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Die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität – Teil 2

Zwar hatte Martin Heinrich Klaproth 1789 das Uran entdeckt, seine Entdeckung hatte jedoch für das nächste Jahrhundert keine weitere Bedeutung; das geschlossene newtonsche Weltbild hatte in der Physik weiterhin Bestand.
Durch Zufall entdeckte der französische Physiker Henry Becquerel dann 1896 die radioaktive Strahlung. Er hatte in einer Dunkelkammer Präparate deponiert, die er mit einer Fotoplatte abgedeckt hatte. Dabei bemerkte er, dass die Platte geschwärzt wurde, obwohl kein Licht einfallen konnte. Er erkannte eine Strahlung, die nicht zum Spektrum des sichtbaren Lichtes gehören konnte. Seine Entdeckung nannte er Uranstrahlen. Becquerel hatte mit seinen Experimenten die Radioaktivität entdeckt, jedoch interessierte das zunächst niemanden.
Etwa 1,5 Jahre später begann die aus Polen stammende Physikerin und Chemikerin Marie Curie mit Forschungen im Bereich der Radioaktivität. Curie, die in Frankreich studiert hatte, war auf der Suche nach einem Thema für ihre Promotion und wandte sich der von Becquerel entdeckten Strahlung zu.

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Zuvor, im Jahr 1895, hatte Marie den französischen Physiker Pierre Curie geheiratet, der sie maßgeblich förderte und unterstützte. Zur Auswahl des Themas ihrer Doktorarbeit sowie zu ihren geplanten Experimenten, die sie zusammen mit ihrem Mann Pierre durchführen wollte, schrieb sie folgendes: „Es galt also, die Herkunft der übrigens sehr geringen Energie zu untersuchen, die von dem Uran in Form von Strahlung ständig ausgesandt wurde. Die Erforschung dieser Erscheinung erschien uns ungewöhnlich interessant, umso mehr, da dieses Problem völlig neu war und noch nirgends beschrieben worden war. Ich beschloss, mich der Bearbeitung dieses Themas zu widmen. Ich musste einen Ort zum Durchführen der Experimente finden. Pierre Curie erhielt vom Direktor der Schule die Genehmigung, zu diesem Zweck die verglaste Arbeitsstätte im Erdgeschoss zu benutzen, die als Lager und Maschinensaal diente.“
Die Arbeiten des Forscher-Ehepaares Curie waren äußerst erfolgreich: 1898 entdeckten sie das Radium und das Polonium als Spaltprodukte der Pechblende. Aus ihren zahlreichen Experimenten gewannen sie die Erkenntnis, dass die Uranstrahlung (Becquerel-Strahlung) eine Eigenschaft bestimmter Elementarteilchen – Atome – und keine chemische Eigenschaft der untersuchten uranhaltigen Verbindungen ist. In ihrem diesbezüglichen Forschungsbericht wurde erstmals der Begriff „radioaktiv“ verwendet. Im Jahre 1903 erhielten Marie und Pierre Curie gemeinsam eine Hälfte des Physik-Nobelpreises für „ihre gemeinsamen Arbeiten über die von H. Becquerel entdeckten Strahlungsphänomene“. Die zweite Hälfte des Preises ging an Henri Becquerel.
Die Entdeckung der Radioaktivität hatte die Weltsicht der Naturwissenschaften revolutioniert; der Weg führte von der klassischen in die moderne Physik.
Etwa zur gleichen Zeit wie das Curie-Ehepaar in Frankreich, begannen sich auch Forscher der Harzregion mit dem Strahlungsphänomen zu beschäftigen. Die bergbaulichen Erfahrungen aus dem Harz, die Daten, Fakten sowie die Erz- und Mineraliensammlungen, beflügelten die Forschungen an der Bergakademie Clausthal sowie der TU Braunschweig. Namentliche Leitfiguren dieser Forschungen waren die Wolfenbütteler Physiker Julius Elster (1852-1908) und Hans Geitel (1855-1923), die von einem interdisziplinären Team aus Naturwissenschaftlern, Bergbaufachleuten, Technikern und Ingenieuren bei ihren Forschungen unterstützt wurden.
