Archiv für den Monat: Juli 2018

Florale Immigranten – wie unsere Flora sich verändert

Wir leben in einer Zeit des Klimawandels. Diese Aussage ist unstrittig, auch wenn ich die Meinung von Umwelt-, Natur- und Klimaschützern nur bedingt teile, dass wir Menschen dafür der maßgebliche Faktor sind.

Klimawandel – auch ganz gravierende – gab es zu allen Zeiten der Erdgeschichte und zudem lange bevor der Mensch dem Planeten seinen Stempel aufdrückte. Eigentlich kann man sagen, dass ein ständiger Klimawandel auf der Erde von statten geht, Mal in die eine, Mal in die andere Richtung.

Nun haben wir eine Erwärmungsphase: Als globale Erwärmung bezeichnet man den Anstieg der Durchschnittstemperatur der erdnahen Atmosphäre und der Meere seit der Industrialisierung in den letzten 150 Jahren.

Dieser Klimawandel schafft nun auch in unseren Breiten für exotische und mediterrane Pflanzen optimale Bedingungen und lässt so manches hübsche Gartenpflänzchen invasiv werden.

Neobiota ist der Sammelbegriff für Arten und untergeordneten Taxa von Pflanzen und Tieren, die sich in einem Gebiet etabliert haben, in dem sie zuvor nicht heimisch waren. Diese Ausbreitung kann mit oder ohne menschliche Einflussnahme geschehen. Neobiotische Pflanzen nennt man Neophyten.

Für Deutschland gilt in der Regel, das Pflanzen als Neophyten bezeichnet werden, die hier nach dem Jahr 1492 eingeschleppt wurden. Dieses Jahr bezieht sich auf Entdeckung Amerikas durch Christoph Columbus.

Vielen Menschen ist heute schon gar nicht mehr bewusst, wie viele Pflanzen hier nicht heimisch, also Neophyten sind: Kartoffel, Tomate, Paprika, Gurke, Melone, um nur einige zu nennen. Wie würde unsere Speisekarte ohne diese Gemüse aussehen? Es würde sich wohl auch kaum einer beschweren, wenn sich diese Gemüsesorten unkontrolliert ausbreiten würden. Tun sie jedoch kaum, da sie alle nicht winterhart sind.

Halfsize Traumb. V1

Eine ganz andere Situation besteht diesbezüglich bei zahlreichen mehrjährigen Pflanzenstauden, die in ihrer Ausbreitung kaum noch zu stoppen sind: so die Kanadische Goldrute. Sie wurde von den Europäern bereits im 17. Jahrhundert in unsere Gärten eingeführt. Heute hat sie sich über die Gartenzäune hinaus ausgebreitet und wächst überall wo sie Luft und Sonne findet. Das derzeitige heimische Klima tut der Kanadischen Goldrute gut. Sie hat kaum Fraßfeinde, die sind auf der anderen Seite des Atlantik verblieben, und auch die Insekten scheinen sich kaum für die Goldrute begeistern zu können. So können sich ihre unterirdischen Triebe ungestört weiter ausbreiten.

Für den normalen Gartenfreund ist es kaum nachvollziehbar, woher unsere „Gartenschätzchen“ kommen, die wir in Gärtnereien, Baumärkten und sogar im Supermarkt erwerben. Mittlerweile sind zwei Drittel aller Zierblumenarten bei uns Exoten. Rund 22.000 Zierpflanzenarten werden in Europa gehandelt, davon sind 15.000 aus der Ferne. Diesen stehen etwa 14.000 heimische Wildpflanzenarten gegenüber. Schnell können diese von invasiven Neophyten in kleinen Biotopen

verdrängt werden. In aller Mund ist der aus dem Kaukasus stammende Riesen-Bärenklau. Dieser Doldenblütler bildet das für seine Familie typische Furocumarine, jedoch in hoher Dosis. Berührungen in Verbindung mit Tageslicht können bei Menschen und anderen Säugetieren zu schmerzhaften Quaddeln und Blasen führen, die schwer heilen und wie Verbrennungen erscheinen Photodermatitis. Jedoch ist dieser sekundäre Pflanzenabwehrstoff auch in zahlreichen anderen Pflanzenfamilien – z.B. bei Zitrusgewächsen – anzutreffen.

