Ein spektakulärer Münzdiebstahl in der DDR

Auch in der ehemaligen DDR gab es Verbrechen aller Couleur. Nur wurden diese zum Teil geheim gehalten, gemäß der Devise unseres derzeitigen Innenministers de Maiziére: um die Bevölkerung nicht zu verunsichern.
Zudem zeigt dieser Diebstahl, dass es das perfekte Verbrechen schon geben könnte, wären da nicht Übermut und Selbstüberschätzung.
Es war im Sommer des Jahres 1980. Die Staatsbank der DDR hatte beschlossen geschätzte 400 Tonnen Münzen einschmelzen zu lassen. Es handelte sich dabei um offizielle Zahlungsmittel: 10 Mark-Münzen mit Motiven der Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald sowie 20 Mark-Münzen mit den Porträts von Ernst Thälmann und Wilhelm Pieck. Diese Münzen waren in den Jahren 1971 und 1972 millionenfach aus einer Kupfer-Nickel- Zinn-Legierung geprägt und in den Verkehr gebracht worden. Eine nachvollziehbare Begründung für diese Einschmelzaktion gibt es bis heute wohl nicht. Es hieß damals inoffiziell, es sollten die Legierungsbestandteile gewonnen und der Wirtschaft zu geführt werden – Metalle waren auf dem Weltmarkt teuer und für die DDR nur schwer zu beschaffen. Auch von Kaufkraftabschöpfung war die Rede. Alles wohl wenig glaubhafte Argumente.

Square Pop-Up (250x250)

Im Geheimen wurden mit diesem Einschmelzprozess die Kupfer-Silber-Hütte in Hettstedt beauftragt. Natürlich wurden diese Aktionen unter strenger Geheimhaltung sowie staatlicher Kontrolle durchgeführt. Die Münzen wurden in Jutebeuteln zu je 250 Münzen angeliefert und dann unter Aufsicht von Sicherheitskräften der Staatsbank in die Schmelzöfen geschüttet. Soweit alles recht unspektakulär!
In der Regel werden solche Schmelzöfen rund um die Uhr betrieben, da das erneute Anheizen nach einer Abkühlung viel Zeit und Kosten verursacht. Es wurde aber wohl nur eine Schicht mit diesen geheimen Schmelzprozessen betraut. Und diese Truppe von Hüttenwerkern und Instandhaltern bemerkte eine technologische Besonderheit während des Einschmelzprozesses, die zu einer nahezu genialen Idee führte. Der Schmelzprozess in solchen industriellen Schmelzöfen läuft nicht gleichmäßig ab, zunächst schmelzen die Metalle im Zentrum des Ofens, die an den Ofenaußenwänden schmelzen zuletzt. Bei größeren Öfen mit großen Schmelzchargen kann sich dieser Prozess schon über ein paar Stunden hinziehen. Diesen Umstand registrierten die Arbeiter und auch, dass die Sicherheitskräfte nach etwa 1 bis 1,5 Stunden nach befüllen des Ofens abzogen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Münzen im Außenbereich des Ofens jedoch noch nicht geschmolzen. Unbeobachtet konnten die Hüttenwerker mit entsprechenden Ofenkellen die unversehrten Münzen wieder aus dem Ofen holen, abschrecken und beiseite schaffen. Ein Diebstahl den sicherlich nie jemand bemerkt hätte – solange die Truppe dicht hielt. Ein einträgliches „Geschäft“ bei 400 Tonnen Münzen.
Die Methoden der Rückgewinnung wurden ausgefeilt und die Erträge wuchsen. Doch wie heißt schon ein altes Sprichwort: Übermut tut selten gut! Eines erfolgreichen Tages schickten die zufriedenen Hüttenwerker eine Putzfrau zum Einkauf. Sie sollte Bier und Schnaps für eine zünftige „Brigadefeier“ kaufen. Solche Feiern auf der Arbeit waren nicht nur in der Hettstedter Hütte üblich, jedoch war dies ein nicht üblicher Anlass. Dennoch es wurde bis zum Abwinken gefeiert – gesoffen – wobei die Putzfrau – freiwillig oder mit Münzen bezahlt? – nackt auf dem Tisch tanzte. Dieser Krawall rief den Werkschutz auf den Plan, jedoch konnte auch dieser die besoffenen Hüttenarbeiter-Bande nicht bändigen. Die Volkspolizei wurde gerufen und nahm den besoffene Anführer zu Ausnüchterung mit. Bei der Vernehmung am nächsten Morgen, gestand der Mann ungefragt den Münzdiebstahl.
So kam die Kripo ins Spiel und 3,5 Jahrzehnte später gab der damalige ermittelnde Kripo-Beamte – nun schon lange im Ruhestand – Auskunft über den geheim gehaltenen und später vergessenen Vorfall. Es folgten Hausdurchsuchungen bei den entsprechenden Schichtkollegen. Die Ermittler fanden Münzen, die noch Anlauffarben von der Wärmeeinwirkung aufwiesen. Insgesamt wurden Münzen im Wert von 6230 Mark beschlagnahmt. Wieviel Geld aber wirklich vor dem Einschmelzen gerettet wurde, konnte nie festgestellt werden, so der Kriminalbeamte.
Nach den Unterlagen der DDR-Staatsbank sind jedoch allein in den drei Julitagen des Jahres 1980, in denen der Diebstahl aufflog, 3.000 Jutebeutel mit Münzen im Wert von 12 Millionen Mark eingeschmolzen worden.
Die Sicherheitsvorkehrungen wurden nach diesen Julitagen drastisch verschärft. Auch die Münzdiebe wurden zur Verantwortung gezogen. Bis auf den Anführer ließ man jedoch Gnade vor Recht ergehen – wohl auch um die Geheimhaltung nicht in Gefahr zu bringen. Alle beteiligten Diebe erhielten Bewährungsstrafen, bis auf den Anführer, der musste ins Gefängnis.
Die Tatabläufe wurden akribisch rekonstruiert und dokumentiert und lassen darauf schließen, dass weitaus mehr Münzen gerettet wurden, als die beschlagnahmten Münzen im Wert von 6230 Mark.
Vielleicht hatten die Beteiligten auch geheime Depots angelegt, wie schon bei den alten Römern und im Mittelalter üblich. Jedoch hatte das Geld in jenen Zeiten unbegrenzten Wert – dieser wurde durch den Wert der Metalle sichergestellt. Das war bei den DDR-Münzen nicht so und dann kam auch noch die Wiedervereinigung und machte diese Münzen endgültig als Zahlungsmittel wertlos. Sammler würden sich wohl dennoch darüber freuen.
Und die Moral von der Geschichte: Nackte, auf Tischen tanzende, Putzfrauen bringen Kummer und Sorge.




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