Es gab damals zwei Theorien für den Ursprung der entdeckten Strahlung. Eine stammte von dem englischen Physiker und Chemiker William Crookes, die andere vom Forscher-Paar Curie.
Um nicht auszuufern möchte ich auf weiter Details beider Theorien hier verzichten. Elster und Geitel experimentierten mit Uranmaterial und konnten an Hand ihrer Ergebnisse die Theorie von Crooks ausschließen. Als nächsten Schritt wollten die beiden Physiker die Curie-These einer Überprüfung zuführen. Ziel ihres Experimentes sollte es sein, zu überprüfen, ob die angenommen Strahlung – die Felder und Wellen – in der Lage wäre, eine mehrere hundert Meter dicke Gesteinsschicht ohne nennenswerten Energieverlust zu durchdringen.
Für ihre Versuche wollten Elster und Geitel den Clausthaler Schacht Kaiser Wilhelm II. nutzen. Da den beiden Forschern jedoch die Erfahrung im Umgang mit Bergbautechnik fehlte, wurde ihnen von Bergrat Lengemann der Bergfachmann Prof. Gerland von der Bergakademie als Versuchsausführender zugeteilt.
Messgeräte für radioaktive Strahlung gab es zur damaligen Zeit noch nicht. Instruktionsgemäß wurden dafür Fotoplatten als Messmittel eingesetzt. Ein Stück Uranerz wirkte dabei an der Oberfläche, am Schacht und im Schacht, jeweils in einer Tiefe von 300 m und 852 m, mit seiner Strahlung auf die Platte ein. Die fotografischen Spuren zeigten nach diesem Versuch keine signifikanten Unterschiede. Als Ergebnis ihres Experimentes formulierten Elster und Geitel dazu: „Nach diesem Versuch erscheint uns die Hypothese der Erregung der Becquerelstrahlen durch andere im Raume präexistierenden Strahlen im höchsten Grade unwahrscheinlich.“
Der Bericht zu ihren Forschungen, den die beiden Physiker am 19. Januar 1899 auf der Versammlung des Braunschweiger Vereins für Naturwissenschaften hielten war spektakulär. Ich möchte behaupten, ihre Hypothese zur Strahlenquelle kann den Ergebnissen der Curies durchaus standhalten: „Da die Eigenschaften Becquerelstrahlen auszusenden, wie es scheint, allen chemischen Verbindungen eines wirksamen Elementes zukommt, so kann sie wohl nicht als Begleiterscheinung eines im eigentlichen Sinne chemischen Vorgangs gedeutet werden, man wird vielmehr aus dem Atome des betreffenden Elementes selber die Energiequelle ableiten müssen. Der Gedanke liegt nicht fern, dass das Atom eines radioaktiven Elementes nach Art des Molecüles einer instabilen Verbindung unter Energieabgabe in einem stabilen Zustand übergeht. Allerdings würde diese Vorstellung zu der Annahme einer allmählichen Umwandlung der activen Substanz zu einer inactiven nöthigen und zwar folgerichtiger Weise unter Änderung ihrer elementaren Eigenschaften.“
Diese Hypothese der Physiker Elster und Geitel traf den Nagel auf den Kopf, wie man so zu sagen pflegt. Und dass war in einer Zeit, als man gerade erst begann die Materie in Form von atomaren Strukturen zu betrachten, eine revolutionäre Erkenntnis.
Diese Hypothese wurde alsbald zur Erkenntnis über Radioaktivität und fügte sich nahtlos als neuer Bestandteil in das Weltbild der Naturwissenschaften ein. Heute definiert man Radioaktivität wie folgt: (lat. radius ‚Strahl‘ und activus ‚tätig‘, ‚wirksam‘; dt. Strahlungsaktivität) ist die Eigenschaft instabiler Atomkerne, spontan ionisierende Strahlung auszusenden. Der Kern wandelt sich dabei unter Aussendung von Teilchen in einen anderen Kern um oder ändert unter Energieabgabe seinen Zustand.
Demnächst folgt Teil III




