Der letzte Versuch den 2. Weltkrieg zu verhindern – 10. Teil

Der polnische Botschafter Lipski, empfing Forbes und Dahlerus in seinem fast leergeräumten Büro. Er wirkte äußerst angespannt und nervös. Dann wurde ihm das Papier der deutschen Regierung übergeben. Nachdem Lipski einen Blick darauf geworfen hatte, äußerte er, dass er den Text nicht lesen und verstehen könne.
Dahlerus bot an, einer Sekretärin den Text zu diktieren, die diesen dann gleich übersetzen könne. So wurde es dann gehandhabt. Nach Fertigstellung der Schrift wurde sie Lipski übergeben und Forbes sowie Dahlerus verabschiedeten sich vom polnischen Botschafter, der kein wirkliches Interesse an dem deutschen Angebot zu haben schien.
Forbes berichtete dann Dahlerus, dass er während des Diktats ein kurzes Gespräch mit Lipski hatte. In diesem hatte der Pole geäußert, dass er keinen Anlass sehe, sich für das Angebot der deutschen Seite zu interessieren. Er erklärte, dass er die Lage gut kenne und im Fall eines Krieges Unruhen in Deutschland ausbrechen würden und zudem die polnischen Truppen in kurzer Zeit erfolgreich gegen Berlin marschieren würden.
Der Brite und der Schwede waren niedergeschlagen über diese Einschätzung des Polen, die sie in keiner Weise teilen konnten.

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Gegen 12.30 Uhr, an jenem 31. August, verlies Dahlerus die englische Botschaft und fuhr in Hermann Görings Berliner Wohnung, um ihm zu berichten sowie das weitere Vorgehen abzustimmen. Göring war sehr aufgebracht als Dahlerus bei ihm eintraf und dessen Bericht verbesserte die Stimmung nicht. In diesem Moment kam ein Adjutant und brachte Göring einen roten Brief – also ein geheimes und dringliches Schreiben. Göring öffnete den Brief und las das Schreiben wobei er noch unruhiger und zorniger wurde, als er bereits war.
Er erklärte Dahlerus, dass vor kurzer Zeit ein Chiffretelegramm der polnischen Regierung an Lipski abgefangen worden sei und dass dies den ganzen Unwillen der Polen an einer friedlichen Lösung dokumentieren würde. Er schrieb das Telegramm ab und überreichte es Dahlerus, damit dieser darüber mit den Engländern reden könne.
Dieses Telegramm, das im Weißbuch der Polen, im Blaubuch der Briten sowie in Görings Abschrift erhalten ist, stimmt inhaltlich in keiner Version überein. Wieso dies so ist, ist bis heute unklar.
Im Wesentlichen enthielt es jedoch die Weisung der polnischen Regierung an ihren Botschafter Lipski unter keinen Umständen direkt mit den Deutschen über irgendwelche Vorschläge in mündlicher oder schriftlicher Form zu sprechen, zu diskutieren oder auch solche entgegenzunehmen.
Göring war in sehr schlechter Stimmung, da konnten nur kulinarische Genüsse eine Besserung hervorrufen. Er fuhr mit Dahlerus ins Hotel Esplanada um dort zu dinieren. Das Eintreffen von Göring rief größeres Aufsehen hervor, denn die ganze Stadt war aufs äußerste angespannt. In einer hinteren Ecke des Restaurants bekamen die beiden einen Tisch, an dem sie recht ungestört essen und reden konnten.
Görings Laune besserte sich und Dahlerus unternahm einen neuen Anlauf um für die schwierige politische Situation Lösungsansätze zu finden. Auch Dahlerus hatte nun erkannt, dass direkte Verhandlungen zwischen Polen und Deutschland wohl keine Aussicht auf Erfolg mehr haben würden. Daher schlug er Göring vor, diesbezügliche Verhandlungen zwischen Deutschland und England aufzunehmen, wobei England sowohl im eigenen Interesse wie auch im Namen Polens auftreten sollte. Dahlerus konnte Göring dazu bewegen Hitler aufzusuchen, um sich für diese Gespräche die Genehmigung einzuholen. Dahlerus fuhr hingegen in die britische Botschaft, um Henderson von seinem Vorschlag zu überzeugen. Dieser war jedoch wenig angetan von diesem Vorschlag und lehnte zunächst ab. Dann läutete jedoch das Telefon und Göring rief an. Er teilte Dahlerus mit, dass Hitler für die Gespräche mit England seine Zustimmung erteilt habe. Und er lud Henderson, den er als Freund bezeichnete, ein, um 16 Uhr bei ihm zu sein. Zudem sagte er, dass Hitler jedoch eine Bedingung für die Zusammenkünfte gestellt habe: Ein neutraler Zeuge sollte bei den Gesprächen anwesend sein und Hitler habe dafür Dahlerus auserkoren. Was blieb dem weiter übrig als zu zustimmen?
Wie vereinbart trafen sich am späten Nachmittag in Görings Wohnung Botschafter Henderson, Botschaftsrat Forbes und Birger Dahlerus mit Hermann Göring. Das Gespräch fand in freundlicher Atmosphäre statt, brachte jedoch kein Ergebnis, außer dass Henderson sich bereit erklärte, bei seineRegierung nachzufragen, ob direkte Verhandlungen zur Klärung des Polen-Problems zwischen England und Deutschland aufgenommen werden könnten.
Weiter berichtete Göring, dass am Abend Außenminister Ribbetrop mit dem polnischen Botschafter Lipski zusammentreffen würde – Ergebnis offen.
Erneut war ein Tag vergangen, der 31. August 1939, an dem es keine Annäherungen gegeben hatte. Im Gegenteil, die Lage spitzte sich von Tag zu Tag weiter zu. Und das ist wohl sogar noch untertrieben, die Gefahr eines Krieges nahm stündlich zu.
Am späten Abend besuchte Dahlerus nochmals Forbes in der englischen Botschaft. Die Stimmung war auf dem Tiefpunkt, denn es war bekannt geworden, dass die Zusammenkunft zwischen Ribbentrop und Lipski zu keinem Ergebnis geführt hatte. Wohl eher das Gegenteil war zu vermerken, denn die beiden Diplomaten hatten sich in feindseliger Stimmung getrennt.
Dahlerus erhielt dann von Göring noch einen Anruf, in dem er gebeten wurde, Göring am nächsten Morgen um 8 Uhr in seinem Sonderzug zu besuchen.
Wie es am 1. September weiteging, darüber berichte ich demnächst.




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