von Geld. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass jeder seine Ergebnisse für sich behielt und dass daher heute nicht alle Forschungsresultate überliefert sind.

Am 23. Oktober 1943 wurde der Physikprofessor Walther Gerlach zum Leiter der Fachsparte Physik im Reichsforschungsrat ernannt und damit Leiter des Uranprojekts. Zum Jahreswechsel übernahm Gerlach auch den Posten als Bevollmächtigter für Kernphysik von Esau, der sich bei der Leitung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft und bei Albert Speer unbeliebt gemacht hatte. In der Folgezeit versagte Gerlach die ihm verfügbaren Gelder den Forschungsprojekten mit militärischen Anwendungsbereichen, wie dem Uranprojekt oder den mittlerweile einsetzbaren Teilchenbeschleunigern, und setzte sie stattdessen vor allem für Projekte der Grundlagenforschung ein. Andererseits verhinderte er, dass die deutschen Physiker zum Wehrdienst eingezogen wurden. Gerlach hatte mit seiner finanziellen Verweigerungspolitik einen weiteren großen Stolperstein für das Uranprojekt aufgestellt. Was aus dem Projekt geworden wäre, wenn die Gelder weiter geflossen wären, darüber lässt sich nur spekulieren.



Den Alliierten war zwar schon lange bekannt, dass die Deutschen an militärischen Anwendungen der Kernspaltung – Uranbombe – arbeiteten, was die bereits dargestellte norwegische Schwerwasser-Sabotage zweifelsfrei belegt. Es war den Alliierten jedoch in den ersten Kriegsjahren nicht möglich dagegen vorzugehen. Entsprechende Sabotageakte im Deutschen Reich galten als nicht realisierbar und Luftangriffen waren auf Grund mangelnder Reichweite der Bombenflugzeuge noch nicht möglich.

Mit Beginn des Jahres 1944 änderte sich die Situation jedoch grundlegend. Die alliierten Bombengeschwader konnten nun fast alle Regionen in Deutschland erreichen. Hinzu kam die zunehmende Schwäche der deutschen Luftwaffe sowie der Luftabwehr.

Kurt Diebner, Wikipedia
Kurt Diebner, Wikipedia

Die Deutschen hatten diese Gefahr jedoch bereits im Herbst 1943 erkannt und einige Forschungseinrichtungen in vermeintlich sicherere Gebiete verlegt: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Physik zog nach Hechingen in Südwestdeutschland, deren Chemie-Institut unter Otto Hahn nach Tailfingen. Das Kummersdorfer Forscherteam um Diebner ging nach Stadtilm in Thüringen, die Hamburger Forscher Harteck und Groth zogen mit ihrer Uranzentrifuge erst nach Freiburg, dann nach Celle.

Es half alles nichts! Im Frühjahr 1944 griffen britische Bombengeschwader mehrfach Frankfurt am Main an und zerstörten die Uran-Produktionsanlagen der Degussa-Werke. Im Sommer 1944 wurden auch die Leuna-Werke bombardiert. Daraufhin zeigten auch die I.G. Farben kein Interesse mehr an der Produktion von schwerem Wasser.

Somit war im Sommer 1944 das gesamte Uran-Projekt mangels Uran und schwerem Wasser fast zum Erliegen gekommen.

Jedoch waren einige Physiker, unter ihnen Heisenberg, Bothe und Wirtz in Berlin geblieben. In dem neuen Bunker errichteten sie einen Uranreaktor. Ende 1944 wurde dieser dann von Wirtz mit 1,25 Tonnen Uran und 1,5 Tonnen schwerem Wasser bestückt. Dieser Versuch zeigte eine deutliche Vermehrung der aus einer radioaktiven Neutronenquelle zugeführten Neutronen. Weitere Versuche wurden geplant, Ende Januar 1945 überquerte die Rote Armee jedoch die Oder. Den Physikern wurde der Befehl erteilt, Berlin umgehend zu verlassen. Das Uran und das schwere Wasser wurden zu Diebner nach Stadtilm verbracht und die Physiker gingen nach Hechingen.

Ein weiterer Versuch sollte danach in einem Felsenkeller in Haigerloch bei Hechingen durchgeführt werden. Dazu wurden die Ausrüstungen und Materialien von Stadtilm nach Haigerloch geschafft. Ende Februar 1945 konnte der Forschungsreaktor Haigerloch mit 1,5 Tonnen Uran und der gleichen Menge an schwerem Wasser in Betrieb genommen werden. Die Materialien reichten jedoch nicht aus, um eine kritische Reaktion zu erzeugen. Heisenberg versuchte noch, die letzten Vorräte an Uran und schwerem Wasser aus Stadtilm zu besorgen, doch die Lieferung kam nicht mehr an. Es sollte keine weiteren Versuche mehr folgen.

Bereits 1943 hatten die US-Amerikaner die Alsos-Mission gestartet. Das war der Codename von drei US-Geheimdienst-Missionen, die zwischen Ende 1943 und Ende 1945 im Rahmen des Manhattan-Projektes der USA durchgeführt wurden. Ziel war es, herauszufinden, ob es ein deutsches Projekt zum Bau einer Atombombe gab, und wenn ja, wer die beteiligten Wissenschaftler waren und wie weit die Bemühungen gediehen waren, sowie deren Weiterführung zu verhindern.

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Am 23. April 1945 erreichte schließlich die Alsos-Mission Haigerloch. Der „Atomkeller“ in Haigerloch, in dem die Versuchsanlage aufgebaut war, wurde demontiert, das zuvor versteckte Uran und schwere Wasser abtransportiert und die beteiligten Wissenschaftler verhaftet.

Ein wichtiger Bestandteil der Alsos-Mission war es, nun auch zu verhindern, dass wissenschaftliches Know-how in die Hände der Sowjetunion fallen würde. Dazu wurde alles was in Verbindung zum Uranprojekt stand und in amerikanische Hände fiel, unverzüglich in die USA verbracht. Zudem wurde versucht aller beteiligten Wissenschaftler habhaft zu werden. Die gefangenen Wissenschaftler wurden auf dem Landsitz Farm Hall in England interniert und mehrere Monate lang verhört (Codename Operation Epsilon).

Das Alsos-Projekt wurde am 15. Oktober 1945 eingestellt. Deutschland wurde bis in die 50er Jahre hinein mit einem Verbot der kernphysikalischen Forschung belegt.