Die Digitale Revolution

Überall geistert die Begrifflichkeit „Digitale Revolution“ derzeit durch die Medien, so als hätte diese erst in den letzten Monaten eingesetzt und würde uns demnächst alle den Arbeitsplatz kosten. Die Digitalisierung könnte sogar zu einem Wahlkampfthema für die anstehende Bundestagswahl 2017 werden, sofern sich Politiker finden, die wissen wovon sie reden. Das scheint jedoch eher unwahrscheinlich, denn außer Ängste zu schüren ist diesbezüglich von den Parteien noch nichts gekommen.
Die Digitaltechnik arbeitet mit digitalen Signalen, den sogenannten Binärzahlen 1 und 0. Alle Schaltzustände werden mit diesen zwei Zahlen kodiert. Nicht besonderes also könnte man denken.
Die ersten Maschinen mit sogenannter NC-Steuerung (Numerical Control) wurden um 1950 gebaut und revolutionierten Fertigungstechnik und Produktion. Als ich vor über 40 Jahren als Werkzeugmacher ausgebildet wurde, mussten wir noch lernen Lochkarten für derartige Werkzeugmaschinen zu programmieren und dann die Lochkarten stanzen. Das hört sich heute simpel und auch altmodisch an, damals war es eine erste „Digitale Revolution“. Später dann, in meinen Ingenieurstudien, mussten wir bereits an CNC-Maschinen unser Können unter Beweis stellen. Mikroprozessoren hatten die Lochkarten abgelöst (Computerized Numerical Control). Das Programmieren dieser rechnergesteuerten Werkzeugmaschinen war kompliziert und von den Facharbeitern nicht mehr ohne weiteres auszuführen. In der eigentlichen Produktion wurden nun weniger Zerspaner und Werkzeugmacher benötigt als zuvor. Dafür entstanden jedoch Arbeitsplätze für Programmierer, die die Maschinen einrichteten, und auch für Messtechniker, die ständig die Qualitätskontrolle an den Werkstücken durchführen mussten. Und auch bei den Werkzeugmaschinenherstellern änderte sich die Personalstruktur.
Nach und nach hielten Computer sowie CNC-gesteuerte Maschinen und Anlagen in allen Wirtschaftsbereichen Einzug. Auch CNC-gesteuerte Industrieroboter kamen immer mehr zur Anwendung. Die gab es zwar schon vor der Mikroprozessoren-Technik, sie wurden jedoch pneumatisch gesteuert.
Alle diese kleinen technischen Revolutionen führten dennoch nicht zu Arbeitsplatzverlusten. Es mussten in der Regel nur Fachkräfte durch andere Fachkräfte ersetzt werden. Die Mikroprozessoren machten die Produktion effizienter und auch die Produktqualität konnte erheblich gesteigert werden. Der Wohlstand in den Industrienationen wuchs rasant.
Doch schon damals wurde es versäumt sich auf diesen technologischen Wandel einzustellen: in Ost wie in West. Die Politik kann den technischen Fortschritt nicht aufhalten und auch nicht verändern. Ihre Aufgabe ist es jedoch in den Bereichen Bildung und auch Sozialem den sich ändernden Bedarf zu erkennen und Strategien zu entwickeln sowie Maßnahmen einzuleiten.
Dann, vor etwa 20 Jahren, folgten Internet und PC und die sich daraus entwickelnden Informationstechnik, kurz IT, hielt Einzug in alle gesellschaftlichen und produktiven Bereiche. Schnell trat extremer Fachkräftemangel auf, die Bildungspolitik hatte schlichtweg versagt. Manch einer mag sich noch erinnern: Inder sollten für die deutsche IT-Wirtschaft gewonnen werden, doch sie kamen nicht. Deutschland hat die die IT-Revolution mit allen ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten verschlafen. Einzig SAP hat es zum internationalen Schwergewicht geschafft. Deutschland hat weiter seinen Schwerpunkt in der Automobilindustrie gesehen, dass ist jedoch ein anderes Thema.




Bis heute ist der öffentliche Sektor weit hinter den Möglichkeiten der Informationstechnologien zurückgeblieben: Wir müssen uns nur die Flüchtlingsregistrierung ansehen, um das ganze Dilemma zu erkennen. Die Politik ist weitgehend ahnungslos, fehlendes Wissen wird durch Populismus ersetzt. Ich mag dieses Wort eigentlich nicht, jedoch wie soll man Reden, Kommentare, Aussagen und auch Gesetze bezeichnen, die voll am eigentlichen Problem vorbeigehen. Der neuste Akt in diesem unendlichen Drama: Die geplanten Gesetze von Justizminister Heiko Maas zu Hasskommentaren in sozialen Netzwerken. Seinen Vorschlägen entsprechend sollen soziale Netzwerke Hasskommentare innerhalb von 24 Stunden löschen. Die angedrohten Strafen sollen in den Millionen Euro gehen. Doch sollen in Zukunft IT-Experten und Online-Redakteure die Arbeit von Richtern machen? Ein Gesetz also, was wieder Mal am eigentlichen Problem vorbeigeht, aber auch das ist ein anderes Thema.
