Die Wahl ist abgeschlossen und sie ist entschieden. Ich bin halbwegs zufrieden mit dem Ergebnis. Auch, obwohl auf allen Kanälen gegen den Einzug der AfD in den Bundestag gewettert wird. Ich habe sie nicht gewählt. Auch CDU, SPD, Grüne und Linke habe ich nicht gewählt. Meine Partei ist seit Jahrzehnten die Gleiche, obwohl ich mit ihr auch des Öfteren gehadert habe.
Ja, die selbsternannten Volksparteien haben herbe Verluste hinnehmen müssen, die Wählergunst kommt ihnen zunehmend abhanden. Schon die Selbsttitulierung „Volkspartei“, auf die insbesondere die SPD immer großen Wert legt, zeigt eine nicht zu leugnende Selbstherrlichkeit. Analogien zur Sendung „Ich bin ein Star, holt mich hier raus (in diesem Fall aus dem Wählertief) sind nicht zu leugnen.
Ich freue mich, dass die alte Bundeskanzlerin wohl auch die neue sein wird. Sicherlich, jeder oder jede ist zu ersetzen. Jedoch Martin Schulz musste nicht der Ersatz sein und jemand anders stand nicht zur Wahl.
Dr. Angela Merkel hat sicherlich einige Fehler gemacht. Jedoch, nur wer arbeitet kann auch Fehler machen. Den Doktor-Titel habe ich bewusst als Abgrenzung zu Martin Schulz gewählt. Auch die Bundeskanzlerin ist weiß Gott keine Charisma-Bombe. Das trifft auch auf Schulz zu, der bei mir immer den Eindruck hinterlässt, als ob seine Gesprächsthemen einstudiert seien. Rhetorisch ist er zwar begabt, dass ihm auf vielen Gebieten Hintergrundwissen fehlt – wie bei zahlreichen anderen Politikern auch – ist dadurch allerdings nicht immer zu kaschieren.
Angela Merkel hat Deutschland 12 Jahre regiert. Und uns geht es gut, besser als fast allen Ländern auf diesem Planeten. Das sollten wir bei aller Kritik nicht vergessen. Besonders gut finde ich, in aufgeregten und unruhigen Zeiten, ihre Ruhe und Gelassenheit. Eine Tugend, die der Politik gut steht, die jedoch nur noch selten anzutreffen ist. Sie ist ein Ruhepol in der deutschen wie auch der internationalen Politik und kann zudem auf beste weltweite Kontakte sowie sehr viel Erfahrung verweisen. Alles das fehlt Martin Schulz.
Dennoch: Wir haben viele Baustellen im Land, „in dem es sich gut leben lässt“. Über diese Baustellen würden die meisten Länder wohl nur müde lächeln, sie wären froh wenn sie nur unsere Probleme hätten.
Was mich stört, und mittlerweile wohl auch einen nicht unerheblichen Teil der deutschen Wähler, ist das Totschweigen dieser Probleme bzw. das Unterlassen von Maßnahmen, um diesen zu begegnen.
Ich erinnere mich noch gut: Es ist noch nicht lange her, da wurde die Linke ähnlich abgewatscht, wie heute die AfD. Keiner wollte mit ihr reden. Heute ist sie politischer Alltag: Die Linke stellt den Ministerpräsidenten in Thüringen und regiert in anderen Bundesländern mit.
Die AfD ist mir in ihrer derzeitigen Gesamtheit auch nicht ganz geheuer. Jedoch gibt es in jeder Partei rechte und linke Ränder. Ich hege daher Hoffnungen, dass sich auch die AfD stabilisiert und demokratisiert.
Was ihr schon heute zugute zu halten ist: Sie spricht Themen und Problemfelder an, die von den anderen Parteien liegengelassen, bagatellisiert oder ideologisiert werden. Es muss endlich aufhören mit der „political correctness“, die uns die etablierten Parteien auf diktieren wollen. Was nicht heißen soll, dass die Streit- und Diskussionskultur abgleiten soll in Extreme und Extremismen.
Der Wahlkampf hat gezeigt, dass das Thema der SPD „Soziale Gerechtigkeit“ kein sehr präsentes Thema für die Wählerschaft war. Was versteht man auch unter Gerechtigkeit? Ein Begriff, den fast jeder anders definiert. Recht ist hingegen per Gesetz geregelt, Gerechtigkeit eher eine Empfindungsangelegenheit. Streiten zwei vor Gericht, so bekommt einer Recht, der andere nicht. Der, der Recht bekommt, findet die Gerichtsentscheidung gerecht, der Prozessverlierer in der Regel ungerecht. Gerechtigkeit für alle wäre ein gesellschaftlicher Zustand, der nie zu erreichen ist.
Zum Ende seines Wahlkampfes hatte Schulz zudem das Thema Pflege aufgegriffen. Er wollte die Pflege, wenn er Kanzler sein würde, komplett umgestalten. Zuvor propagierte er mehr soziale Gerechtigkeit wie folgt: mehr preiswerter und sozialer Wohnungsbau, mehr Hartz 4, mehr Mindestlohn, sichere und besser bezahlte Jobs, bessere Rente, mehr Bildungschancen usw.
Alles Themen, die angepackt werden müssen – sicherlich. Ein Konzept zur Finanzierung von allen Wahlgeschenken? Fehlanzeige.
Es ist wohl ein allgemeines Politikerproblem, dass die Wahlkonzepte im Wesentlichen im Ausgeben von Steuergeldern bestehen. Damit konnte man in der Vergangenheit Wähler ködern, heute sind diese misstrauisch.
Es fehlt den Parteien im Allgemeinen wie auch im Besonderen an Mut! Um Probleme zu lösen müssen auch mal unangenehme Maßnahmen getroffen werden, und auch Fehlentscheidungen sind nicht auszuschließen – die lassen sich jedoch korrigieren.
Doch wollen wir nicht nur die Politik kritisieren. Auch den Leitmedien fehlt es an Mut: Sie beschränken sich weitgehend auf die Analyse der Politik. Auch die Medien sind verantwortlich dafür, und auch zuständig, Problemlösungen zu präsentieren. Leider geschieht das nur selten.
Da ich mich als Publizist auch zu den Medienvertretern zählen muss, möchte ich hier nicht nur analysieren und kritisieren – ich möchte Problemlösungsansätze liefern. Auch auf die Gefahr hin, dass diese Gedanken nicht jedem gefallen: Dass muss eine funktionierende Demokratie aushalten, so wie sie auch die vielgeschmähte AfD aushalten muss. Und vielleicht diskutiert Ihr ja auch mit mir darüber, aber bitte ohne Schaum vor dem Mund. Denn wir müssen zu einer neuen Diskussionskultur in diesem Land finden. Tabus dürfen nur sein – Gewalt, Hass, Beleidigungen sowie alles was strafrechtlich unzulässig ist. Wenn wir nicht mehr mit Worten über Probleme reden und um deren Lösungen kämpfen können, dann ist die schwer erkämpfte Demokratie in ernster Gefahr. Und das will wohl keiner, egal welche Partei er gewählt oder auch nicht gewählt hat.