Archiv für den Monat: September 2017

Das Kellwasser-Ereignis

Im Verlauf der Erdgeschichte kam es mehrfach zu Ereignissen, die einen Faunenschnitt oder Faunenwechsel mit sich brachten. Diese Ereignisse gingen mit Massensterben einher, die sich über geologisch kurze Zeitabschnitte von einigen zehntausend bis mehreren hunderttausend Jahren hinzogen. Geologie und Paläontologie gehen heute davon aus, dass es neben mehreren kleinen, fünf große Ereignisse dieser Art gab. Die fünf größten Massenaussterben werden auch als Big Five bezeichnet.
Die in den vergangenen Jahrzehnten erzielten Fortschritte bei den radiometrischen Datierungs- und Nachweisverfahren führten zu einer erheblichen Zunahme der Messgenauigkeit. Dadurch wurde es möglich, verschiedene Massenaussterben zeitlich genauer einzugrenzen, relativ umfassend zu beschreiben und vorher unbekannte biologische und ökologische Krisen im Laufe der Erdgeschichte zu dokumentieren.
Dennoch muss konstatiert werden, dass es diesbezüglich in der Wissenschaft keinen eindeutigen Konsens gibt. Der Streit über Begrifflichkeiten – wir kennen dies aus der Politik – ist dabei ein ausschließlich geisteswissenschaftlicher Diskurs. Jedoch fehlen zur wissenschaftlichen Beweisführung bisher auch die eindeutigen Beweise, denn auch die Ursachen der Massenaussterben sind umstritten.
Der Harzer Gebirgsfluss Oker ist weitgehend unbekannt.

Okerstausee bei Schulenberg
Okerstausee bei Schulenberg

Die Oker wird durch einen künstlichen Damm gestaut. Am obersten Zipfel dieses Okerstausees mündet ein Nebenfluss ein, das Kellwasser. Nichts Außergewöhnliches also, auch wenn der Wanderweg, der durch das Kellwassertal führt zahlreichen Wanderfreunden bekannt sein dürfte. Beliebt ist der Rundweg vom Torfhaus, durch das Kellwassertal zum Okerstausee, nach Altenau und zurück zum Torfhaus.
Das dieses Tal in den Wissenschaften der Geologie und der Paläontologie weltweit einen Namen hat, wird außer einigen Experten kaum jemand bisher zur Kenntnis genommen haben. Bereits um 1850 erkannte der Geologe und Botaniker Friedrich Adolf Roemer im Kellwassertal einen geologischen Aufschluss, der ihn zu genaueren Untersuchungen veranlasste. Roemer legte mit seinen diesbezüglichen Forschungen und Beschreibungen einen bedeutenden Beitrag zur geologischen und paläontologischen Forschung.
Heute, etwa 160 Jahre später haben wir folgenden Erkenntnisstand:
Im Erdaltertum – wissenschaftlich Paläozoikum – begann sich vorrangig das Leben der Mehrzeller zu entwickeln. In der Zeitspanne von 542 – 251 Mio. Jahren vor heute, entwickelte sich zuerst das Leben in den Ozeanen. Später begann sich die Landfauna und -flora zu entwickeln. Aber diese Entwicklung lief nicht reibungslos ab. In diesem Zeitalter fanden die fünf größten, bekannten Massenaussterben statt. Die Gründe für diese sogenannten Massenaussterbe-Events sind bisher nicht durchgehend bekannt, an erster und zweiter Stelle der Ursachen stehen aber Impakte von Himmelskörpern, sowie gewaltige vulkanische Aktivitäten. Am bekanntesten von diesen Aussterbe-Events ist das KT-Event in der Kreidezeit, das zum spektakulären Aussterben der Dinosaurier geführt hat und auf einen gewaltigen Asteroidenaufprall oder Vulkanausbruch zurückgeführt wird.
Clausthal-Zellerfeld TU Geomuseum - Saurier-SkelettFür Deutschland von einer gewissen Bedeutung ist das „Kellwasser-Event“. Denn dieses, im Oberdevon (395 – 385 Mio. Jahre vor heute) stattgefundene Aussterbe-Ereignis, hat nicht nur Deutschland betroffen, nein es betraf, wie alle fünf Ereignisse, den gesamten Planeten. Nach dieser Lokalität im Okertal werden die dunklen, meist mergeligen Gesteine als Kellwasser-Kalk bezeichnet und das Ereignis als Kellwasser-Event. Unter den fünf großen Massenaussterben war dieses Event nach der Anzahl der ausgestorbenen Arten das Drittschwerste. Dabei starben wahrscheinlich 50 bis 75 Prozent der Arten aus, vor allem die Faunengruppen flacher tropischer Meere, wie Fische, Korallen, Trilobiten sowie etliche „Riffbauer“.
Die Ursachen für das Kellwasser-Event sind bisher nicht bekannt. Vermutet wird Megavulkanismus, der extreme Klimaveränderungen mit sich brachte, was wiederum zu einer biologischen Katastrophe führte.
Das Kellwassertal hat für die Wissenschaften, die sich mit der geologischen und paläontologischen Entstehung der Erde beschäftigen, einen weltweiten Rang. Damit diese Schichten gut sichtbar bleiben, wurde der Aufschluss vor einiger Zeit großflächig frei gelegt und mit einer Informationstafel ausgestattet; er stellt nun innerhalb das Geoparks Harz einen bedeutenden Geopunkt dar.