Der Wissenschaft sowie Naturschützern bereiten die Neophyten zunehmend Sorge. Daher wurde ein europäisches Forschungsprojekt initiiert: „Biodiversa“.

Wie schon dargestellt sind eingeschleppte oder eingeführte Pflanzen nichts Neues. Jedoch hat sich die Zahl der weltweiten Warenexporte/Importe in den letzten 60 Jahren etwa verzwanzigfacht. In rasender Geschwindigkeit reisen Waren aller Art um die Welt und mit ihnen auch Pflanzen oder deren Samen. Und wenn alle Rahmenbedingungen stimmen dann sind diese Neophyten nicht aufzuhalten.

Das internationale Forschungsprojekt mit dem Titel „WhoIsNext“, will diesen potentiellen Immigranten auf den Zahn fühlen, bevor es zu spät ist. Ein internationales Team von Fachleuten hat dazu im Jahr 2015 im Fachmagazin Natur eine GLONAF-Datenbank (Global Naturalized Alien Floras) veröffentlicht. In dieser Datensammlung sind alle Informationen zusammengetragen, die über Pflanzenarten verfügbar sind, die sich irgendwo in der Welt in einem fremden Habitat etabliert haben. Das sind bisher zwar nur etwa drei Prozent der gesamten globalen Flora, aber immerhin. Wir wissen aus Erfahrung, das eine einzige eingewanderte Tier- oder Pflanzenart ein ganzes Biosystem stark beeinflussen kann.

So geschehen mit den Fichten, insbesondere im Harz. Nachdem, bedingt durch den frühneuzeitlichen Bergbau, der heimische Wald mit seinen Buchen und Eichen sowie anderen Laubbäumen zum großen Teil abgeholzt war, wurden massenhaft schnellwachsende Fichten angepflanzt. Auf Grund des Klimawandels kämpfen die Fichten nun um ihr Überleben. Die Frage Neophyt oder nicht spaltet selbst die Fachwelt. Für mich sind das ideologische Grabenkämpfe: Die Fichte war im Harz nicht zuhause und wurde eingeführt: Somit ist sie ein Neophyt.

Andere Immigranten sehen wir schon nicht mehr als solche an: Studentenblume, Sonnenblume, Mädchenauge, Winterling, Topinambur, Horn-Sauerklee, Essigbaum und viele andere sind kaum noch wegzudenken.

Weitere eingeführte Zierpflanzen breiten sich in anderen europäischen Ländern bereits stark aus: Die aus Südamerika stammende Bougainville schmückt bereits Hausfassaden und Mauern im ganzen Mittelmeerraum. Die Hanfpalme, zuhause in Südostasien, breitet sich im Tessin wild aus. Diese Reihe ließe sich lange fortführen. Da auch in Deutschland die Winter immer milder werden, haben exotische Pflanzen auch hier gute Überlebens- und Vermehrungsaussichten.

Dennoch besteht kein Grund zur Panik, wie sie viele Ökologen, Biologen, Umwelt- und Naturschützer gern schüren – wohl ein typisches deutsches Problem, diese Panikmache. Nur jede zehnte exotische Pflanze hat die Chance hier zu überleben und nur jede hundertste von diesen Immigranten hat das Zeug dazu, Einfluss auf unsere heimische Flora zu erlangen.

Ich persönlich sehe keine große Gefahr für die heimische Pflanzenwelt. Zudem: Wir können die Zuwanderung nicht verhindern – wie auch bei den menschlichen Immigranten – etwas regeln können wir sie jedoch. Und deshalb ist es gut, dass sich die Wissenschaft mit den Neophyten beschäftigt, uns Handlungsempfehlungen gibt und die ganze florale Einwanderung im Auge behält. Aber Angst brauchen wir wohl keine zu haben, denn letztlich regelt die Natur alles in Eigenregie und wir selbst sollten uns wohl nicht ganz so wichtig nehmen.




Autofreie Städte – Eine Utopie der Zukunft?