Nun soll die Digitalisierung der Arbeitswelt kommen, die diese grundlegend verändern wird, so zumindest die Aussagen von Politik und auch Medien. Eine Umfrage des Bundesbildungsministeriums besagt angeblich, dass acht von zehn Deutschen befürchten, dass immer mehr Beschäftigte abgehängt werden. Doch wie der Wandel in Industrie, Handwerk, Handel und Dienstleistungsbranche aussehen wird, vermag noch keiner zu sagen.
Auf jeden Fall wird er erheblich langsamer vorangehen, als allgemein vermutet wird. Es wird ein langer, ein sehr langer Entwicklungs- und Einführungsprozess, bis Roboter Menschen vollständig ersetzen können. Es wird in diesem Zusammenhang von künstlicher Intelligenz gesprochen und von selbstlernenden Programmen. Dabei verkennen jene, die mit solchen Begriffen hantieren die Realität. Auch ein Roboter ist nur eine Maschine, die von einem Computerprogramm gesteuert wird. Diese Programme werden von IT-Fachleuten und Ingenieuren erstellt und beruhen auf naturwissenschaftlichen Fakten und mathematischen Berechnungen. Technisch realisiert werden Roboter hauptsächlich im Zusammenspiel der Disziplinen Mechanik, Elektrotechnik , Elektronik und Informatik. Roboter können nur das machen, was die Programmierung ihnen vorgibt und selbstlernende Programme auch nur das Lernen, was zuvor als Lernfähig programmiert wurde. Das ist für feststehende Roboter in der Industrie kein Problem, denn es sind fixe Arbeitsabläufe vorgegeben. Bei den autonomen mobilen und den humanoiden Robotern haben wir eine ganz andere Sachlage. Diese Roboter müssen nicht nur Arbeitsprozesse verrichten, sie müssen sich auch im freien Raum bewegen. Somit müssen sie immer für den entsprechenden Raum programmiert werden, der zudem unendlich vielen Unwägbarkeiten aufweist. Einen Roboter also ohne menschliche Kontrolle arbeiten zu lassen, ist nicht absehbar, sicherlich jedoch in ferner Zukunft denkbar.
Betrachten wir diesbezüglich einfach das Internet, dass seit etwa 20 Jahren unsere aller Leben zunehmend beeinflusst. Trotz gewaltiger Anstrengungen von Softwarefirmen aus der ganzen Welt sind Computer, Netzwerke und auch mobile Endgeräte unendlich weit davon entfernt, als sicher zu gelten. Auch mobile Roboter müssen zwangsweise mit dem Internet, anderen Netzwerken oder Kommunikationsverbindungen in Kontakt stehen. Fremdzugriffe können daher bei ihnen nicht ausgeschlossen werden, sie sind anzunehmen. Jedoch ist ein solcher Einsatz außerhalb der Industrie noch nicht absehbar und dort gibt es die Digitalisierung schon seit vielen Jahren in zunehmendem Maße. Neben den ursprünglichen Werkzeugmaschinen hat sich insbesondere die Logistikbranche dieser Systeme bedient. Im Hamburger Hafen beispielsweise laufen viele dieser Prozesse inzwischen vollautomatisch. Steuerungen über GPS, Laserscanner, Transpondertechnik und vielem mehr sind im Einsatz. Doch in der mittelständischen Wirtschaft, die unser Wirtschaftssystem dominiert, wird die Digitalisierung verhalten vorangetrieben. Dafür gibt es drei Gründe: unausgereifte Technik, große Investitionskosten und fehlendes Fachpersonal.
Letzteres ist ein entscheidender Knackpunkt für die Zukunft der Digitalisierung. Wie brauchen viele gut ausgebildete Experten auf diesen Gebieten, die erst noch ausgebildet werden müssen. Und das ist nicht von heute auf morgen möglich. Hinzu kommt, dass Arbeitskräfte die bisher benötigte wurden, nicht mehr gebraucht werden. Diese müssen für andere Jobs umgeschult werden. Das Berufsleben der Zukunft, teilweise als Industrie 4.0 bezeichnet, wir geprägt sein von ständigem Lernen, vom Berufseinstieg bis zur Rente. Darauf und auf die Anforderungen im Berufsleben müssen die Menschen bereits in der Schule vorbeireitet werden, ihnen muss das nötige Rüstzeug mitgegeben werden. Unser heutiges Schulsystem ist davon weit entfernt. Auch muss die nachschulische Ausbildung, also Berufsausbildung und Studium, besser darauf eingestellt werden. Wenn nötig muss der Staat auch wirksame Steuerungselemente entwickeln.