Zwar wurde dieser sogenannte geologische Aufschluss bereits um 1850 entdeckt, jedoch bestanden zu jener Zeit noch keine wissenschaftlichen Möglichkeiten und Erkenntnisse diese Entdeckung weiter zu verfolgen. Auch an diesem Beispiel zeigt sich erneut, eine Entdeckung ist weder eine Erfindung, noch muss sie umgehend zu neuen Erkenntnissen führen. Oftmals bedarf es von einer Entdeckung bis zu einer wissenschaftlichen Expertise eine recht lange Zeit.
Doch auch wenn die Ursachen dieses gravierenden Aussterbeereignisses bis heute strittig sind, so sind deren Existenz und Auswirkungen nicht strittig. Was will ich damit sagen: Die Flora und Fauna hat sich von diesem gravierenden Ereignis erholt und sich neu „sortiert“. Frei nach unserem bekanntesten deutschen Förster Peter Wohlleben: Jeder unserer Eingriffe in die Natur ist einer zu viel, die Natur regelt seine Probleme auch ohne unser Zutun. Sie hat dies zu allen Zeiten getan und wird es auch in Zukunft nicht unterlassen.

Der Selbstmordgürtel in Indien

Baumwolle auf einem Feld
Baumwolle auf einem Feld, Foto von David Nance

Was die globalisierte und vernetzte Weltwirtschaft mitunter für traurige Blüten treibt, möchte ich im folgenden Beitrag exemplarisch darlegen.
Wir sehen, lesen, hören und reden täglich über die Immigrationswelle aus asiatischen und afrikanischen Ländern. Und viele in unserem Land sind der Meinung wir müssen diesen armen Menschen helfen, sie aufnehmen, versorgen und integrieren. Doch damit tragen wir nicht zur Lösung des „Flüchtlingsproblems“ bei, man könnte sogar davon ausgehen, dass damit das Problem langfristig nur verstärkt wird. Sich selbst ein gutes Gewissen einzureden, mag hilfreich für den einzelnen Bundesbürger sein, für die Herkunftsländer der Flüchtlinge ist es wohl eher kontraproduktiv, wenn die Starken und Gutausgebildeten ihr Land für immer verlassen.
Die eigentlichen Fluchtursachen von sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen werden zwar immer aufs Neue analysiert, Änderungen der Wirtschaftspolitik der westlichen Industrieländer gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern finden dennoch kaum statt. Da führen Traktoren, Mäh- und Erntemaschinen einen ungleichen Kampf gegen Büffel, Holzpflüge und Handarbeiter. Hinzu kommen westliche Agrarsubventionen in Milliardenhöhe, die die Weltmarktpreise niedrig halten.
Und wenn dann noch die Saatgut- und Chemiegiganten dieser Welt in die globale Landwirtschaft eingreifen – ausschließlich um ihren Profit zu erhöhen und nicht um das Leben der Menschen zu verbessern -, so haben wir schnell ein humanitäres Fiasko. So beispielsweise geschehen in den mittelindischen Baumwollanbaugebieten.
Auf Grund der, in den letzten 15 Jahren, vorgenommenen Selbsttötungen, wird diese indische Region auch als Selbstmordgürtel bezeichnet.
Was war geschehen? Über Jahrhunderte hatten die Inder Naturbaumwolle angebaut. Die war angeblich nicht so ertragreich wie die gentechnische Baumwolle BT Cotton, dennoch warf der Anbau der Naturbaumwolle Gewinne ab, von denen die Bauern leben konnten. Zwar war das Leben dieser indischen Bauernfamilien bescheiden, jedoch hatten sie ihr Auskommen, wie man so schön sagt.