Bereits in diesen Tagen wird viel über die Belastungen des Autoverkehrs in den Städten diskutiert. Besonders stark betroffene Metropolen wie Hamburg oder Stuttgart basteln seit längerer Zeit an praktikablen Lösungen, mit deren Hilfe es möglich ist, sich gegen die negativen Einflüsse der dicht bevölkerten Straßen zu stemmen. Doch handelt es sich bei der autofreien Innenstadt tatsächlich um eine Utopie? Und welche Schritte wären in den kommenden Jahren notwendig, um sich dieser anzunähern?

Verkehr in der Stadt (Foto: Sternal Media)Verkehr in der Stadt (Foto: Sternal Media)

Alternativen in Stuttgart

Die Stuttgarter Straßenverkehrsbetriebe (SSB) verzeichnen bereits seit Jahren stabile Umsatzzahlen. Dies ist insofern für das Unternehmen nicht relevant, als dass es nicht primär danach strebt, einen Gewinn zu erzielen. Es zeigt jedoch die Tatsache, dass immer mehr Stuttgarterinnen und Stuttgarter dazu bereit sind, sich innerhalb der eigenen Stadt mit Bus und Bahn fortzubewegen.

In den medialen Fokus geriet Stuttgart in den vergangenen Jahren besonders aufgrund von starken Feinstaubbelastungen. Mehrmals pro Jahr wird seither der Feinstaubalarm ausgerufen, bei dem die Bürgerinnen und Bürger dazu aufgerufen sind, das Auto in der Garage zu lassen. Stattdessen werden vergünstigte Tickets für den Nahverkehr angeboten. Auch ein Fahrverbot für Diesel wurde längst diskutiert und wird neue rechtliche Fragen aufwerfen. Pikanterweise ist Stuttgart zudem bekannt für den starken Einfluss der Autoindustrie, der diesen Vorhaben ebenfalls im Weg stehen könnte.

Neue Möglichkeiten werden geschaffen

Bereits in den vergangenen Jahren zeigten sich große Städte wie Stuttgart sehr bemüht, um sich dem Problem des zunehmenden Verkehrs in den Weg zu stellen. Dafür spielte immer wieder auch der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs eine wichtige Rolle. Schließlich müssen Alternativen bereitstehen, sollte es eines Tages tatsächlich dazu kommen, dass keine Autos im Privatverkehr mehr in die Innenstadt fahren dürfen. Entsprechend wurden die Gelder bereits in den vergangenen Jahren erhöht, um zum Beispiel neue Verbindungen und Linien zu schaffen oder deren Takt deutlich zu erhöhen. Dies geschieht stets mit dem Ziel, auch die öffentlichen Verkehrsmittel zu einer bequemen Art zu machen, um sich von A nach B zu bewegen.

Ganz automatisch wird im Falle von Fahrverboten auch die Bedeutung des Fahrrads wieder in die Höhe steigen. Viele Städte verfügen heute jedoch nicht über eine Infrastruktur, die sich den Bedürfnissen und Wünschen der Radler anpasst. Dies verdeutlicht der ADFC immer wieder in einem groß angelegten Vergleich der individuellen Voraussetzungen in Deutschland.
Gleichzeitig wird noch viel Zeit ins Land gehen, bis auch für Fahrradfahrer wieder bessere Strukturen vorherrschen. Wenige Ausnahmefälle, wie zum Beispiel Kopenhagen, verdeutlichen andere Schwierigkeiten. Dort musste sich die Stadt dazu durchringen, hohe Summen in die Hand zu nehmen, um eine passende Infrastruktur für die vielen Radler zu schaffen. Die Effekte blieben dabei jedoch nicht aus. Inzwischen ist jeder zweite Kopenhagener bereits mit dem Fahrrad unterwegs.

Fahrradparkplatz in der Stadt
Fahrradparkplatz in der Stadt (Foto: Sternal Media)

Die Weichen der Zukunft

Der Weg zur autofreien Innenstadt, die zumindest für private PKW unzulässig ist, scheint demnach ein realistischer aber langwieriger zu sein. Sofern es der Bewegung gelingt, sich weiter stabil zu verhalten und auf die Vorzüge des Wandels aufmerksam zu machen, so gibt es in jedem Fall die Chance, einen Einfluss auf die bestehenden Strukturen zu nehmen.