Aber vor allem darf den Menschen vor diesem tiefgreifenden technologischen Wandel keine Angst eingeredet werden. Sicherlich werden, jedoch über einen langen Zeitraum, viele angestammte Arbeitsplätze wegfallen, vor allem einfache aber auch qualifizierte. Doch diese beschäftigungsstrukturellen Veränderungen gab es schon zu allen Zeiten, besonders jedoch seit der Industriellen Revolution.
Die gute Nachricht ist doch, dass den Menschen schwere und eintönige Arbeiten abgenommen werden. Zudem wird die Produktivität steigen, was auch das Bruttonationaleinkommen erhöhen wird. Den technischen Innovationen müssen zugleich soziale folgen. Geld dafür ist sicherlich genug vorhanden. Natürlich müssen die Steuer- und Abgabensysteme dafür auch grundlegend geändert werden. Vor allem sollte begonnen werden, den Begabungen und Interessen des Einzelnen mehr Augenmerk zukommen zu lassen und diese gezielt zu fördern. Weniger Arbeitsplätze in Industrie, Handel und Dienstleistungen bedeutet nicht automatisch auch weniger Arbeitsplätze in der Gesamtgesellschaft. Die Arbeit muss nur anders verteilt werden. Bedarf gibt es sicherlich genug: im Pflegesektor, im Gesundheitssektor, im Bildungssektor, im Dienstleistungssektor am Menschen, im Sozialsektor und in vielen anderen Bereichen. Auch im künstlerischen und im innovativ technischen sowie im wissenschaftlichen Bereich gibt es viele Möglichkeiten, von dem Bedarf in der Integrationspolitik, die zukünftige nicht einfacher wird, ganz zu schweigen.
Angst war schon immer ein schlechter Ratgeber. Sie beschneidet die Lebensfreude und die Lust am Kreativen. Auch müssen wir tatkräftig in den sogenannten Entwicklungsländern helfen, Im Eigeninteresse um die Flüchtlingsbewegungen zu stoppen. All das sind Aufgaben, für die der Staat, also die Politik, die Wege ebnen muss. Doch wir, die Menschen in diesem Land, müssen mitgestalten, Ideen einbringen und einfordern, und wir müssen diese Wege auch gehen.
Ich sehe für die Zukunft ein bedingungsloses Grundeinkommen als eine denkbare Lösung der sozialen Probleme. Wer beispielsweise gern Gitarre spielen möchte hat dann eine Lebensgrundlage, kann sein Spiel verbessern und sich durch kleine Auftritte Erfahrungen aneignen und Gerd hinzuverdienen. Ein geschickter Handwerker könnte aus alten Dingen neue machen ohne von Anfang an Existenzängste zu haben. Überhaupt wird in Zukunft die Selbstständigkeit eine wesentlich größere Rolle spielen. Das Grundeinkommen würde am Anfang etwas Sicherheit geben. Die Pflege von Angehörigen würde einfacher werden, auch die Erziehung von kleinen Kindern. Nur wenigen wird es in Zukunft wohl vergönnt sein immer den gleichen Beruf auszuüben und immer beim selben Arbeitgeber beschäftigt zu sein. Die Menschen müssen flexibler werden. Dazu brauchen sie jedoch den Freiraum sich ausprobieren zu können. Das Grundeinkommen würde da sicherlich helfen.
Heute bekommen wir von klein an die Sozialstaatsmentalität vermittelt. Diese kann in Form von Subventionierung des Nichtstuns von vielen Menschen jedoch keine Zukunftslösung sein. Stattdessen muss unser Bildungssystem komplett umgekrempelt und renoviert werden. Die Begabungen und Interesse eines jeden Einzelnen müssen in den Vordergrund rücken und entsprechend gefördert werden. Das Grundeinkommen würde dazu eine gute Basis darstellen. Zudem würde es zu einer erheblichen Entbürokratisierung beitragen, was wohl außerdem zur Steigerung des Selbstbewusstseins bei vielen Menschen beiträgt; sie müssen sich nicht mehr als Bittsteller des Sozialstaates sehen. Wir verbringen anteilig die meiste Lebenszeit auf Arbeit. Diese kann daher auch nur gut gemacht werden, wenn die Menschen die sie machen, sie gern machen.
Wir Deutschen tun uns allgemein schwer mit Neuem, die Politik ganz besonders. Wenn wir jedoch die Probleme der Digitalisierung der Wirtschaft lösen wollen, so müssen wir auch den Staat und die Gesellschaft neu strukturieren. Und wir müssen bald anfangen, denn dieser Prozess wird auch langwierig sein. Aber ich bin mir sicher, uns gelingt dass, den wir Menschen haben nach jeder Revolution einen positiven Entwicklungsschub gekommen; zudem ist auch der Lebensstandard ständig gewachsen.
Eins sollten wir uns verdeutlichen: Das Humanpotential jedes Einzelnen ist das Kapital einer zukünftigen Gesellschaft, lassen wir es Dienst tun.

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