Die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität – Teil 1

Von vielen bedeutenden Naturwissenschaften vergangener Zeiten kennen wir alle zwar die Früchte ihrer Arbeit, ihre Namen sind und jedoch weitgehend unbekannt.
Das trifft auch auf die Entdecker und Erforscher der Radioaktivität zu. Daher möchte ich in diesem Beitrag einige dieser Wissenschaftler und ihr Schaffen vorstellen um sie vor dem Vergessen zu bewahren.
Als Besonderheit ist dabei zu erwähnen, dass die Entdeckung und Erforschung der Radioaktivität im Wesentlichen aus der Harzregion stammt. Das ist natürlich nicht blanker Zufall! Die Ursachen dafür liegen in der großen Bedeutung des Bergbaus und des Hüttenwesens im 18. und 19. Jahrhundert, worin die Harzregion europaweit eine Führungsrolle innehatte. Dementsprechend bildete sich Spezialwissen in Geologie, Mineralogie, Chemie und weiteren angrenzenden Wissenschaften, die maßgeblich dazu beitrugen.

Martin Heinrich Klaproth
Martin Heinrich Klaproth

Zunächst möchte ich auf Martin Heinrich Klaproth zu sprechen kommen. Er wurde am 1. Dezember 1743 in Wernigerode als Sohn eines armen Schneiders geboren. Nach dem Besuch der Wernigeröder Stadtschule, Klaproth soll ein ausgezeichneter Schüler gewesen sein, ging er nach Quedlinburg um dort in der Ratsapotheke als Gehilfe zu arbeiten. Nach 6 Jahren zog es den jungen Klaproth in die Welt hinaus, er nahm ab 1766 Stellungen als Gehilfe in Apotheken in Hannover, Berlin und Danzig an. Jedoch auch dies reichte dem wissbegierigen jungen Mann nicht. Während seiner Berlinzeit nahm er Kontakt zu dem bekannten Arzt und Chemiker Johann Heinrich Pott sowie dem ebenfalls bekannten Chemiker Andreas Sigismund Marggraf auf und ließ sich von diesen beiden weiterbilden.
1771 kehrte Klaproth aus Danzig nach Berlin zurück, wo er in der bekannten Berliner Apotheke „Zum Weißen Schwan“ eine Anstellung fand. Dort war der angesehene Apotheker, Chemiker und Metallurg Valentin Rose der Ältere Inhaber und Klaproth ging bei diesem in die Lehre.
Als Rose nach kurzer Zeit verstarb, führte Klaproth die Apotheke weiter und zog zugleich die vier Kinder seines Arbeitgebers, darunter auch Valentin Rose der Jüngere, auf.
Klaproths Experimentierfreude war nicht zu bremsen und da er nun die Möglichkeit hatte, richtete er sich in der Apotheke ein entsprechendes Labor ein.
Dann lernte er die Nichte seines ehemaligen Lehrers Marggraf kennen und lieben. Er heiratete die vermögende Christiane Sophie Lehmann und erwarb 1780 die Bären-Apotheke in Berlin, denn sein Zögling Valentin Rose der Jüngere übernahm die Apotheke seines verstorbenen Vaters selbst. Klaproth verschaffte seiner Bären-Apotheke schnell einen guten Ruf.
Doch auch die Tätigkeit in der eigenen Apotheke befriedigte den vielseitig interessierten Klaproth nicht. Daher ging er im Jahr 1800 als Chemiker an die Königlich-Preußische Akademie der Wissenschaften in Berlin. Die Chemie, wie wir sie heute als Wissenschaft kennen, steckte damals noch in den Kinderschuhen. Sie bestand im Wesentlichen aus den „Misch – Scheidekünsten“, die wiederum eng mit dem Bergbau verknüpft waren. Nur so ist zu verstehen, dass die Chemiker der damaligen Zeit zumeist nur Lehrlinge und zudem Autodidakten waren. Als Mitarbeiter des renommierten Chemikers Franz Carl Achard, dem Erfinder der Technologie aus Zuckerrüben Zucker zu erzeugen, trat er nach dessen Tod die Nachfolge an.