Dann kam der USA-Gen-Saatgutkonzern Monsanto und machten den indischen Bauern ihre Gen-Baumwolle BT Cotton schmackhaft. Der Konzern lockte mit erheblich höheren Erträgen. Die indische Regierung wurde bestochen und zwingt nun die Bauern das teure BT Cotton Saatgut zu kaufen. Natürliches Baumwoll-Saatgut gibt es nicht mehr.
Das amerikanische Saatgut ist jedoch nicht nur teuer, es ist auch gezüchtet für den Einsatz von Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln. Und auch die müssen die zentralindischen Bauern teuer kaufen. Aber nicht nur dass, auch die erwarteten Erträge kommen nicht. Diese Baumwollpflanzen sind auf künstliche Bewässerung getrimmt, doch die gibt es in diesen Regionen nicht. Entweder ist es zu trocken, oder aber der Monsun weicht den Boden auf. Beide Konstellationen mag die Gen-Baumwolle nicht. Bei idealen Bedingungen ist der Baumwollertrag erheblich besser als bei natürlicher Baumwolle. Doch diese Bedingungen treten nicht oft ein. Was den Bauern bleibt ist, sich zu verschulden: immer weiter, immer höher.




Diese Verschuldung hat zu einer Selbstmordserie geführt, die weltweit wohl ihres Gleichen sucht. Geschätzte 250.000 Bauern haben sich in den letzten 15 Jahren das Leben genommen: erhängt, vergiftet, erschossen oder erstochen werden die Bauern aufgefunden.
Einer von ihnen war Gajanand Gattawar: Er war verzweifelt, sah keine Zukunft mehr. Aufgehängt an einem Baum, gleich neben seinem Häuschen, in einem Wäldchen. Natürlich war die Witwe Sasi Kala traurig, mehr jedoch noch verzweifelt. Sie ist Mutter von drei Kindern und hat nichts mehr, außer Schulden. Kein Geld, keinen Mann, keinerlei Einkommen und nur so viel zu essen, dass die vierköpfige Familie nicht verhungert. Und keiner hilft ihr!
Die zentralindische Region wird mittlerweile als Selbstmordring tituliert und ein Ende ist nicht abzusehen.
Über den Syrienkrieg, bei dem bisher etwa 450.000 Menschen ihr Leben verloren haben, wird jeden Tag berichtet. Das war auch nicht immer so, erst mit dem Flüchtlingsdrama geriet dieser Krieg, der zugleich Bürger- und Religionskrieg ist, in den Fokus der deutschen Berichterstattung.

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Indien hingegen ist weit weg! Inder zählen auch kaum zu den Flüchtlingen. Das Leid der Männer, die sich aus finanziellen Gründen das Leben nehmen und das ihrer hinterbliebenen Familien ist bei uns kein Thema. Die betroffenen Menschen jedoch bekriegen sich nicht aus religiösen Gründen. Sie sind friedlich und fleißig und dennoch chancenlos. Ein trauriges Geschehen, dass die Weltöffentlichkeit ignoriert. Menschen, die keine Lobby haben, die keiner unterstützt. Es wäre ein Thema für Menschenrechtler und Humanisten. Jedoch ist Indien friedlich und ganz weit weg. Und so können sich die Konzerne sowie die indischen Staatsbeamten weiter die Taschen füllen. Frei nach dem Motto: Was sind bei über einer Milliarde Menschen schon 250.000 tote Bauern. Eine Schande für die „Freie Welt“! Den Krieg in Syrien kann sie nur schwerlich beenden, den indischen Bauern hingegen eine Change zu geben, wäre wohl recht einfach, wenn man denn wollte.