Nebenamtlich wirkte er seit 1787 als Professor der Chemie an der Berliner Artillerieschule, als Dozent am Collegium medico-chirurgicum und als Lehrer des Berg- und Hütteninstitutes. Besonders letztere Tätigkeit faszinierte ihn und Klapproth wandte sich zunehmend der Mineralogie zu.
In den Jahren von 1795 bis 1815 gab er sechs Bände seiner „Beiträge zur chemischen Kenntnis der Mineralkörper“ heraus. In dieser Zeit entstand seine besondere Vorliebe zur Mineralienanalyse. Zudem bestand sein Interesse auch für Legierungen von Metallen und deren Verbindungen. Ferner entwickelte er ein Aufschlussverfahren für Silikate (Eindampfen mit Kalilauge, Schmelzen im Silbertiegel). Er fand Phosphate im Harn, klärte die Zusammensetzung von Alaun, Apatit auf, analysierte Rotkupfererz, Gelbbleierz, Aragonit, Lepidolith, Dolomit, Smaragd, Topas, Granat und Titanit.
Große Verdienste erwarb sich Klaproth auch mit der Entdeckung, die er zusammen mit Hennea Meyer machte, dass Phosphor in Stahllegierungen Verursacher der Kaltbrüchigkeit ist, was die Metallurgie entscheidend beeinflusste.
Seine bedeutendsten Leistungen sind jedoch in der Entdeckung und Beschreibung der chemischen Elemente Zirconium, Cer, Titan, Tellur, Strontium und Uran zu sehen.
Im Jahr 1789 hatte Klaproth das Uran aus dem Mineral Pechblende isoliert, dass er in dem Sächsischen Bergwerk „Georg Wagsfort“ bei Johanngeorgenstadt gewonnen hatte. Er behandelte das Mineral mit Säure und erwärmte es stark: Das Ergebnis war ein schwarzes Pulver, das er nach dem, einige Jahre zuvor entdeckten, Planeten Uranus benannte.
Am 24. September 1789 gab Klaproth die Entdeckung in einer Ansprache vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften bekannt. Dennoch hatte Klaproth sich geirrt. Er hatte zwar ein neues Element – Uran – entdeckt, was er jedoch durch seine chemischen Behandlungen gewonnen hatte war nicht das Element Uran selbst, sondern ein Oxid des Metalls. Erst fünfzig Jahre später, im Jahre 1841, gelang es dem Franzosen Eugène Peligot, reines Uranmetall zu gewinnen.
Professor Klaproth hatte zwar ein neues Element, das Uran-Metall, entdeckt, von dessen radioaktiven Eigenschaften sowie von Radioaktivität schlechthin hatte er jedoch keine Kenntnis.
1810 erhielt er auf Vorschlag Alexander von Humboldts eine Berufung als Professor der Chemie an die neu gegründete Berliner Universität. Am Neujahrstag 1817 verstarb Klaproth an einem Schlaganfall. Er wurde auf dem Dorotheenstädtischen Friedhof in Berlin beigesetzt. Die Grabstätte befindet sich in der Abteilung CAL, G2.
Professor Martin Heinrich Klaproth war einer der angesehensten Chemiker seiner Zeit und kann wohl als Urvater der Kernspaltung angesehen werden.
Demnächst: Aus der frühen Forschung zur Radioaktivität.